Vera Lengsfeld in den „Tagesthemen“: Rechter Osterhase
Zu Zeiten der DDR war Vera Lengsfeld Bürgerrechtlerin. Nun unterschreibt sie Erklärungen mit rechten Publizisten und redet wirr im Fernsehen.
Erstaunen rief am Ostersonntag der Auftritt der früheren DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld in den ARD-„Tagesthemen“ hervor. In einem Statement sprach sie etwas schwer verständlich von Einwanderungsgesetzen. Im Kern geht es ihr um die Behauptung, dass die „illegale Masseneinwanderung“ auch von der neuen Regierung „nicht gestoppt“ würde. Deswegen sei die von ihr und anderen rechten Wortführern veröffentlichte „Erklärung 2018“ nun als Massenpetition zum Unterschriftensammeln freigegeben.
Lengsfeld hatte Mitte März zusammen mit anderen rechten Publizisten wie Henryk M. Broder, Uwe Tellkamp, Thilo Sarrazin, Jörg Friedrich, Jörg Bernig, Matthias Matussek, Karlheinz Weißmann, Dieter Stein, Andreas Lombard und Eva Herman die Erklärung initiiert und im Internet veröffentlicht.
Unter dem Bild von demonstrierenden Frauen, die ein Transparent mit der Aufschrift „Es reicht! Frauenmarsch Wir sind kein Freiwild! Nirgendwo!“ tragen, heißt es da: „Mit wachsendem Befremden beobachten wir, wie Deutschland durch die illegale Masseneinwanderung beschädigt wird. Wir solidarisieren uns mit denjenigen, die friedlich dafür demonstrieren, dass die rechtsstaatliche Ordnung an den Grenzen unseres Landes wiederhergestellt wird.“
Lengsfeld und die Initiatoren freuen sich, dass nun binnen wenigen Tagen bereits 25.000 Menschen ihren Aufruf unterstützten. Schaut man die Liste an, sind dies vor allem Zahnärzte, Diplomingenieure, Betriebswirte, Lehrer, jede Menge rechte Akademiker und Publizisten.
Man fordert, „die Kontrolle“ des „deutschen Staatsgebietes“ wiederherzustellen und „den Kontrollverlust im Inneren des Landes“ zu beenden. Eine Expertenkommission, so Lengsfeld und Freunde, solle feststellen, „wie wirksame Hilfe für die tatsächlich von politischer Verfolgung und Krieg Bedrohten organisiert werden kann und wo dies idealerweise geschehen sollte“.
Wichtig für Bürgerrechtsbewegung
Tatsächlich wurden im Jahr 2017 insgesamt 222.683 Asylanträge in Deutschland gestellt – und damit deutlich weniger als im Jahr der „Flüchtlingskrise“ 2016 (745.545 Anträge). Die abnehmende Tendenz hält auch 2018 an (bislang 30.570 Anträge).
Die 1952 in Sondershausen (Thüringen) geborene Lengsfeld gehörte in der DDR zunächst der SED an, bevor sie in den 1980er Jahren eine wichtige Figur der Bürgerrechtsbewegung wurde. Ihr Vater war Major bei der Staatssicherheit im Militärischen Abwehrdienst, ihre Mutter Lehrerin. Anfang der 1990er Jahre wurde bekannt, dass ihr damaliger Ehemann, der Lyriker Knud Wollenberger, sie als IM „Donald“ über Jahre hinweg bespitzelt hatte.
Im Dezember 1996 trat Lengsfeld bei den Grünen aus, trat zur CDU über und nahm ihr Bundestagsmandat mit. Für die Wahlen zum Bundestag 2009 kandidierte Lengsfeld als Direktkandidatin der CDU in Berlin und holte mit 11,6 Prozent der abgegebenen Erststimmen das damals schlechteste Ergebnis aller CDU-Direktkandidaten bundesweit.
Immer weiter nach rechts
Lengsfeld driftete bereits seit Längerem immer weiter an den rechten Rand. Sie polemisierte gegen die angebliche Political Correctness im Lande. In einem Gespräch mit der Rechtspostille Junge Freiheit bezeichnete sie 2003 den Ausschluss Martin Hohmanns aus der CDU wegen seines Antisemitismus als eine „inszenierte Treibjagd“.
Lengsfeld wandte sich in der Folge immer stärker von der CDU Angela Merkels ab. In Berlin gehörte sie neben Klaus Peter Krause und der AfD-Führungskraft Beatrix von Storch zum Vorstand des konservativen Bürgerkonvents. Auf ihrer Homepage spricht sie von „Systemlämmern“ und sieht das vereinte Deutschland von „Umvolkung“ bedroht. Und nun zu Ostern, gleich nach dem Papst, ein prominent platziertes Interview in den „Merkelmedien“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt