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Verpflichtende KZ-Besuche in der SchuleErinnern geht nur inklusiv

Pauline Jäckels
Kommentar von Pauline Jäckels

Karin Priens Vorstoß für mehr NS-Bildung an Schulen ist ein richtiger Impuls. Einen wichtigen Aspekt lässt sie dabei allerdings völlig außer Acht.

Jugendliche zu Besuch im ehemaligen Konzentrationslager Sachsenhausen Foto: Jürgen Ritter/imago

C DU-Bildungsministerin Karin Prien will den Besuch von KZ-Gedenkstätten in der Schule verpflichtend machen. Mal ganz abgesehen davon, dass am Ende ohnehin die Länder und nicht der Bund darüber entscheiden, ist das ein guter Vorschlag. Selbstverständlich muss die massenhafte Vernichtung von Jüd*innen, Sin­ti*z­ze und Rom*nja, Kom­mu­nis­t*in­nen, Homosexuellen in den NS-Lagern integraler Bestandteil der Geschichtslehrpläne aller Bundesländer sein. Besuche von KZ-Gedenkstätten können diese, unsere genozidale Geschichte lebensnäher vermitteln als Lehrbücher und Frontalunterricht im Klassenraum.

Ebenso Priens Anstoß, dass die Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte mehr im Mittelpunkt stehen sollte, ist sinnvoll. Denn trotz all der Jahre institutionalisierter Erinnerungskultur glaubt ein Drittel der Deutschen, ihre Vorfahren hätten Widerstand gegen die Nazis geleistet. In Wirklichkeit trifft das laut Schätzungen nur auf etwa 0,3 Prozent der damals lebenden Deutschen zu. Dem ein oder anderen Deutschen fiele es nach der Auseinandersetzung mit dem eigenen Nazihintergrund vielleicht schwerer, Antisemitismus zu allererst bei Mus­li­m*in­nen und Mi­gran­t*in­nen zu suchen. Priens Parteikollege und Kanzler Friedrich Merz könnte gleich mit gutem Beispiel vorangehen und sich mal öffentlich mit der jahrelang von ihm verharmloste Nazi-Geschichte seines Großvaters befassen.

Was in Priens Vorschlägen allerdings überhaupt keine Erwähnung findet: Ein immer größerer Anteil der Schü­le­r*in­nen hat keine Familiengeschichte, die direkt mit der NS-Geschichte verwoben ist. Migrantischen Kindern einfach deutsch-zentrische Erinnerungserzählungen überzustülpen, ist der falsche Ansatz. Stattdessen braucht es Bildungskonzepte, die es Schü­le­r*in­nen ohne Nazihintergrund ermöglichen, einen eigenen Zugang zum Thema zu finden. Dazu müsste man die NS-Geschichte – vom Aufstieg der Nazis bis zur Massenvernichtung von Minderheiten – in einen Kontext mit globalen Erfahrungen von Vernichtung und Genozid setzen. Das geht auch, ohne den Holocaust zu verharmlosen oder seine Alleinstellungsmerkmale zu vernachlässigen.

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Pauline Jäckels
Meinungsredakteurin
Redakteurin im Meinungsressort seit April 2025. Zuvor zuständig für die parlamentarische Berichterstattung und die Linkspartei beim nd. Legt sich in der Bundespressekonferenz gerne mit Regierungssprecher:innen an – und stellt manchmal auch nette Fragen. Studierte Politikwissenschaft im Bachelor und Internationale Beziehungen im Master in Berlin und London.
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51 Kommentare

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  • Ich würde es für zielführender halten, eine intensive Auseinandersetzung mit der Geschichte des Judenhasses und des Antisemitismus im Unterricht zu fördern. Bei der persönlichen Familiengeschichte ist doch eher mit Abwehr zu rechnen.

  • "Dem ein oder anderen Deutschen fiele es nach der Auseinandersetzung mit dem eigenen Nazihintergrund ..,"

    1945 hatte die NSDAP 8 Millionen Mitglieder. Nur bei jedem 10 Schüler wird man über die Familiengeschichte etwas finden. Das ist schulisch genauso sinnlos wie die 0,3% Wiederständler. Der Ansatz über die Familiengeschichte ist nur geeignet, darüber Interesse an Geschichte zu wecken. Und da es neben dem DE zu der Zeit auch noch eine Restwelt gab, kann die Familiengeschichte von Kinder mit Migrationshintergrund wundbar in den Geschichtsunterricht eingebunden werden.

  • In Zeiten des Internets, Instagram, TikTok, hat der Besuch eines KZs nicht mehr die Wirkung, die es noch in den 80ern hatte. Da muss man anders rangehen. Und den rosa Elefanten benennen.

  • Janee!



    KZ Besuche befürworte ich ebenfalls,



    vor Ort kann über Gefühle statt bloße Fakten mehr Verständnis entstehen.



    Natürlich ist eine Gesellschaft im Wandel.



    Umso wichtiger ist, Allgemeinverbindliche Regeln für eine Gesellschaft aufzustellen.



    Ein deutscher Urenkel trägt genauso viel Verantwortung für seinen Naziopa, wie sein Tischnachbar, dessen Opa aus Anatolien stammt.



    Hier plötzlich von links zwischen " Bio- und Passdeutschen" zu differenzieren, wäre die umgekehrte Aneignung rechtsextremer Ansichten.



    Das ist unter jeden Umständen zu vermeiden.



    Es ist hingegen doch selbstverständlich, dass für die Kids Bezüge ins Heute hergestellt werden müssen.



    "Was bedeutet das für mich?" , ist die logische Frage zur Beschäftigung mit dem Grauen.



    Ich hoffe auf gute GeschichtslehrerInnen und junge, schlaue Köpfe!

    • @Philippo1000:

      " vor Ort kann über Gefühle statt bloße Fakten mehr Verständnis entstehen."

      In jemandem Gefühle zu erzeugen, ist schwierig.

      Die einen fühlen sich manipuliert - was man ja auch wirklich probiert - und verweigern sich, die anderen haben einfach die falschen Gefühle.

      In einer Welt, in der man Medien immer mehr Misstrauen, wird es nicht leichter

      Lief das bei Ihnen als Sie jung waren?

      Konnten Ihre Eltern in Ihnen die gewünschten Gefühle erzeugen?

      Oder die Lehrer?

  • Es erschent mir absurd, dass die Geschichte des Nationalsozialismus, der Holocaust und der zweite Weltkrieg Migtante in DE nur peripher betrifft weil da kein Opa mitgemischt hat.



    Gerade Sie sind es, die vom Rechtsextremismus am meisten betroffen sind. Es ist daher eine paternalistische Haltung, wenn man Erinnerungskultur nur als biodeutsche Angelegenheit betrachtet

  • Gehören "die" Migranten nun zu Deutschland (und damit seiner Geschichte) oder nicht?



    Was meinen Sie, wie viele Migrant*innen z.B. einen osteuropäischen Hintergrund haben: ihre Familiengeschichte dürfte in den meisten Fällen mit der deutschen Geschichte ziemlich stark "verwoben" sein.



    Oder meint die Autorin, den Zusammenhang zwischen Kollaboration bestimmter Teile der islamischen Welt während und nach dem zweiten Weltkrieg mit dem Nationalsozialismus?



    Oder geht es um die Teilnahme von Soldaten aus den westlichen Kolonialmächten an der Befreiung Europas im 2. Weltkrieg?



    Um deutsche Kolonialmassaker in Afrika?



    Oder doch darum, durch eine "Globalisierung der Erinnerung" die deutsche NS-Geschichte und speziell die Geschichte des Antisemitismus in eine allgemeine Geschichte von Gewalt einzubauen und dadurch die Spezifika durch die Hintertür einzuebnen?

  • Verpflichtend sollte es sein, die Menschenrechte beigebracht zu bekommen, und sich dann auch daran - in seinem Verhalten im Umgang mit seinen Mitmenschen zu halten.



    Ein Besuch in einem KZ kann ein Baustein sein, um deutlich zu machen was geschehen kann, hält man sich nicht an die Menschenrechte.



    Ein Besuch im Gefangenenlager Guantanamo könnte auch zum Nachdenken Anregungen geben.

