Thüringer Antrag gegen das Gendern: Krieg gegen das Sternchen
Thüringer Landesbehörden sollen künftig auf gendergerechte Sprache verzichten. Möglich ist das, weil die AfD einem Antrag der CDU im Landtag zustimmte.
Die Konsequenz daraus: Thüringens Landesbehörden sollen künftig auf gendergerechte Sprache verzichten. An das Verbot müssen sich die Landesregierung und untergeordnete Behörden allerdings nicht halten, es ist lediglich eine Aufforderung. Begründet wird das damit, dass für „Veränderungen der deutschen Sprache im Sinne der sogenannten Gendersprache eine Mehrheit nicht existiert, wie verschiedene Umfragen belegen“ und die „Gendersprache grammatikalisch falsch“ sei.
Die Fraktionen von Linke, SPD und Grünen, die eine Minderheitenregierung bilden, hatten noch versucht, mit einem Änderungsantrag zur „Selbstverpflichtung zu einer respektvollen Kommunikation“ einen Kompromiss zu finden. Darin sprechen sich die Fraktionen „für mehr Sprachsensibilität“ aus und unterstützen „einen entspannteren Umgang mit der deutschen Sprache“. Zwar stellen die Parteien die Regierung, doch weil die Regierung in Thüringen eine Minderheitenregierung ist, konnte sich der Antrag nicht durchsetzen.
Kritik auch aus den eigenen Reihen
Dass dem Antrag der Union zugestimmt wurde, bewertet die Thüringer CDU als Erfolg: „Gut, dass der Landtag der Meinung einer großen Mehrheit der Menschen in Thüringen Rechnung getragen und ein Zeichen für die Verwendung einer klaren und verständlichen deutschen Sprache gesetzt hat“, so ein Sprecher der Thüringer CDU auf Anfrage der taz. „Die Gendersprache schließt Menschen aus, die nicht gut Deutsch können, Leseschwäche, Sinnesbehinderungen oder kognitive Einschränkungen haben.“
Dass die rechtsextreme AfD mit der Union stimmte, bewertet der Sprecher nicht als problematisch: „Wir bringen als größte Oppositionsfraktion eigenständig inhaltliche Initiativen in den Landtag ein, die unseren Zielen und Überzeugungen entsprechen. Das machen wir unabhängig von der Frage, wer dafür ist und wer dagegen. Absprachen mit der AfD-Fraktion zu unseren Anträgen gibt es nicht.“ Wer aus Furcht eigene Überzeugungen aufgebe, verleihe der AfD Macht, die sie gar nicht habe.
Kritik kam dazu aber aus den Reihen der CDU: Schon im Vorfeld hatte sich laut queer.de der Verband Lesben und Schwulen in der Union (LSU) kritisch zu dem Antrag der Thüringer Union geäußert. „Aus unserer Sicht ist ein Verbot gendersensibler Sprache keine Politik von Maß und Mitte, dies kann auch kein christdemokratischer Standpunkt sein“, teilte Thomas W. Schmitt, stellvertretender Bundesvorsitzender und Bundespressesprecher der LSU der taz auf Anfrage mit.
„Dass der CDU-Antrag nun Unterstützung durch die AfD gefunden hat, war leider zu erwarten“, sagte Schmitt der taz. „Der CDU sollte es jedenfalls nochmal zu denken geben, ob sie verantworten kann, dass sie bei politischen Fragen, die viele in der Gesellschaft gerade bewegen künftig so wahrgenommen werden will. Die CDU darf in keinem Fall Brückenbauer zu den politischen Ansichten der AfD sein.“ Einziger Trost bleibe, dass der aktuelle Beschluss nur appellativen Charakter habe, da der Antrag nicht als Gesetz, sondern als Aufforderung gefasst worden war.
Bröckelt die Brandmauer gegen rechts?
Aus den Regierungsfraktionen wird unterdessen genau dieses „Brückenbauen zur AfD“ als gegeben wahrgenommen. „Die Thüringer CDU hat in knapper Mehrheit mit der AfD einen Antrag gegen gendergerechte Sprache beschlossen. Und das tat sie in voller Bewusstheit um die fragilen Mehrheitsverhältnisse im Landtag“, sagte Matthias Hey, Fraktionsvorsitzender der SPD im Thüringer Landtag, auf Anfrage der taz.
Empfohlener externer Inhalt
„Man muss davon ausgehen, dass sie die Stimmen der AfD quasi eingepreist hatte“, so Hey. „Ich fürchte, dass wir hier in Zeitlupe ein Bröckeln der selbstbeschworenen Brandmauer zwischen CDU und AfD in einem Landesparlament erleben.“ Die Thüringer CDU folge damit dem Bundestrend und entwickele sich leider zunehmend zu einer Verbotspartei mit viel Polemik.
Die Linke veröffentlichte bereits am Donnerstag eine Pressemitteilung zur Abstimmung von AfD und CDU, in der sie die Abstimmung als „rechten Kulturkampf“ einordnete. Katharina König-Preuss twitterte dazu: „Sie klatschen gemeinsam. Die Faschisten der AfD, die CDU und die Verschwörungsfraktion der ‚Bürger für Thüringen‘. Es gibt keine Brandmauer, keine Grenze der CDU nach rechts. Sie alle sind Teil des rechten Kulturkampfes auf Kosten einer offenen, solidarischen Gesellschaft.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen