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Kommentar Neurechte „Erklärung 2018“Lengsfeld in den „Merkelmedien“

Andreas Fanizadeh
Kommentar von Andreas Fanizadeh

In der ARD feuert die Rechtsauslegerin Vera Lengsfeld giftige Botschaften ab und Tausende stimmen ihr zu. Brauchen wir das wirklich?

Mit wachsendem Befremden beobachten wir, wie Vera Lengsfeld immer weiter nach rechts abdriftet Foto: imago/Müller-Stauffenberg

S chon wieder die! Der Bericht über den österlichen Segen des Papstes in den „Tagesthemen“ war kaum verklungen, da sprach Vera Lengsfeld in den „Tagesthemen“ der ARD bereits ihr Wort zum Ostersonntag: die „Erklärung 2018“. Wer wäre auch dazu besser geeignet als sie, die Ex-SED-, Ex-Bürgerrechtlerin, Ex-Grünen-, Ex-CDU-Politikerin. Sie, die heutige Gesinnungsgenossin von Beatrix von Storch (AfD).

Lengsfeld wirkt vor der Kamera sehr bürgerlich. Doch sie ist längst eine Frontfrau der Neuen Rechten. Immer zur Stelle, wenn es gilt, Pegida-, AfD- und andere Aufmärsche mit völkischen Angstparolen zu munitionieren. Seit Jahren warnt die Agitatorin vor der drohenden „Umvolkung“ durch Migration, vor Demokraten als „Systemlämmern“ und „Merkelmedien“.

Von der Couch feuert die so harmlos wirkende Rechtsauslegerin zu Ostern ihre giftigen Fernsehbotschaften ab. Erst ein Geplänkel um ein Einwanderungsgesetz, für das sie angeblich schon als Grüne war. Dann dringt sie zum eigentlichen Anliegen ihrer Osterbotschaft vor: „die illegale Masseneinwanderung“, die von der Politik der Großen Koalition noch immer „nicht gestoppt“ worden sei. Das sagt sie, obwohl alle Zahlen in eine andere Richtung weisen.

Doch Lengsfeld und ihren Kumpanen vom rechten Rand geht es weniger um Fakten als um Stimmungsmache. Sie wollen in die Mitte der Gesellschaft, dorthin, wo man Bücher wie Tellkamps „Turm“ oder Medien wie die Zeit liest. Das jüngste Propagandamittel dafür ist nun die mit österlichem Segen der ARD vorgestellte „Erklärung 2018“. Diese hatte Lengsfeld mit anderen wie Broder, Tellkamp, Sarrazin oder Matussek im Internet lanciert. Und jetzt zur Massenpetition deklariert.

Innerhalb weniger Tage stimmten 25.000, zumeist Akademiker, folgenden Sätzen zu: „Mit wachsendem Befremden beobachten wir, wie Deutschland durch die illegale Masseneinwanderung beschädigt wird. Wir solidarisieren uns mit denjenigen, die friedlich dafür demonstrieren, dass die rechtsstaatliche Ordnung an den Grenzen unseres Landes wiederhergestellt wird.“

Der Schriftsteller Uwe Tellkamp behauptete unlängst über Flüchtlinge, „die meisten fliehen nicht vor Krieg und Verfolgung, sondern kommen her, um in die Sozialsysteme einzuwandern, über 95 Prozent“. Lengsfeld spricht auch schon mal davon, kein „Versuchskaninchen in einem neuen politischen Experiment“ sein zu wollen, „als dessen absehbare Folge wir innerhalb weniger Generationen im dann ehemals eigenen Land demographisch marginalisiert sein werden“. Brauchen wir das? Und auch noch zu Ostern in der ARD?

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Andreas Fanizadeh
Ressortleitung Kultur
Andreas Fanizadeh, geb. 1963 in St.Johann i.Pg. (Österreich). Kulturpolitischer Chefkorrespondent der taz. Von Oktober 2007 bis August 2024 Leiter des Kulturressorts der taz. War von 2000 bis 2007 Auslandsredakteur von „Die Wochenzeitung“ in Zürich. Arbeitete in den 1990ern in Berlin für den ID Verlag und die Edition ID-Archiv, gab dort u.a. die Zeitschrift "Die Beute" mit heraus. Studierte in Frankfurt/M. Germanistik und Politikwissenschaften.
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18 Kommentare