  • Der Besuch von Gedenkstätten und die umfassende Beschäftigung mit dem nationalsozialistischen Grauen ist sicher wichtig und sollte Pflichtprogramm sein. Gerade für junge Menschen wäre es meiner Meinung nach aber wichtig, diese Elemente mit - es mag seltsam klingen - einem positivem, zukunftsorientierten Gegengewicht zu versehen. Dies könnte als Ventil dienen, um aus der eigenen Hilflosigkeit gegenüber schockierenden Eindrücken (und der möglicherweise anschließenden Verdrängung) herauszufinden. Junge Menschen wollen das Gefühl haben, aktiv in Veränderungen eingebunden zu werden.



    Spurensuche in der Familie kann zwar Interesse wecken; herauszufinden, dass der Urgroßvater z.B. in Russland gekämpft hat, kann ja im schlimmsten Fall sogar dazu führen, Entlastungsargumentationen zu entwickeln.



    Sinnvoller wäre m.E. eine anschließende Beteiligung an Demokratieprojekten; der Besuch europäischer Institutionen oder auch die Anknüpfung engerer Beziehungen zu Schulen in Israel (das wäre z.B. auch für Schüler mit Migrationshintergrund sicher eine förderliche Erfahrung).

  • Der Besuch eines Konzentrations/Vernichtungslagers oder der Geschichtsunterricht allein wird nichts bringen.



    Es muss auch die allgemeine Neigung, einen Sündenbock zu suchen und die eigene Situation nicht korrekt zu beurteilen, mit bearbeitet werden. Und das am Besten ohne moralischen Zeigefinger/Vorwurf.

  • Als jemand der bald Geschichtslehrer wird, habe ich mich auch schon mit diesem Gedanken befasst. Je nachdem wie die Zusammensetzung in der Klasse ist kann man sehr wohl auch auf die Nazi Vergangenheit von Familien eingehen, die nicht direkt aus Deutschland kommen. Immerhin wurden viele Länder von Nazi Deutschland besetzt. Wenn es am Ende so ist dass es vier verschiedene Herkunftsländer in der Klasse gibt wäre ich sogar bereit das dementsprechend zu berücksichtigen und darauf aktiv einzugehen. Aber es ist dann natürlich auch so dass wenn drei Kinder türkische Wurzeln haben und ein Kind russische oder sonst was, dann steht am Ende dieses Kind bzw. diese Familie sehr groß im Mittelpunkt. Weiß ich nicht ob die Eltern das so wollen?

    • @curiouscat:

      Ich halte es sowieso für falsch, wenn Geschichte sich nur mit DE beschäftigt. Selbst wenn Länder nicht besetzt waren haben sie zu der Zeit eine eigene Geschichte gehabt.

      Familiengeschichtliche Projekte an Schulen dienen vor allem auch dazu, Interesse an Geschichte zu wecken. Sie müssen daher geographisch offen sein. Ist das erstmal geschafft, dann ist der Grundstein gelegt für eine Lebenslange Beschäftigung damit. Solche Projekte sollten nicht den davon eigenständig und wichtigen Lehrblock "Nationalsozialismus" ersetzen.

    • @curiouscat:

      Warum die Schüler - sind ja alles Menschen - so ausdifferenzieren ?



      Die Gemeinsamkeiten herausarbeiten lassen. Denn alle Menschen können zu Tieren werden. Damit es aber nicht dazu kommt, sollte Ziel eines wirkungsvollen, nachhaltigen Unterrichts sein, die Abgründe und Ursachen und Hintergründe solcher Auswüchse - wie es die NS Zeit hervorgebracht hat aufzuzeigen.

      • @Alex_der_Wunderer:

        Das Allgemeingültige am Beispiel der NS-Diktatur herausarbeiten. Sonst ist eben sehr schnell "nur noch" Vergangenheit:



        Welche Begründung haben Menschenrechte? Was geschieht, wenn sie missachtet und politisch motiviert verletzt werden? usw.

        Bezüge zu aktuellen Verhältnissen werden dann aufploppen ...

