Volksfest Gillamoos: Niemand geht Weidel ans Schnitzel!
Eine Rede auf dem Gillamoos ist absurder als die nächste. Kaum übertreffen lassen sich allerdings Alice Weidel und Friedrich Merz.
J awooohl!! Meiner Hündin Frau Dr. Bohne und mir ist diese Woche wieder einmal aufgefallen, wie wichtig Menschen (und Hunden) Zustimmung ist. Das ist menschlich (beziehungsweise hundlich), aber unsympathisch wird’s, wenn jemand danach heischt, dass „Jawooohl!“ geschrien wird. Politikerinnen und Politiker sind dafür leider besonders anfällig.
Ich lese Frau Dr. Bohne zum Beispiel aus der Zeitung vor, dass eine Politikerin in irgendeinem Kaff in Bayern in einem Bierzelt gesagt hat, die Grünen wollten „uns die Schweinshaxe, die Bratwurst, das Schnitzel verbieten“. „Jawooohl!“, bellt Frau Dr. Bohne reflexartig. „Gute Politikerin! Rettet das Recht auf Wurst und Leckerlis!“ Und weil ich geahnt habe, dass ihr das gefallen würde, habe ich schon das Video dieser Rede rausgesucht.
Da steht Alice Weidel von der sogenannten Alternative für Deutschland und sagt allen Ernstes, mit dem Zeigefinger fuchtelnd: „Und ich kann euch sagen, ich lasse mir nicht mein Schnitzel wegnehmen! Niemand geht an mein Schnitzel!“ Frau Dr. Bohne und ich schauen uns an, und ich erkenne in diesem Moment: Auch Hunde können Fremdscham empfinden. „Die hat doch echt ’nen Knall, oder?“, fragt meine Hündin.
Ich nicke und antworte: „Man weiß am Ende nicht, ob sie das ernst meint oder ob sie ihr ‚Jawooohl!‘ schreiendes Publikum verarschen will.“ Frau Dr. Bohne sagt: „Hätte das eine andere Politikerin in einem anderen Ton gesagt – ich hätte die sofort gewählt! Hax’n und Wurst und Schnitzel, das sind Menschenrechte, Pardon, Hunderechte! Aber was nützt dieser Einsatz, wenn sie sich sonst so niederträchtig äußert!?“
Keine Drogen auf Bayerns Straßen
Wenn wir in Wien, wo wir leben, unsere Gassirunden gehen, kommen wir gelegentlich an dem Geschäft vorbei, wo ich Hundefutter kaufe. Frau Dr. Bohne sagt dann jedes Mal: „Ich will es noch einmal wiederholen: Nicht Berlin-Kreuzberg ist Österreich! Dieses Geschäft hier ist Österreich, meine Damen und Herren!“ Ich schreie daraufhin immer: „Jawooohl!“
Frau Dr. Bohne nickt selbstzufrieden und feiert sich für diesen klugen Satz. Denn sie hat ja faktisch recht – im Gegensatz zu Leuten, die finden, Berlin-Kreuzberg sei nicht Deutschland. Außerdem finde ich, ein Deutscher Jagdterrier darf solche terrierhaften Sätze sagen, sonst wäre er ja kein Terrier. Menschen hingegen sollten nicht versuchen, wie Terrier zu sein, denn das wäre „kulturelle Aneignung“, und das geht heutzutage ja gar nicht!
Manchmal merken die Leute überhaupt nicht, welchen Aussagen sie da zustimmen, wenn sie gedankenlos „Jawooohl!“ rufen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat diese Woche zum Beispiel gesagt: „Ich will keine Drogen auf bayerischen Straßen, meine Damen und Herren!“ Ich erzähle Frau Dr. Bohne davon. „Wäre ja zu lustig, wenn er das in einem Bierzelt gesagt hätte!“, kläfft sie fröhlich. „Hat er“, antworte ich.
„Im Ernst?“ – „Ja, und das Publikum hat ihm auch noch applaudiert, während ihre Bierkrüge vor ihnen standen.“ Frau Dr. Bohne schüttelt den Kopf. „Ihr Menschen seid echt bekloppt.“ „Ach wirklich?“, erwidere ich. „Vielleicht sollten wir mal über das ständige Betteln um Zustimmung bei Hunden reden …“, doch da fällt mir Frau Dr. Bohne ins Wort. „Bekommt euer Oberpirat neuerdings eigentlich Zustimmung?“ – „Sie meinen Bundeskanzler Olaf Scholz?
Wegen seiner Augenklappe nach dem Joggingunfall diese Woche?“ Sie nickt. „Keine Ahnung. Es gibt jedenfalls viele lustige Memes im Internet, und ich glaube, so ein Badass-Image gefällt manchen und tut auch der Büroklammer Scholz gut.“ Frau Dr. Bohne meint daraufhin, dass Scholz die Augenklappe vielleicht einfach dauerhaft tragen sollte.
Zu Hubert Aiwanger wollen Frau Dr. Bohne und ich nichts mehr sagen, es wurde viel geschrieben, es ist alles so traurig. „Aber dass seine Umfragewerte jetzt auch noch steigen nach dem Bekanntwerden dieses furchtbaren Flugblatts aus den achtziger Jahren und seiner äußerst seltsamen Verteidigung heute, das ist wirklich der Gipfel!“, sagt meine Hündin. „Ich sag ja: Ihr Menschen seid echt bekloppt. Jawohl!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen