Westliche Bodentruppen in der Ukraine?: Eiskalter Schauder
Macrons Bodentruppen-Vorstoß bedroht den zurückhaltenden Kurs der Nato. Und er ist kein Mittel, um den Krieg zu beenden.
![Olaf Scholz schüttelt Emmanuel Macron die Hand und lächelt ihn an, der lächelt aber in eine andere Richtung und gibt das Zeichen Thump up Olaf Scholz schüttelt Emmanuel Macron die Hand und lächelt ihn an, der lächelt aber in eine andere Richtung und gibt das Zeichen Thump up](https://taz.de/picture/6855579/14/34760142-1.jpeg)
F rankreich und die Franzosen lieben die große Geste, und Emmanuel Macron ist auch in dieser Hinsicht der erste Franzose. Mit ebenjener französischen grandesse schließt er nun zur Unterstützung der Ukraine die Entsendung von Bodentruppen einzelner Länder nicht mehr aus. Es gebe keinen offiziellen Beschluss dafür, räumt er zwar ein. Bodentruppen seien aber Teil einer sehr offenen Diskussion bei dem von ihm einberufenen Ukraine-Unterstützungstreffen in Paris gewesen. Man muss kein Freund oder keine Freundin des Russland freundlich gesinnten slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico sein, um ihn dazu zu zitieren: „Es läuft einem kalt den Rücken hinunter.“
Deutschland und die Deutschen werden in der Regel als nüchtern und strukturiert beschrieben. Grandiosität kommt in dieser Betrachtung nicht vor, und Bundeskanzler Olaf Scholz ist auch in dieser Hinsicht der erste Deutsche. Mit ebenjener deutschen Nüchternheit hat Scholz jetzt die Entsendung des deutschen Marschflugkörpers Taurus gänzlich ausgeschlossen.
Seine Begründung am Montag war ein direkter Vorgriff auf die folgende Diskussion in Paris, wo die Bodentruppenfrage wohl schon im Vorbereitungspapier auftauchte: Der Taurus komme deshalb nicht infrage, weil selbst die Zielerfassung durch deutsche Soldaten in Deutschland eine Kriegsbeteiligung wäre. Man muss kein Freund oder keine Freundin des spröden deutschen Kanzlers sein, um in diesem Licht die Entscheidung richtig zu finden.
Seit zwei Jahren ringen die Staaten der Nato darum, nicht direkt in diesen Krieg involviert zu werden. Die russische Invasion in der Ukraine jenseits des Donbass wurde und wird zwar als Bedrohung der westlichen Sicherheit betrachtet. Angrenzende Nato-Staaten fürchten zudem, Russland könne sich ermächtigt fühlen, auf ihre Territorien vorzustoßen. Doch eine nicht durch den Nato-Beistandsartikel provozierte Beteiligung in der Ukraine wäre eine Aufkündigung dieses Konsenses innerhalb der Nato und damit der Geschlossenheit des westlichen Bündnisses.
Sind westliche Soldaten schon in der Ukraine?
Man kann dem entgegnen, dass die Entsendung von Bodentruppen eines Landes ohne Nato-Mandat keine Nato-Beteiligung wäre. Viel Spaß dabei, dies dem russischen Präsidenten Wladimir Putin darzulegen, kann man nur wünschen.
Man kann entgegnen, dass französische wie auch britische Soldaten möglicherweise bereits auf ukrainischem Boden aktiv sind. Frankreich und Großbritannien haben der Ukraine das etwas weniger reichweitenstarke Äquivalent zu Taurus, den Marschflugkörper vom Typ Scalp/Storm Shadow, zur Verfügung gestellt. Wer dessen Zielerfassung von wo aus durchführt, ist vielleicht für Putin kein Geheimnis. Offiziell öffentliche Informationen dazu gibt es aber nicht.
Man kann nun sogar annehmen, die Aussage von Macron sei ein Eingeständnis, dass sie schon vor Ort sind. Aber das erklärt noch nicht, weshalb das Thema überhaupt auf der Agenda des Pariser Treffens stand, Macron die große Formulierung wählt und gleich mehrere Länder Bodentruppen nicht mehr ausschließen wollen.
Seit der Münchner Sicherheitskonferenz ist die sicherheitspolitische Tonlage eine veränderte. Das Signal, das Putin mit dem Mord an Alexei Nawalny nach München geschickt hat, wirkte wie eine Erschütterung – zusammen mit den flehentlichen Auftritten des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und seines Außenministers Dmytro Kuleba. Diesem Druck indes mit Bodentruppen nachzugeben, würde den Krieg vermutlich nicht beenden. Im Gegenteil.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links