Zukunft der Linkspartei: Es geht ums Überleben

Wenn es die Linkspartei nicht schafft, einen Ausweg aus ihren multiplen Krisen zu finden, ist sie endgültig Geschichte. Und das wäre ein Verlust.

3 Pakete Papiertaschentücher in roter Verpackung mti der Aufschrift "Für rote Nasen! Die Linke"

Grund verschnupft zu sein: die Linke Foto: Karina Hessland/imago

Wird das noch etwas mit der Linkspartei? Ihr die Totenglocken zu läuten scheint mittlerweile geradezu zum guten Ton zu gehören. Und das ist ja auch nachvollziehbar. Ihre Krise ist weit existenzbedrohender als jene der PDS, nachdem sie 2002 aus dem Bundestag flog. Denn die PDS war damals immerhin noch im Osten eine Volkspartei. Das ist die Linkspartei – mit Ausnahme Thüringens – heute nicht mehr.

Es sind zu viele Krisen, mit denen die Linkspartei zu kämpfen hat. Der Streit um Flucht und Migration, um das Klima, über Corona, über den Ukraine-Krieg – in allen zentralen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen der jüngsten Zeit ist es der Linkspartei nicht mehr gelungen, zu vermitteln, wofür sie eigentlich steht.

Maßgeblich verantwortlich dafür ist der bis heute ungelöste Konflikt um die frühere Bundestagsfraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht und ihren Anhang, die die eigene Partei öffentlichkeitswirksam wie fälschlich als Ansammlung von „Lifestyle-Linken“ diffamieren, die sich nicht mehr für die „einfachen Leute“, für Ar­bei­te­r:in­nen und Rentner:innen, interessiere. Dass sich die Bundestagsfraktion mit Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali an der Spitze in einem desolaten Zustand befindet, ist dabei auch nicht gerade hilfreich. Und jetzt kommt auch noch #MeToo hinzu.

Wenn es die Linkspartei nicht schnell schafft, einen Ausweg aus ihren diversen Krisen zu finden, ist sie endgültig verloren. Nein, dieser Niedergang ist kein Grund zur Freude. Es braucht eine starke linke Opposition gerade jetzt, eine „moderne sozialistische Gerechtigkeitspartei“, wie es der Thüringer Linken-Vordenker Benjamin Hoff formuliert hat. Das ist die Linkspartei derzeit nicht. Doch die Hoffnung, aus ihren Ruinen werde schon etwas Neues entstehen, ist ein Trugschluss. Gibt es diese Linkspartei nicht mehr, wird es auf absehbare Zeit nichts mehr links von SPD und Grünen im Bundestag geben.

Auf dem Weg zum Abgrund kann eine Panne lebensrettend sein, hat einmal der Literaturwissenschaftler Walter Jens formuliert. In diesem Sinne ist der Rücktritt der unglücklichen Susanne Hennig-Wellsow nicht nur die nächste Hiobsbotschaft für die Linkspartei, sondern vielleicht eine Chance. Denn er ist ein Weckruf, endlich mit der überfälligen Erneuerung zu beginnen. Jetzt müsste er nur noch gehört werden. Auf den verschiedenen Flügeln gibt es immer noch etliche kluge und fähige Köpfe, ob unter den ostdeutschen Re­for­me­r:in­nen oder den westdeutschen Bewegungslinken. Sie müssen begreifen, dass es nun darauf ankommt, gemeinsam ums Überleben zu kämpfen.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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