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  • Vera Lengsfeld war zu DDR-Zeiten und ist heute mutig! Dank dafür! Ich habe die Erklärung unterzeichnet als es schon ca. 24.000 Unterstützer gab. Nicht sehr mutig. (Hab allerdings erst durch die Tagesthemen davon erfahren ) Aber eins ist Fakt: es sind nicht die „an den Rand der Gesellschaft gedrängten Nichtskönner“, die die Erklärung unterzeichnet haben, sondern im Leben stehende, erfolgreiche Menschen, die sich von der Vernunft leiten lassen. Ich befürchte, dass der Bundestag sich entweder gar nicht damit beschäftig, oder dass sich die „Alt-Parteien“ einig sind und die Erklärung als was auch immer in die Versenkung schicken. Wen wundert’s da noch, dass wir Bürger an der Demokratie, wie sie seit einiger Zeit in Deutschland praktiziert wird, zweifeln. Man muss jetzt nicht mal Abitur (geschweige denn ein Studium der Volks- oder Betriebswirtschaft) haben, um zu erkennen, dass durch die Politik der Bundesregierung unser System der Sozialversicherung vernichtet (Input/Output, ganz einfach), die Gesellschaft in jeder Hinsicht gespalten und der Waffenhandel angekurbelt, Zwietracht gesät wird. Da ja Vernunft jetzt rechts ist, behaupte ich das neue „Links“ ist “ Rechts“.

  • warum sollen nur die spinner der linken zu wort kommen , stetig neue

    ausgaben fordernd , welche andere finanzieren sollen , am besten spiesser und trübe kapitalisten .

    wenn alle das gleiche denken wird nicht viel gedacht , also brauchen wir auch die spinner der rechten .

    wenn das gegenwärtige immigrationsprojekt scheitert hocken wir alle beisammen in einem vergifteten lande . moralisch handelt , wer die dinge vom ergebnis her denkt .

  • Eigentlich ist die Frage der Gesetztswiedrigkeit jedem klar, der sich Artikel 16 Absatz 2 des GG durchliest. Da steht nämlich eineindeutig drin, daß sich nur derjenige auf Asyl berufen kann, welcher nicht aus einem sicheren Drittstaat kommt.

    Weiterhin ist es das hier vielgescholtene Bürgertum, das jeden Tag früh um 6 Uhr seinen Hintern aus dem Bett schwingt und die ganze Chose mit seinen Steuergeldern bezahlt.

    Außerdem stellt sich die Frage, wieviel Leute die Befürworter einer unbegrenzten Einwanderung eigentlich hereinlassen wollen (5,10 oder lieber gleich 80 Millionen?).

    Abschließend kann ich also allen Hobbykommunisten nur raten: Zeugt Kinder, um deren Zukunft man sich sorgt und geht arbeiten. Dann sieht man die Welt gleich aus einem ganz anderen Blickwinkel.

    • @BBBB:

      besser kann man es nicht formulieren

  • Frau Lengsfeld gibt nun auch dem Verschwörungstheoretiker Heiko Schrang Interviews.

    Die Frau wird bald in der ganz ganz rechten Ecke ankommen.

  • Frau Lengsfeld hat ja so recht. Ich kann mich noch gut daran erinnern wie Anfang der 1990er-Jahre meine geliebte kleine BRD samt ihrer Hippieexklave Westberlin von 16 Mio Menschen aus einem fremden Kulturkreis ohne Visa weggefegt wurde. Über Nacht standen sie vor unseren Türen und sind in unsere Sozialsysteme mit der Begründung eingewandert, dass sie schliesslich auch 40 Jahre gearbeitet hätten. Seit damals ist der gesellschaftlichen Diskurs komplett umgewälzt und meine kleine BRD mit ihren Öko-Grünen, ihrer Dregger-CDU und ihrer Schmidt-SPD ist für immer verschwunden. Genschman ist gescheitert und nur die Zonen-Zombies haben überlebt.

    • 8G
      83492 (Profil gelöscht)
      @Adele Walter:

      Der Vergleich mit DDR-Bürgern ist mehr als nur etwas schief.

       

      Die 16 Millionen haben ihr eigenes Land im Sinne von Grund und Boden zusammen mit den Wohnungen mitgebracht. Die 1,5 Millionen Zuwanderer haben nichts dergleichen (wie auch?), die Wohnungen müssen über die Solidargemeinschaft finanziert werden.

