piwik no script img

Trumps Sieg bei US-PräsidentschaftswahlHarris, Biden, die Elite? Wer hat Schuld?

Nach der verlorenen Präsidentschaftswahl fragen sich die US-Demokraten, was schiefgelaufen ist. Nun steht die Suche nach Verantwortlichen an.

Die unterlegene US-Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris am Mittwoch auf dem Campus der Howard University in Washington Foto: Jacquelyn Martin/ap

Berlin taz | Die Niederlage ist vollständig und vernichtend. Die US-Demokrat*innen haben das Rennen um das Weiße Haus, ihre Mehrheit im Senat und mit größter Wahrscheinlichkeit erneut das Repräsentantenhaus verloren. Keinen einzigen der sieben Swing ­States konnte Kamala Harris für sich gewinnen. Dass Donald Trump diesmal auch landesweit rund fünf Millionen Stimmen mehr bekommen hat als Harris, macht das Ergebnis emotional noch niederschmetternder für die Partei. Sie ist zutiefst verunsichert und braucht eine neue Formel, wenn sie bestehen will.

Die Demokratische Partei hat in traditionell ihr zugewandten Wählergruppen deutlich an Zuspruch verloren und in anderen nichts dazugewinnen können. Der Trend ist nicht mehr ganz neu, aber er hat sich an diesem Wahldienstag so drastisch gezeigt wie noch nie zuvor. Zumal spätestens seit der ersten Niederlage gegen Donald Trump 2016 die Probleme bekannt waren. Damals hatte Hillary Clinton die Staaten der ehemaligen „Blue Wall“, Wisconsin,

Michigan und Pennsylvania verloren, weil große Teile der früher an die Demokraten gebundenen Arbeiterschaft zu Trump gewechselt waren. Sie fühlten sich durch die Demokraten einfach nicht mehr ernstgenommen und vertreten. Es sind die gleichen Schichten, die heute am stärksten unter den Teuerungsraten der letzten Jahre leiden, für die Miete, Ratenzahlungen beim Häuserkauf, Kraftstoff an der Tankstelle und selbst der Einkauf im Supermarkt zur echten Belastung geworden sind. Trump gewann sie erneut für sich.

Die Demokraten wunderten sich, dass sie keine Anerkennung dafür bekamen, dass die Wirtschaft sich besser als die anderer Industrienationen aus der Pandemie herausgearbeitet hat. „Aus irgendeinem Grund fühlen die Leute, dass es vor vier Jahren besser war – und dagegen konnten wir nicht ankommen,“ erklärt ein langjähriger Demokratischer Stratege gegenüber Politico. „Unsere Marke ist derzeit verbrannt.“

Sanders bestätigt Wut in der Bevölkerung

Kein Wunder, sagen dazu altgediente Linke. Bernie Sanders, der gerade wiedergewählte sozialistische Senator aus Vermont, schreibt auf X: „Es sollte für eine eine Demokratische Partei, die sich von Menschen aus der Arbeiterklasse abgewandt hat, keine Überraschung sein, dass sich die Arbeiterklasse von ihr abwendet. Während die demokratische Führung den Status quo verteidigt, ist die amerikanische Bevölkerung wütend und will Veränderung. Und sie hat recht.“ Tatsächlich haben in allen Nachwahlbefragungen rund 70 Prozent der Wäh­le­r*in­nen angegeben, über den Zustand des Landes unzufrieden oder verärgert zu sein.

Fehler im Umgang mit den Folgen der Inflation gestehen auch Strategen aus dem Regierungsumfeld ein: „Das hat Leuten wirklich wehgetan, und wir sind dem politisch nicht so begegnet, wie es möglich und nötig gewesen wäre, und kommunikativ schon gar nicht“, zitiert ebenfalls Politico den Gründer der Organisation Democracy Partners, Mike Lux. Biden selbst habe zu spät begriffen, was die Teuerungen mit den Leuten machten. Und Kamala Harris als Bidens Vize hat es nicht geschafft, sich mit eigenen Politikvorstellungen so glaubwürdig zu distanzieren, dass sie nicht in Mithaftung genommen würde.

Der Vorschlag der Linken für eine andere Haltung der Partei hat sich 2016 und 2020 in zwei spektakulären, aber letztlich erfolglosen Präsidentschaftskandidaturen von Bernie Sanders manifestiert. Bis heute sind viele der Meinung, Sanders hätte 2016 eher eine Chance ­gegen Trump gehabt als die überaus unbeliebte Clinton.

Es fehlt an Personal bei den Demokraten

Einen Vorschlag aus der Mitte der Partei, der über den Status quo hinausginge, gibt es derzeit nicht, eine neue linke Führungsfigur mit Präsidentschaftsaspirationen auch nicht, und Bernie Sanders ist 83.

