Umgang der CDU mit AfD: Welche Brandmauer?
CDU-Chef Merz sprach in einem Interview über eine kommunale Zusammenarbeit mit der AfD und ruderte dann zurück. Doch eine „Brandmauer“ gibt es längst nicht mehr.
S o woke wie nach dem Sommerinterview von Friedrich Merz waren CDU und CSU selten. Der CDU-Chef hatte am Sonntag im ZDF erklärt, dass man auf kommunaler Ebene nicht umhin komme, mit der AfD zusammenzuarbeiten. Das löste bei Teilen der Union Empörung aus.
Das Geschäftsmodell der AfD sei „Hass, Spaltung und Ausgrenzung“, schrieb der Berliner CDU-Bürgermeister Kai Wegner auf Twitter. „Rechtsradikal bleibt rechtsradikal“, twitterte CDU-Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas. Sogar Markus Söder beschrieb die AfD als „rechtsextrem“. Der ehemalige saarländische Ministerpräsident Tobias Hans warnte sogar: „Wehret den Anfängen!“
Welchen Anfängen? Ob Brandanschläge der neunziger Jahre, NSU, Pegida, AfD, Walter Lübcke, Halle, Hanau – für viele Menschen in Deutschland hat es schon lange „angefangen“. Weit davon entfernt, dass sich die CDU gegen die polarisierte Stimmung in Land stellen würde, facht sie sie immer wieder maßgeblich an. Dazu reicht ein Blick allein in dieses Jahr.
Im Januar 2023 forderten Politiker*innen der Berliner CDU, die Vornamen von Tatverdächtigen der „Silvesterkrawalle“ zu veröffentlichen. Abgesehen davon, dass sich bald herausstellte, dass es viel weniger Straftaten in diesem Zusammenhang gegeben hatte als zunächst vermutet, sollten Personen mit ausländischen Wurzeln gezielt markiert werden.
CDU-Parteichef Friedrich Merz bezeichnete junge Menschen, oft Deutsche, als „kleine Paschas“, der CDU-Politiker Christoph de Vries erklärte, man müsse über „die Rolle von Personen, Phänotyps westasiatisch, dunklerer Hauttyp sprechen“. CDU-Generalsekretär Mario Czaja forderte derweil „Deutschpflicht“ auf Schulhöfen, denn es gehe doch nicht, „dass auf den Schulhöfen andere Sprachen als Deutsch gesprochen wird“. Man fragte sich, in welchem Jahrhundert man eigentlich lebt.
Wir sind mittendrin
Ob in Integrationsdebatten, in Asyldebatten oder beim Gendern – viele Aussagen von AfD und Union unterscheiden sich schon lange kaum noch voneinander. Beispiel Asyldebatte: Wer der AfD ein politisches Programm unterstellt, dessen Umsetzung internationale Rechtsbrüche nach sich ziehen würde, wird auch bei der CDU fündig.
So sinnierte der CDU-Politiker Jens Spahn im Mai bei Markus Lanz darüber, „ob die Flüchtlingskonvention und die europäische Menschenrechtskonvention so noch funktionieren“. Der CDU-Politiker Thorsten Frei, Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, forderte Mitte Juli die Abschaffung des Individualrechts auf Asyl. Hört man solche völkerrechtswidrigen Forderungen von der AfD, spottet man. Bei der CDU schluckt man.
Einer Claudia Pechstein applaudierten CDU-Politiker*innen, als die Polizistin erklärte, dass man als Frau inzwischen kaum noch Bus fahren kann, weil überall Ausländer sind – die ja, wie man weiß, Paschas und kriminell sind. Die CDU fordert gerichtliche Schnellverfahren für „Freibad-Straftäter“ – und markiert damit wieder migrantische „Gewalttäter“ – ob es sie gibt oder nicht. Dass die Straftaten in Freibädern laut ARD-Faktenfinder in den letzten Jahren nicht gestiegen sind – geschenkt. Wer braucht in der CDU schon Fakten, wenn man glaubt, der AfD durch rechte Parolen Wähler*innen klauen zu können.
Jene CDU-Politiker*innen, die sich jetzt mit klaren Worten äußern, hätten das schon viel früher tun können. Die Beteuerungen, man distanziere sich von den rechtsextremen Positionen der AFD, sind deswegen nur wohlfeil. Wollte die Union eine echte „Brandmauer“ gegen rechts sein, müsste sie sich konsequent gegen rechtsextreme Narrative stellen. Aber die CDU hilft der AfD eher dabei, diese Narrative zu normalisieren. So sind die Anfänge schon längst vergangen. Wir sind mittendrin.
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