  • Besuche in Gedenkstätten sind winzige Teile eines großen Puzzles, und mit Klassen, in denen 30% oder mehr der Schüler - Migrationshintergrund oder nicht - AfD Parolen gröhlen und rassistische und faschistoide Politik gutheißen, kann man nicht mehr dorthin fahren, weil die höchstens noch Videos von den Verbrennungsöfen mit Nazisprüchen ins Netz hochladen. Letztlich muss man ihnen beibringen anständige Menschen zu sein, statt schon ihre POC-Mitschüler zu mobben, da fängt der Faschismus im kleinen nämlich schon an. Ist nur nicht einfach, wenn auch in Politik und Qualitätsmedien - von social media reden wir gar nicht erst - Flüchtlinge täglich als "Abschiebemasse" und "Schmarotzer" dehumanisiert werden.

  • "Ein immer größerer Anteil der Schü­le­r*in­nen hat keine Familiengeschichte, die direkt mit der NS-Geschichte verwoben ist.

    Erinnerungskultur muss unabhängig von der persönlichen Familiengeschichte stattfinden. Erinnerungskultur und Geschichte hat einen räumlichen Kontext. Und der Kontest ist in Deutschland der Nationalsozialismus.

    Die vordringliche Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus ist daher auch für Kinder mit Migrationshintergrund von gleich großer Bedeutung. Deutschland hat Probleme mit dem deutschen Rechtsextremismus. Die AfD ist nicht die rechtsextreme Bharatiya Janata Party

    • @Rudolf Fissner:

      Das sehe ich exakt genauso. Wer in diesem Land leben will, sich zugehörig fühlt oder fühlen will, sollte bestimmte Dinge einfach auch wissen, die Deutschland geprägt haben und immer wieder, auch und gerade in aktuellen Debatten, zum Vorschein kommen. Wer die Gegenwart verstehen will, muss eben auch die Vergangenheit kennen.

    • @Rudolf Fissner:

      Ich persönlich bin da bei Ihnen aber das was Sie da sagen ist für viele andere Linke nichts anderes als erinnerungspolitische "Leitkultur" und steht im direkten Widerspruch zum Ziel einer multiethnischen Gesellschaft.

  • Also erstmal wissen viele Schüler auch ohne Migrationshintergrund nicht, was ihre Großeltern oder Urgroßeltern während des zweiten Weltkrieges gemacht haben! Da selbst die Kinder der Großeltern es nicht mal wissen!

    Ein verpflichtender Schulbesuch im KZ halte ich als nicht zielführend! Die meisten Schulen können nicht mal eben eine Klasse da hinschicken da es für die meisten zu weit weg ist um mal eben ein Tagesausflug zu machen. Wenn man das als Klassenfahrt macht, ganz ehrlich, das ist für die meisten dann ehr eine lästige Veranstaltung die in einer Klassenfahrt die wenigsten interessiert!

    • @Marcelo:

      Da habe ich im Gespräch mit Schüler*innen (mit und ohne Migrationshintergrund) aber ganz andere Erfahrungen gemacht... es kommt eben darauf an, wie gut man so einen Besuch vor- und nachbereitet und die Schüler*innen selbst mit ihren Familiengeschichten und Erfahrungen einbezieht. Es gab in Deutschland so viele KZs und ander Täterorte, wie z.B. "Euthanasie"-Tötungsanstalten, da finden Sie bei sich um die Ecke ziemlich schnell welche.

      • @Kai Ayadi:

        In NRW und Niedersachsen gibt es keine einzige was man bei mir um die Ecke nennen kann. Es gibt nur in Thüringen und Brandenburg zwei und in Bayern eine! Das ist nicht mal eben um die Ecke.

        Erfahrungen sind nicht überall gleich. Viele Großeltern wollten auch nie über die Sache reden und das hat man auch aus Respekt gegenüber den Großeltern nie gefragt und das ist das was ich so an Erfahrungen gesammelt habe

        • @Marcelo:

          Gedenkstätten Niedersachsen

          - Gedenkstätte für die Opfer der NS-Euthenasie



          26160 Bad Zwischenahn

          - Dokomentationsstätte KZ Dritte



          38226 Salzgitter

          - Gedenkstätte



          21339 Lüneburg

          - Gedenkstätte Sandbostel



          27432 Bremervörde

          - Gedenkstätte Bergen Belsen



          29303 Lohheide

          - Informationszentrum ( DIZ )



          Emslandlager



          26851 Papenburg

          - Gedenkstätte Esterwegen



          26897 Esterwegen

          - Gedenkstätte Wolfenbüttel



          38300 Wolfenbüttel

          ...um nur ein paar Gedenkstätten der NS Opfer zu nennen...

    • @Marcelo:

      Aber viele Schüler erleben wie sich ihre Eltern, Großeltern heutzutage gegenüber ihren Mitmenschen verhalten....bestimmt genug interessanter, vielschichtiger Stoff für ein Unterrichtsprojekt an Schulen, um auch einmal eine Eigenreflexion der Teilnehmer zu erarbeiten.

    • @Marcelo:

      "das ist für die meisten dann ehr eine lästige Veranstaltung" - Im Gegensatz zum sonstigen Schulbetrieb? ;)

      • @Chris McZott:

        Sie haben meine Aussage nicht komplett übernommen. Ich habe geschrieben bei einer Klassenfahrt! Die meisten Schüler wollen bei einer Klassenfahrt keine Bildungsveranstaltung

  • Bei Inklusiv hätte ich jetzt eher an die Behinderten gedacht, die von den Nazis ermordet wurden. Warum kommen die Artikel gar nicht vor?

  • So korrekt alles aufgeführt, aber leider die sozial Verfolgten und die Behindertenmorde vergessen. Naja, wenn wir ehrlich sind, sind das doch auch die heutig noch Diskriminierten: germany-disabled-poor-outlawed.de. Da kann man die schon mal weglassen. Passt ja auch besser zu heute.

  • Besuche von Gedenkstätten, zumal erzwungene, werden kaum dazuführen, dass sich Menschen mit der Geschichte intensiver auseinandersetzen und daraus Lehren für Gegenwart und Zukunft ziehen.

    Ich habe vor über 22 Jahren eine offizielle Reisegruppe, inklusive JournalistInnen, an den Ort eines Massakers in Ruanda gebracht, der noch im „Originalzustand“ war. Die verwitterten Überreste der Getöteten, Schädel, Knochen, Kleiderfetzen lagen damals noch verstreut auf dem Boden der zerstörten Kirche. Nichts hinter Glas, kein Schutz vor dem Geruch der Verwesung, nichts arrangiert, keine Erklärtafeln. Die Besucher zeigten sich schwer berührt. Danach ging es zu einem anderen Erinnerungsort, wo es ein Treffen mit Überlebenden gab. Schon am nächsten Tag war Business as Usual und man scherzte wieder. Der Tag zuvor war kein Thema mehr.

    Um aus der Geschichte zu lernen, muss man sich intensiv mit ihr auseinandersetzen, statt nur Schulbuchwissen abzuarbeiten. Dabei kann es helfen, wenn man einen persönlichen Bezug wie Familien- oder Ortsgeschichte findet.

    • @DemokratischeZelleEins:

      Was mich besonders interessiert hat war die Geschichte des Nationalsozialismus vor Ort. Früher hatte man aber noch sehr viel mehr Zeitzeugen in der Verwandtschaft und anderswo, die da noch was erzählen konnten. Diese sind heute fast alle weg gestorben. Was noch bleibt ist das, was niedergeschrieben wurde. Erinnerungskultur muss sich daher auch wandeln und sich den zeitlich bedingten Gegebenheiten anpassen.

      • @Rudolf Fissner:

        Auch wenn es immer weniger Zeitzeugen gibt, gibt es ja auch Zeitzeugenberichte und diverse Archive. Man sollte auch auf die Jahre davor (1933) und danach (1945) schauen und Geschichte als umfassende Sozialgeschichte begreifen. Nur dann wird verständlich, wie aus Normalität der Schrecken der Normalität werden konnte, der nicht nur jüdisches Leben betraf.

    • @DemokratischeZelleEins:

      Immer spielt ihr und scherzt? ihr müßt! O, Freunde! mir geht dies in die Seele, denn dies müssen Verzweifelte nur.

      Unterschätzen wir ansonsten das Immunsystem einer 'Normalität' nicht, das manche mehr, manche weniger, das wir aber wohl alle haben.

      • @Janix:

        Hölderlin?