       

      Die 16 Millionen Menschen kamen aus einem der BRD sehr ähnlichen Kulturkreis. Zumindest hat keiner einen Sprachkurs benötigt. Die 1,5 Millionen der Jahre 2015-... sprechen fast ausschließlich kein Deutsch. Die Anstrengung auf beiden Seiten eine Verständigungsbasis zu schaffen, wird groß sein.

       

      Die 16 Millionen haben eine Schulbildung und Berufsqualifikation die deutlich besser ist als die der aktuellen Zuwanderer.

       

      Und obwohl die Voraussetzungen für die Aufnahme der DDR-Bürger deutlich besser waren als sie für die Zuwanderer ab 2015 sind, ist das für alle nicht ganz billig gewesen (https://de.wikipedia.org/wiki/Kosten_der_deutschen_Einheit) und hat beide Gesellschaften, Ost wie West, verändert.

       

      Wenn Sie mir jetzt bitte erklären können, welche Vorteile die Zuwanderung ab 2015 für Sie oder mich bringen wird?

      • @83492 (Profil gelöscht):

        "Die 16 Millionen Menschen kamen aus einem der BRD sehr ähnlichen Kulturkreis."

         

        Das dachte ich auch mal...

         

        "Zumindest hat keiner einen Sprachkurs benötigt."

         

        Vielleicht hat das auch über vieles hinweg getäuscht, was ganz und gar nicht kulturell ähnlich war und bei vielen noch nicht ist.

  • "Brauchen wir das wirklich?" Ich weiß nicht, wer mit "wir" gemeint ist - ich jedenfalls brauche und schätze die klaren und erhellenden Texte von Vera Lengsfeld.

    • @WoogsRenegat:

      Innerhalb kurzer Zeit sind zwei Artikel erschienen, die beide das gleiche sagen: Vera Lengsfeld ist irgendwie weit rechts außen.

       

      Während ein anderer Artikel die lynchmordbejahende Winnie Mandela als "Glamouröse Friedensaktivistin" feiert.

       

      Die TAZ sollte mal ihren moralischen Kompass kalibrieren...

  • Bereits der Begriff "Neurechte" ist irreführend. Es sind die alten "Rechten". Es ist das, was Dieter Noll in seinem Roman "Die Abenteuer des Werner Holt" beschreibt:"...das will nicht sterben, das lebt weiter...", das Fortbestehen der bürgerlichen Klasse. Das Bürgertum ist für die Weltkriege, den Nationalsozialismus und die nazistische Rechte in der BRD verantwortlich. In der DDR wurde das einfach aus ideologischer Engstirnigkeit übersehen, dass auch dort die gewendeten Nationalsozialisten ungehindert in der SED weiter machten. Beispiel die Versammlung zur Vereinigung von SPD-KPD zur SED in Borkheide (Kreis Belzig) 1946. Der Wortführer für die Vereinigung war ein rot angestrichener Nazi.

     

    Die bürgerliche Klasse steht für Festhalten an Privilegien mit allen Mitteln, für Ausgrenzung und Unterdrückung von Minderheiten. Sie steht aber auch für Feigheit. So ist es nicht verwunderlich, dass es zur wundersamen Mehrung von "Bürgerrechtlern" nach der Wende kam. Vera Lengsfeld ist ein Beispiel, was jeder Sondershäuser weiß.

     

    Ebenso ist sie nicht die Einzige, es war belustigend zu sehen, wie Sondershäuser Bürger geradezu sich in Wut redeten, weil sie keine Akte bei dem MfS besaßen. So geschehen auf der Veranstaltung "Macht und Banalität der Stasi" 1994. Was sonst als ein Tabu gilt, das war hier das öffentliche Bekenntnis "ich habe auch gesessen...".

     

    Ähnlich der Situation nach 1945, als es keine Anhänger Hitlers mehr gab, sondern nur noch Widerstandskämpfer.

     

    Das ist die bürgerliche Klasse. Feigheit, Untertänigkeit bis zur Selbstverleugnung und skrupellose Vorteilsnahme. Jetzt im Gewand der "Neurechten".

  • Der Begriff Systemparteien stammt aus dem NSDAP-Sprachschatz, damals wurde damit die Weimarer Demokratie verleumdet. Heute wird (noch) gegen Systemlämmer gehöhnt - mal seh'n, ob und wann der Original-Goebbels durchkommt. Und noch eines an Frau Lengsfeld: Die größte Einwanderung verzeichnete die alte BRD durch diejenigen, die nach dem Mauerfall aus dem Osten kamen - auf der Suche nachz der D-Mark. Vorneweg marschierten viele mit einer sauberen Ost-Kaderakte. Sie mutiertren zügig zu 'Demokraten' und viele zeigen heute, dass sie letztlich nix gelernt haben - aber die dürfen wir ja nicht ausweisen.

  • 8G
    83421 (Profil gelöscht)

    @HARESU

    Es wundert mich ja, dass solche Kommentare die Netiquette-Huerde der TAZ nehmen.

    • @83421 (Profil gelöscht):

      Warum? Zu überzeugend?

  • So langsam verliere ich echt den Glauben an die ARD. Scheinbar ist man dort fest entschlossen das Pack in die Mitte der bürgerlichen Gesellschaft zu führen so lange es sich wohlerzogen gibt. Aber vielleicht hat man ja recht damit. Vielleicht ist die bürgerliche Gesellschaft das Pack. Vielleicht muss es so sein, wenn der eigene Besitz in Gefahr scheint. Dann wird eben auch "notfalls geschossen". Oder, wie es Rosa Luxemburg schon vor über 100 Jahren formulierte: "... im Blute watend, ... – so steht die bürgerliche Gesellschaft da, so ist sie. Nicht wenn sie, geleckt und sittsam, Kultur, Philosophie und Ethik, Ordnung, Frieden und Rechtsstaat mimt – als reißende Bestie, ..., so zeigt sie sich in ihrer wahren, nackten Gestalt.

  • Brauchen wir das? Sicher, allein wegen der Ausgewogenheit. Bisher habe ich in den Öffentlich-Rechlichen fast immer nur Grüne Kommentare gefunden.

    • @Gerdi Franke:

      Ja, klar, im Fernsehen sind ja sonst vor allem Grüne vetrtreten, die durch alle Polit - Talkshows tingeln. Bosbach, von der Leyen, Kubicki, Altmaier, Söder - alles Grüne, alle linksgrünversifft! Da braucht es dann natürlich dringend den "Ausgleich" durch lügende rechte Hetzer, die was von "Umvolkung" fabulieren und so.

      Morgen dann: Ausgeglichene Sendungen zum Thema "ist die Erde vielleicht doch eine Scheibe" sowie "Sklavenhaltung - pro und contra" , denn die Kugel-Theoretiker und Abolitionisten haben in der grünlinken Systempresse lange genug die Redehoheit an sich gerissen! /s

    • @Gerdi Franke:

      In der Tat gab es früher eine klare Aufgabenteilung. Die Regierung sprach in Sonntagsreden von der Mitte der Gesellschaft und machte eine industriefreundliche und bürgerrechtsfeindliche Politik. Die SPD war wie immer gespalten in einen Flügel, der diese neoliberale Politik mittrug und einen Flügel, der diese Politik scharf kritisiert, sich aber gar nicht durchsetzen wollte.

      Die Politik der CDU/CSU und SPD ist immer noch stramm industriefreundlich - um nicht zu sagen korrupt. Gesellschaftlich aber hat sie den rechten Weg (im Sinne von nicht links) verlassen und sieht sich nun auch Kritik von rechts ausgesetzt. Diese Kritik wird gleichzeitig als rechtsextrem pauschaliert diffamiert. Was früher die Kommunismusecke war, ist nun die Rechtsextremismusecke. Die übliche Reaktion darauf ist, dass jede Kritik von rechts an der Regierung als rechtsextremistisch verurteilt wird - wird aber das Gleiche von der Regierung vorgetragen, so nennt kein Medium dies mehr beim Namen. Dies ist eine Doppelmoral, mit der die Medien viel Glaubwürdigkeit verloren haben und noch immer verlieren. Es gibt viel an der AfD zu kritisieren - aber die Kritik sollte in der Sache liegen und nicht deshalb, weil die AfD etwas bestimmtes gesagt hat. Vergleicht man etwa Aussagen von de Maizière und der AfD, so findet man ein ähnliches Maß an rechtsextremer Gesinnung. Bei Seehofer, fürchte ich, wird das nicht besser werden.

      Früher konnte sich das rechtskonservative Bürgertum darauf verlassen, dass die Regierung links argumentiert und rechts handelt. So konnte man sich trotz rechtslastiger Gesinnung linksliberal geben.