Armut in der Corona-Krise: Schwache leiden am meisten

In einer großen Wohnung ist das Daheimbleiben leichter zu ertragen. Die soziale Isolation trifft vor allem die Armen.

Frau sitz in ihrem Zimmer an ihrem schreibtisch. Im vordergrund eine Kleiderstange

Soziale Isolation ist leichter zu ertragen, wenn man viel Platz hat Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Die Corona-Krise ist nicht demokratisch. Sie trifft die Ärmsten in der Gesellschaft am härtesten. Jene haben keine Rücklagen, um zusätzliche Belastungen aufzufangen. Sie leben in kleinen Wohnungen an Hauptverkehrsstraßen, ohne Balkon oder Garten. Viele sind auf kostenlose Lebensmittel der Tafeln angewiesen, die wegen der Ansteckungsgefahr schließen.

Soziale Isolation ist leichter zu ertragen, wenn man mit Netflix und schnellem Internet im großzügigen Eigenheim sitzt. Der Wert einer Gesellschaft bemisst sich daran, wie sie in einer Krise mit den Schwächsten umgeht. Man kann der Regierung nicht vorwerfen, dass sie die besondere Situation armer Menschen ignoriert. Sie tut einiges – und sendet Signale der Solidarität.

Ein paar Beispiele: Die Regierung rechnet mit bis 1,2 Millionen zusätzlichen Hartz-IV-Be­zie­he­rIn­nen – und stellt dafür knapp 10 Milliarden Euro bereit. Dieser Schutzschirm ist dringend nötig. Er zielt auf kleine Selbstständige, die sich die freiwillige Arbeitslosenversicherung sparen, weil sie zu wenig verdienen. Auch ist es nur richtig, die Prüfung des Vermögens und der Angemessenheit der Wohnung bei Hartz IV befristet auszusetzen. Damit räumt der Staat schwer zu bewältigende bürokratische Hürden aus dem Weg.

Perfekt sind die schnell aus dem Boden gestampften Gesetze aber nicht. Sie haben logische Brüche, Lücken und Schwächen. Ein Beispiel: Der erleichterte Zugang zu Hartz IV wirft Gerechtigkeitsfragen auf. Was passiert, wenn Arbeitslose auch nach einem halben Jahr in der zu teuren Wohnung leben – oder zu viel Vermögen besitzen? Das ist, Stand jetzt, offen – und Ärger ist vorhersehbar. Angebracht wäre auch ein Krisenaufschlag auf die Grundsicherung. Die Sozialverbände kritisieren seit Langem, dass die Sätze nicht das angemessene Existenzminimum garantieren. Wenn Kinder nicht mehr in der Kita oder Schule essen, sondern zu Hause, wird das Leben teurer.

Das Krisenmanagement der Regierung für arme Menschen ist okay, aber es ginge besser.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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