        Normalität ist der Panzer der Ignoranz, der (selbst-)kritisches Nachdenken verhindert.



        Für eine Gesellschaft, die sich für eine fortgeschrittene Wissensgesellschaft hält, ein nicht nur ethisches Armutszeugnis.

  • Bildung ist, wie der Artikel zurecht einschob, Ländersache. Vielleicht findet Prien aber auch noch Felder, die dennoch in ihrem Bereich liegen.



    Es muss nicht zwingend ein ehemaliges KZ sein, und ritualisiertes Vorgehen ist auch hier weniger wirksam als Sprechen, Vorleben und Erarbeiten.



    Und wir müssen heute die Lehren ziehen: Gegen die Ausgrenzung von Menschen streiten, ob sie Moshe, Muammar oder Maik heißen. Gleiche Rechte als Ziel statt asozialen Pseudodarwinismus'. Zuerst hier bei uns am Ort, doch auch anderswo im Rahmen unserer Möglichkeiten.



    Und immer wieder wahre Fakten statt der bewussten Verdummung v.a. von Rechtsextrem. Was dazu führt, hilft.

    • @Janix:

      Ja das gute alte Kooperationsverbot. Eher zu unrecht Ländersache. Und auch eher Bürokratieirrsinn als gute Maßnahme. 16 verschiedene Kultusminister die sich meistens auf Konferenzen nicht einigen können und viel Geld kosten, 16 verschiedene Abiturvarianten die nur bedingt vergleichbar sind und für sehr viel Ärger bei Bewerbungen an Unis in anderen Bundesländern sorgen. Und 16 verschiedene Lehrerabschlüsse wo der eine Abschluss im anderen Bundesland nicht anerkannt wird. Und man sich gegenseitig Lehrer abwirbt. Eben Mittelalter und Irrsinn als Bürokratiemonstrum deutscher Bildungspolitik die dort meistens den Ruf hat nichts auf die Reihe zu kriegen wenn jedes Bundesland sein eigenes "Süppchen" kocht. Daher lieber zentral im Bund regeln! Das spart uns und den Steuerzahler Geld und Nerven, sowie baut Bürokratie ab. Und zuletzt kommen Entscheidungen deutlich schneller und besser zustande. Aber das scheinen leider manche die für Bildungsföderalismus sind noch nicht begriffen zu haben.

  • Meines Erachtens wäre es zielführender Berichte von überlebenden Opfern wie zum Beispiel Primo Levis " Ist das ein Mensch" zur Pflichtlektüre an Schulen ab Klassenstufe 10 zu machen.

    • @Oliver Wagner:

      Pflicht bildet nicht.

      • @Rudolf Fissner:

        Stimmt! Deshalb auch schon seit Jahrzehnten (?) Faust 1 Pflichtlektüre

        • @Oliver Wagner:

          „Habe nun, ach! Philosophie,



          Juristerei und Medizin,



          Und leider auch Theologie!



          Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.



          Da steh ich nun, ich armer Tor,



          Und bin so klug als wie zuvor;



          Heiße Magister, heiße Doktor gar



          Und ziehe schon an die zehen Jahr



          Herauf, herab und quer und krumm



          Meine Schüler an der Nase herum –



          Und sehe, dass wir nichts wissen können!



          Das will mir schier das Herz verbrennen.“

          • @Rudolf Fissner:

            Leider erst eine Erkenntnis des reiferen Alters.

        • @Oliver Wagner:

          Und? Bildet das? Ich fand es langweilig.

          • @Francesco:

            Ja ging mir auch so, ausser die Stellen mit Gretchen, die fand ich als 16-jähriger interessant😂

  • Denkanstoß:



    Der Holocaust wird bereits seit Jahrzehnten in den Schulen breitgetreten, und zwar in mehreren Fächern und Klassenstufen. Viele haben auch Gedenkstätten besucht.



    Und nun schaue man sich unsere Gesellschaft an. Erfüllt die Maßnahme ihren Zweck?



    Aber natürlich wird alles anders, wenn _alle_ in Gedenkstätten fahren. Ganz bestimmt, viel hilft viel ...

  • "Kom­mu­nis­t*in­nen"

    Es wurden nicht nur Kommunist*innen von Nazis ermordet sondern auch Sozialdemokrat*innen, Gewerkschaftler*innen, Friedensaktivist*innen und viele weitere Gruppen die den linken politischen Spektrum zu zuordnen waren. Leider werden die meisten Menschen, die aufgrund ihrer politischen Gesinnung von den Nazis ermordet worden sind in Deutschland gerne mal unter den Teppich gekehrt und höchstens angedeutet. Wenn man Kommunist*in als Sammelbegriff für alle linken Todesopfer der Nazis verwendet, übernimmt man damit leider auch den Diffamierungsbegriff den die Nazis gegen ihre politischen Opfer verwendet haben.



    Nicht alle Linken sind und waren Kommunisten und sobald man sich offen als links zu erkennen gegeben hat, hatte man unter den Nazis nicht mehr lange zu leben.

  • Die Idee ist ja im Grunde gut, allerdings nützt das eher wenig wenn man es mit von sog. sozialen Medien oder gar dem Elternhaus indoktrinierten Jugendlichen zu tun hat. Die breitere und tiefere Behandlung des Themas im Unterricht tut Not, da kann man multimedial auch viel tun, zu meiner Zeit waren Bücher, Broschüren und Diskussionen die Mittel, bei den meisten hat das auch gereicht um aus der Geschichte zu lernen.



    Gerade auch in Hinsicht auf die vielen Jugendlichen mit Migrationshintergrund sollte man sich nicht auf den Holocaust verengen, sondern den Faschismus mit seinen internationalen Verbindungen behandeln. Denn die Einflüsse auf die außereuropäischen Herkunftländer vieler Migranten sind ja mittlerweile gut erforscht und bei den innereuropäischen Nachbarn kann man die Geschichten der Opfer und Mitläufer betrachten. Leider bieten ja auch Russland und die USA mittlerweile Beispiele dafür,



    Was komplett falsch wäre, dem AgD Märchen vom Schuldkult aufzusitzen, hier muss man die individuelle Verantwortung für die eigene Zukunft und gemeinsame für die des Landes Demokratie wecken.







    m.youtube.com/watch?v=J94qECdx73M

    • @Axel Schäfer:

      Den Faschismus soll man behandeln aber den Nationalsozialismus nicht oder wie? Den Faschismus muss kann man kurz zum Nationalsozialismus erwähnen. Aber das Hauptthema ist der Nationalsozialismus. Wenn man nur den Faschismus behandelt ist der Holocaust kein Thema

      • @Marcelo:

        Ich habe das zusammen gefasst, darüber kann man verschiedener Meinung sein, aber bei dem Anfang des Themas in der Schule in achten Klasse sind wir auch nicht bei der Diskussion der Faschismustheorie eingestiegen. Da war der Nationalsozialismus die Ausprägung einer faschistischen Herrschaftsform, die zum Holocaust führte.



        Man kann das natürlich auch komplett kleinlich auf deutsch-bürokratische Weise ideologisch ausdifferenzieren. Da schätze ich aber, dass man die Schüler dann nach der ersten Doppelstunde verloren hat, weil dass dann so prickelnd wie 6.Stunde Grammatik Latein daher kommt.

        • @Axel Schäfer:

          Also ich kann nur sagen bei mir ist der Begriff zu Hitler und Faschismus nie gefallen in der Schule und trotzdem haben wir das ganze Thema durch genommen

  • Leider scheint es keine Korrelation zu geben, dass mehr Besuche von Gedenkstätten auch auf Dauer eine humanere Weltanschauung zur Folge haben. Trotzdem darf man da nicht nachlassen, muss es aber nicht für migrantische Kinder auf eine globale Ebene heben.

    "..größerer Anteil der Schü­le­r*in­nen hat keine Familiengeschichte, die direkt mit der NS-Geschichte verwoben ist. Migrantischen Kindern... "



    Auch diese Kinder könnten im Familienstammbau nachforschen, wie es mit dem Antisemitismus war/ist. ZB erfreute sich der - hier verbotene - NS-Propagandafilm "Jud Süß" noch in den 50er und 60er Jahren einer großen Beliebtheit im arabischen Raum (Niven, 2022 bpb).