Die Struktur US-amerikanischer Parteien bringt es mit sich, dass sich deren Programmatiken in Wahlkämpfen und durch erfolgreiche Personen und Koalitionen herausbilden und nicht in Programmkommissionen, Grundsatzpapieren und Parteitagsdiskussionen beschlossen werden. Trump ist unumstrittener republikanischer Führer – bei den De­mo­kra­t*in­nen ist Leere.

Das lässt jede Menge Platz für ausführliche Diskussionen in den Meinungsspalten der linksliberalen Medien. Ob nicht Biden schuld ist, der niemals noch einmal hätte kandidieren dürfen. Oder der niemals die unerfahrene Harris zur Vizepräsidentin hätte machen dürfen. Oder ob Harris schuld ist, die sich hasenfüßig nur auf Plattitüden zurückgezogen hat, ohne eigene Politikvorstellungen einzubringen. Oder beide.

Vor der Neuaufstellung einer Demokratischen Partei, die es mit dem Trumpismus aufnehmen kann, steht das Fingerzeigen. Das wird wohl noch einen Moment dauern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Es gibt nicht nur ein Grund, es gibt zahlreiche Gründe. Harris war Vize, 4 Jahre lang und trat kaum in Erscheinung. Ob sie nicht konnte oder durfte, sei dahingestellt. Fakt ist, dass sie ihre Rolle als Vize kaum nutzte um mal First zu werden. Und dann das Dilemma von Sozis, die an die arbeitende Bevölkerung nur das verteilen können was da ist. Und wenn nichts da ist, müssten sie es denen nehmen, die es haben. Nur dazu fehlt den Sozis schon immer der Mut. Und freiwillig geben die Habenden nur Brotkrümel her. Und selbst da nur sehr zögerlich.

  • "Ob nicht Biden schuld ist, der niemals noch einmal hätte kandidieren dürfen."

    Es wurden viele Fehler gemacht und das war wohl der Hauptfehler.

    Er hat damit verhindert, dass die Partei ernsthaft einen Kandidaten oder eine Kandidatin für diese Wahl sucht. In der Eile blieb dann nur Frau Harris. Diese hatte man allerdings vorher mit voller Absicht klein gehalten, damit sie keine Konkurrenz für Biden darstellt. Man hätte sie schon viel früher als Nachfolgerin aufbauen müssen. Als sie dann kurzfristig ran musste, konnte sie zwar kurzfristig von der Erleichterung der Menschen profitieren, aber es war zu spät, um ein eigenständiges, glaubwürdiges Profil aufzubauen. Darauf zu setzen, dass Frauen schon eine Frau wählen werden, war etwas dünn.

  • "Es sollte für eine eine Demokratische Partei, die sich von Menschen aus der Arbeiterklasse abgewandt hat, keine Überraschung sein, dass sich die Arbeiterklasse von ihr abwendet. Während die demokratische Führung den Status quo verteidigt, ist die amerikanische Bevölkerung wütend und will Veränderung. Und sie hat recht.“

    -So ist es und das Gleiche gilt übrigens auch für die SPD und lässt sich wunderbar auf die meisten westlichen Parteien der Linken Mitte übertragen.

    Der Hype um Kamala Harris hat mich an den "Schulz-Zug" vor einigen Jahren erinnert.



    Da dachte man auch kurzfristig und euphorisch, das nun wieder ein echter Sozialdemokrat am Ruder ist, der für soziale Gerechtigkeit steht, bis nach ein paar Wochen aufgefallen ist, daß er eigentlich gar nicht so viel Neues zu sagen hatte.

    Ähnlich verhielt es sich mit Kamala Harris. Zunächst fand ich sie sehr sympathisch, aber eigentlich beruhte das gesamte Konzept ihre Wahlwerbung darauf, eine schwarze Frau und nicht Trump zu sein.

    Inhaltlich kam wenig rüber. Vorallem wirtschaftspolitisch nicht.

  • "Die Struktur US-amerikanischer Parteien bringt es mit sich, dass sich deren Programmatiken in Wahlkämpfen und durch erfolgreiche Personen und Koalitionen herausbilden und nicht in Programmkommissionen, Grundsatzpapieren und Parteitagsdiskussionen beschlossen werden".

    Die Medien recherchieren nicht, wie Spendermillionen die politische Karriere und Programatik eines jeden Präsidentenkandidaten prägen.



    Eine Kandidatin wie Harris hat eine jahrzehntelange Sozialisation in dieser Hinsicht hinter sich.



    Harris betont ihre Herkunft aus armen Verhältnissen. Mittlerweile haben sie und ihr Mann ein Vermögen von mehreren Millionen Dollar. Ihr Haus kostete 4 Millionen Dollar.

    Die Clintons und Obamas sind ebenfalls mehrfache Millionäre, sie sind Darlinge der Finanz- und IT-Industrie, die ihre Stiftungen mit Spenden überhäufen.



    Jetzt hat der Superreiche Trump (welche Ironie) die Arbeiter und nicht vermögenden Arbeitnehmer als größte Wählerschicht übernommen.



    Möglich war das, weil Trump von der Maga-Bewegung unterstützt wurde, die von den superreichen Kochbrüdern finanziert wurde. Dazu Fox News, rechte Influencer, Podcasts und Musks Twitter und die US-Autokratie der Reichen ist perfekt.

  • Wer hat Schuld? Natürlich Kamala Harris. Auch wenn die globalen Medien täglich einhämmerten:



    Kamala Harris ist nicht dumm und kann über das Wasser gehen. Und, Trump ist böse, sehr böse. Hat Harris die Wahl krachend verloren.



    Und das bei vollen Wahlkampfkassen. Und was hat man alles gegen Trump getan? Gefühlt war die gesamte Presselandschaft der Welt gegen Trump. Zweimal sollte Trump erschossen werden, wurde von einer Scharr von Staatsanwälten und Sonderermittlern verfolgt, man kann das alles gar nicht aufzählen, was Trump alles mitmachte. Und dennoch hat er die Wahlen deutlich gewonnen.

    Für mich persönlich war die Ansage zu Gaza von Trump letzte Woche auf einer Wahlkampfveranstaltung prägend.



    Darauf hat gestern Danny Danon, Israels Botschafter bei der UN reagiert "Bereits im Wahlkampf hat sich Trump gegen Kriege ausgesprochen, gegen eine amerikanische Beteiligung. In einer seiner Reden sagte er, er habe Israel angewiesen den Krieg im Gazastreifen bis zu seinem Einzug ins Weiße Haus, am 20. Januar, also in zwei Monaten, zu beenden", sagt Danon. "Ich bin mir nicht sicher, ob wir das erfüllen können. Wir arbeiten nicht mit einer amerikanischen Uhr." Trump macht Ansage!

  • M. E. alles viel zu kompliziert. Die Wähler in den USA, die nicht ohnehin festgelegt sind und daher durch Aussagen welchen Inhalts auch immer beeinflusst werden können, brauchen einen klaren gefühlten benefit, wenn sie den einen oder die andere wählen sollen. Beispiel: Die jüdischen Wähler wollten eine klare Unterstützung für Israel, die arabisch-stämmigen (bspw. in Michigan) eine klare Unterstützung für Gaza/Libanon etc. Trump hat beiden Seiten Frieden versprochen und die Araber mit "Habibi" adressiert. Dass er die US-Botschaft nach Jerusalem verlegt hat - Sch... egal und verdamp lang her. Und so haben ihn , den Republikaner sowohl die einen zu einem größeren Teil als bei früheren Wahlen als auch fast geschlossen die anderen gewählt. Eine abwägende Haltung, die ein teilweises Verstehen beider Seiten beinhaltet, wird als zu soft ggü. der anderen Seite wahrgenommen. V. a., für die einen, wenn Waffen ins Kriegsgebiet geliefert werden. Und dass die Arbeiter sich für die Demokraten entscheiden, weil sie Arbeitsplätze geschaffen haben, liegt fern, wenn man sich Wohnen, Essen und gefühlten Wohlstand nicht leisten kann. Da hilft auch ein Auftritt Bidens bei der Auto-Gewerkschaft nicht.

  • Harris hat im Gegensatz zu Biden vor allem bei Latinos und Schwarzen männlichen Wählern verloren, die dann doch lieber für Trump gestimmt haben. Ich denke das hat einfach mit dem Fakt zu tun, daß Harris eine Frau ist.

  • "Es sind die gleichen Schichten, die heute am stärksten unter den Teuerungsraten der letzten Jahre leiden, für die Miete, Ratenzahlungen beim Häuserkauf, Kraftstoff an der Tankstelle und selbst der Einkauf im Supermarkt zur echten Belastung geworden sind."

    Das erinnert mich an Deutschland ... und auch hier fühlen sich viele nicht mehr ernstgenommen und vertreten. Nur, dass in Deutschland den Bürger:innen noch oft gesagt wird, was für ein reiches Land wir sind.

  • Schuld sind die Wähler. Warum noch suchen? Es sind die Wähler, die auch mit Trump keine Besserung erfahren werden. Trump ist so ziemlich der ungeeigneste für diesen Posten. Die Wähler sind einfach dumm. Genau so dumm wie es hierzulande die AfD Wähler sind. Dummheit hat Programm und ist tief in vielen Köpfen verwurzelt.

  • "Es sind die gleichen Schichten, die heute am stärksten unter den Teuerungsraten der letzten Jahre leiden"



    Und die dann Leute wählen, die nach oben umverteilen, gegen Arbeitnehmer/innenrechte und ihre Krankenversicherung sind.

    • @Ciro:

      Weil jemand wie Trump die Regeln bricht. Das ist der Grund warum die Menschen einen Trump gut finden



      Weil die Menschen das Gefühl haben, das die Regeln des Systems für sie nicht funktionieren.

  • Ich frage mich, warum Michelle Obama nicht angetreten ist - klingt paltt, aber de einzige, die es hätte schaffen können. Frag zuerst, was du für dein Land tun kannst..