Lawrow vergleicht Selenski mit Hitler: Fassungslosigkeit in Israel

Russlands Außenminister Sergej Lawrow bedient einen antisemitischen Verschwörungsmythos. „Unverzeihlich“ nennt das sein israelischer Amtskollege.

Der russische Aussenminister Sergei Lawrow

Der russische Aussenminister Sergei Lawrow am 26. April Foto: Russian Foreign Ministry/ITAR-TASS/imago

TEL AVIV taz | Der Aufruhr in Israel ist groß. Am Sonntag hatte der russische Außenminister Sergej Lawrow in einem Interview mit dem italienischen Fernsehsender Rete 4 den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski mit Hitler verglichen. Lawrow hatte die russische Kriegsbegründung wiederholt, in der Ukraine seien Nazis am Werk, und gesagt: „Es bedeutet absolut nichts, dass Selenski jüdische Wurzeln hat, sogar Hitler hatte sie meiner Meinung nach.“ Er fügte hinzu: „Wir haben das weise jüdische Volk schon seit Langem sagen hören, dass die größten Antisemiten gerade die Juden sind.“

Der israelische Außenminister Yair Lapid kritisierte die Äußerungen Lawrows scharf. Sie seien „unverzeihlich und empörend und ein schrecklicher historischer Fehler“. Das Außenministerium rief den russischen Botschafter in Israel, Anatoly Viktorov, zu einem „klärenden Gespräch“ ein.

„Zu sagen, Hitler sei ein Jude gewesen, ist so, als würde man sagen, die Juden hätten sich selbst umgebracht“, twitterte Lapid: „Die Nazis verfolgten die Juden, nur die Nazis waren Nazis, nur die Nazis unternahmen eine systematische Vernichtung des jüdischen Volkes.“ Die sogenannte Frankenberger These, laut der Hitler jüdische Vorfahren habe, taucht hartnäckig immer wieder auf. Zahlreiche Historiker:innen, unter ihnen Joachim Fest und Ian Kershaw, haben diese jedoch wiederholt entkräftet.

Auch Dani Dayan, der Leiter der ­israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, bezeichnete am Montag die Äußerungen Lawrows als „ge­fährlich und in jeder Hinsicht zu verurteilen“. Er fügte hinzu, Lawrow mache „Opfer zu Kriminellen, indem er die völlig falsche Behauptung aufstellt, Hitler sei jüdischer Abstammung ­gewesen“.

Israel unterhält Beziehungen zu Russland und der Ukraine

Der israelische Minister für öffentliche Sicherheit, Omer Barlev, sagte, Lawrows Äußerungen verletzten die Erinnerung an diejenigen, die von den Nazis ermordet worden seien. Er drückte Besorgnis aus, dass die Äußerungen falsche Narrative stärken und zu einer Welle von Antisemitismus führen könnten, weltweit und insbesondere in Russland.

Israel hat zu Beginn des Russland-Ukraine-Krieges eine weitgehend neutrale Rolle gespielt. Es ist eines der wenigen Länder, die relativ gute Beziehungen sowohl zur Ukraine als auch zu Russland pflegen, und hatte Vermittlungsversuche zwischen beiden Ländern unternommen. In Israels Interesse liegt nicht zuletzt, die Zusammenarbeit mit den Russen im syrischen Luftraum nicht zu verlieren. Russland kontrolliert den Luftraum über Syrien und erlaubt dort der israelischen Luftwaffe, Schläge gegen iranische Ziele durchzuführen.

Israel hatte sich Ende Februar zunächst geweigert, eine Verurteilung Russlands durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu unterstützen, und wurde dafür von den USA kritisiert, hat sich aber in Folge nun stärker auf der Seite des Westens positioniert und vergleichbare Resolutionen, in denen Russlands Angriffskrieg verurteilt wurde, unterstützt. Anfang April hatte Israel gemeinsam mit 93 anderen Ländern die Mitgliedschaft Russlands im UN-Menschenrechtsrat suspendiert.

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