Wegen verschwiegener Homosexualität: Spanier muss Ex-Frau entschädigen
Ein Urteil löst in Spanien Empörung aus. Ein Mann muss 3.000 Euro zahlen, weil er seiner Ex nicht von seinen homosexuellen Beziehungen erzählt habe.

Der Richterin reicht dies nicht. Sie sieht in „der vorsätzlichen Verheimlichung“ seines Vorlebens durch den Verurteilten „Betrug“. Laut einem Gesetz aus dem Jahre 1889 sei die Ehe deshalb ungültig, erklärte sie gegen die Kriterien der Verteidiger und der Staatsanwaltschaft. Die Ehe war 2011 im gegenseitigen Einvernehmen geschieden worden. Beide seien Freunde geblieben, so der Verurteilte. Er habe seiner Ex 2016 gar einen männlichen Partner vorgestellt.
2019 schließlich zog die Frau auf Anraten ihrer Freundinnen vor Gericht, um die Ehe für „nichtig“ erklären zu lassen. In der Klage behauptete die Frau unter anderem, dass sie nach der Scheidung „große soziale Ablehnung“ erfahren habe.
Der spanische Verband der Lesben, Schwulen, Transgender und Bisexuellen (FELGTB) spricht von einem „reaktionären Urteil“. Das „moralische Gerichtsverfahren“ stelle einen „besorgniserregenden Präzedenzfall“ dar. Das Urteil richte sich gegen die verfassungsmäßigen Grundrechte. „Das Urteil ist ein Hinweis an die Gesellschaft, dass jeder, der ein Sexualleben außerhalb der Norm hat, vor Gericht kommen und verurteilt werden kann“, erklärt die FELGTB-Sprecherin Uge Sangil.
Gleichstellungsministerin verlangt, Gesetz zu prüfen
„Niemand sollte gezwungen werden, sich zu seiner sexuellen Orientierung zu äußern“, beschwert sich auch die Vizeregierungschefin und Ministerin für Gleichstellung und integrative Politik der Region Valencia, Mónica Oltra, über das Urteil. Oltra verlangt, dass der Gesetzgeber das dem Urteil zu Grunde liegende Gesetz aus dem Jahr 1889 überprüfe. Der Begriff der „Nichtigkeit“ einer Ehe stamme schließlich aus Zeiten, als eine Scheidung unmöglich war.
Fälle wie die von Vilalta kommen in der zivilen Rechtsprechung so gut wie nicht vor. Wenn Ehen für „nichtig“ erklärt werden, geschieht dies in Spanien vor kirchlichen Institutionen. Es geht dabei um Paare, die so streng religiös sind, dass sie sich nicht zivil scheiden lassen wollen, da dies eine erneute kirchliche Trauung verunmöglicht.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen