Ukraine-Gespräche in Saudi-Arabien: Was Selenskyj noch bleibt
Für die Ukraine geht es um die nackte Existenz, die Perspektiven in Dschidda sind schlecht. Das Land kann eigentlich nur noch auf sich selbst zählen.

W er hätte vor drei Jahren gedacht, dass die Ukraine Friedensverhandlungen nicht mit Russland führen muss, sondern mit den USA. Bei den anstehenden Gesprächen zwischen Regierungsdelegationen aus Kyjiw und Washington in Saudi-Arabien geht es nicht um ein Ende des russischen Angriffskrieges. Es geht darum, ob die Beziehungen zwischen der Ukraine und den USA wieder normalisiert werden können.
Trump hat die Ukraine militärisch fallengelassen und wirft sie Russland zum Fraß vor. Erst am Sonntag hat Trump öffentlich in Frage gestellt, ob die Ukraine überhaupt überleben werde – Putin braucht gar nichts mehr zu sagen, sein Kollege übernimmt die Drecksarbeit.
Für die Ukraine geht es um die nackte Existenz. Trump will Putin ein umfassendes Friedensangebot auf Kosten der Ukraine machen, und das ukrainische Team in Saudi-Arabien kann dieses Angebot entweder vorab annehmen und damit die faktische Kapitulation unterzeichnen, oder es ablehnen und sich damit der Gefahr aussetzen, dass Washington und Moskau sich ganz offiziell militärisch zur Vernichtung der Ukraine im Namen des „Friedens“ verbünden.
Es gibt ein einziges politisches Kalkül, auf das Kyjiw noch setzen kann: nämlich dass Russland sowieso nicht zu Frieden mit den USA bereit ist. Einen Waffenstillstand in der Ukraine, das hat Moskau schon mal klargestellt, wird es nicht geben, irgendwelche Zugeständnisse auch nicht. Irgendwann, so die verzweifelte Hoffnung, wird Trump das merken. Und geht man davon aus, dass Trumps Deal nie Realität wird, fällt es leichter, jetzt Zugeständnisse dafür zu signalisieren, weil man sie ja nie einlösen muss.
Es ist eine riskante Strategie. Aber was bleibt Kyjiw anderes übrig? Auf Europa warten? Das dauert zu lange, und zu viele Kräfte in Europa würden die Ukraine opfern, damit sie selbst verschont bleiben. Die Ukraine kann jetzt eigentlich nur noch auf sich selbst zählen und an der Kriegsfront Fakten schaffen. Zu verlieren hat sie nichts mehr.
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