Blockaden im Faktencheck: Klimaprotest ist nicht zu verbieten

Ist die Bundesinnenministerin für radikale Kli­ma­schüt­ze­r*in­nen zuständig? Und wer kann überhaupt Vereinsverbote anordnen?

Portrait von Nancy Faeser

Die Bundesinnenministerin ist sowohl für Vereinsverbote als auch für Verfassungsschutz zuständig Foto: Christian Mang/reuters

Anlässlich der Klimaschutz-Blockaden sagte Ex-Justizministerin Sabine Leutheusser Schnarrenberger (FDP): „Teil der Aufgabenbeschreibung einer Bundesinnenministerin ist es, jegliche radikale Gruppe auf dem Schirm zu behalten.“ Stimmt das?

Richtig ist:

Das Bundesinnenministerium ist sowohl für Vereinsverbote als auch für den Verfassungsschutz zuständig.

Vereinsverbote kann Innenministerin Nancy Faeser (SPD) selbst anordnen, zum Beispiel wenn die Zwecke oder die Tätigkeit eines Vereins „den Strafgesetzen zuwiderlaufen“. Die Gewerkschaft der Polizei hat bereits angeregt, ein Verbot der „Letzten Generation“ zu prüfen.

Tatsächlich ist die Hauptaktivität der „Letzten Generation“ derzeit die Durchführung von Straßenblockaden. Von den Gerichten wurden diese Aktionen bisher zwar durchweg als rechtswidrige Nötigung eingestuft, aber nur äußerst milde bestraft. Die Behinderung von Rettungsfahrzeugen ist weder intendiert noch kommt sie häufig vor. Ein Vereinsverbot wäre deshalb wohl unverhältnismäßig.

Beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat Faeser die Fachaufsicht und könnte dem Amt mit Weisungen und Erlassen Vorgaben machen, muss es aber nicht. Anders als ihr Vorgänger Horst Seehofer (CSU) ist Faeser hier eher zurückhaltend. Das BfV beobachtet Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung. Gemeint sind Aktivitäten, die Demokratie, Rechtsstaat und Menschenwürde gefährden oder beseitigen wollen.

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So stellte das BfV im letzten Verfassungsschutzbericht fest, dass Links­ex­tre­mis­t:in­nen versuchen, auf Klimaproteste Einfluss zu nehmen. Eine maßgebliche Rolle komme dabei der Gruppe „Ende Gelände“ zu, die sich gegen Kohleabbau und für einen „Systemwandel“ engagiert.

Der propagierte „Systemwandel“ bezieht sich allerdings vor allem auf den Kapitalismus, der im Grundgesetz nicht explizit geschützt oder gar vorgegeben ist. Vielmehr erlaubt das Grundgesetz in Artikel 15 auch die Sozialisierung von weiten Bereichen der Wirtschaft. Die Stigmatisierung von „Ende Gelände“ durch den Verfassungsschutz ist also fragwürdig.

Zur „Letzten Generation“ hat sich das Bundesamt bisher nicht offiziell geäußert. Der Langname der Gruppe „Aufstand der letzten Generation“ klingt zwar martialisch, die konkreten Ziele sind aber eher zahm: ein Tempolimit auf Autobahnen und ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung. Die Organisation stellt mit ihren Straßenblockaden auch die Demokratie nicht in Frage, sondern will vor allem Öffentlichkeit für ihre Appelle an die Bundesregierung schaffen. Eine Einstufung als extremistische Bestrebung liegt daher nicht nahe.

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