piwik no script img

Studie zu Mindestlohn und SuizidKapitalismus tötet

Höhere Mindestlöhne schützen vor Suizid, sagen US-Wissenschaftler. Prävention sollte deshalb individuell und sozial erfolgen.

Sie verlangen einen Mindestlohn von 15 US-Dollar: streikende McDonald's-Angestellte in Las Vegas Foto: Mike Segar/reuters

Suizide folgen häufig auf psychische Erkrankungen. Und psychische Erkrankungen wiederum werden in der Psychologie, im Gegensatz zu psychoanalytischen Ansätzen, als ein Pro­blem behandelt, das es auf individueller Ebene mit entsprechenden Therapien und Medikation zu lösen gelte.

Dass Suizide auch eine gesellschaftliche Dimension haben können, zeigt nun eine Studie aus den USA. Der Epidemiologie-Doktorand John Kaufman von der Emory University in Atlanta, Georgia, und seine Mitautoren haben einen möglichen Zusammenhang zwischen Mindestlöhnen und der Suizidrate in den USA ermittelt.

In ihrer Studie aus dem Journal of Epidemiology and Community Health argumentieren sie, dass eine Erhöhung des Mindestlohns um einen Dollar die Suizidrate von US-Bürgern um 3,5 bis 6 Prozent senken könnte. Dafür zogen sie Daten der Jahre 1990 bis 2015 über Suizide, Mindestlöhne und Arbeitslosigkeit aller Bundesstaaten heran. So errechneten sie einen Unterschied zwischen der tatsächlichen Suizidrate und einer möglicherweise geringeren bei höheren Mindestlöhnen auf nationaler und bundesstaatlicher Ebene.

Ihr Ergebnis: Zwischen 1990 und 2015 hätten bei einem um einen Dollar höheren Mindestlohn US-weit 27.550 Suizide unter 18- bis 64-Jährigen mit ­Highschool­-Abschluss verhindert werden können, bei zwei Dollar mehr sogar 57.350 Suizide.

Bundesstaaten können Mindestlöhne erhöhen

Kaufman betonte im Gespräch mit dem Businessmagazin Fast Company, dass die Beobachtungsstudie zwar keinen wasserdichten Kausalzusammenhang nachweise. Es gebe Faktoren, die nicht ausgeschlossen werden könnten. Dennoch sei die Studie aussagekräftig genug, um zu behaupten: Höhere Mindestlöhne können Leben retten.

In den USA gibt es auf natio­naler und bundesstaatlicher Ebene unterschiedliche Mindestlohnregelungen. Der natio­nale Mindestlohn liegt seit einem Jahrzehnt bei 7,25 Dollar. Bundesstaaten können nach oben hin abweichen. Kalifornien (Mindestlohn derzeit 10,55 US-Dollar) und New York (15 US-Dollar ab 2021) nutzten diese Möglichkeit.

„Kapitalismus tötet“, heißt es aus kapitalismuskritischen Kreisen. Diese Studie zeigt, dass das nicht ganz so falsch sein kann. Auch wenn Verteidiger der Marktgesellschaft in positivistisch-erhabener Manier Gegenteiliges behaupten.

Hinweis: Wenn Sie Suizidgedanken haben, sprechen Sie da­rüber mit jemandem. Sie können sich rund um die Uhr an die Telefonseelsorge wenden (08 00/111 0 111 oder 08 00/111 0 222) oder www.telefonseelsorge.de besuchen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

39 Kommentare

 / 
  • Doch doch, schon kleine Verbesserungen helfen sehr armen und sehr gestressten Menschen enorm ihre Lage zu lindern.



    Großer Jähhunger: gleich was essen.



    Aber natürlich ändert das nichts an der gesellsch. Strukturen.



    So gibt es eben ab und zu Wissenschaftler, die humanistische Hinweise veröffentlichen. Dasselbe Thema: weniger Hektik / Zeitdruck bei der Lieferung von Waren (DHL, Amazon, alle) wird die Bandscheibenvorfälle verringern und die Lebensqualität der FahrerInnen verbessern. Selbstverständlich.



    Die eigentliche Nachricht ist doch: dass es überhaupt Selbsttötungen wegen Prekarität gibt.

  • "Prävention sollte deshalb individuell und sozial erfolgen." Also ein Bedingungsloses Grund Einkommen, BGE, in Höhe von 1.200 bis 1.500 €

  • Früher gab es Steuern von über 90% für Vermögende in den USA, heute genau das Gegenteil, irgendwo muss ja das Geld ja herkommen, für eine Minderheit der Milliardäre, alles für die Milliardäre, wenig bis nichts für die Mehrheit. Dies wurde doch spätestens seit Reagan praktiziert und von Deutschland unter Schröder dem Kanzler der Bosse übernommen.



    Löhne unter 15 Dollar in den USA sind Armut per Gesetz, ähnlich in Europa und dem „Vorbild“ Deutschland in Europa

  • Was soll die Überschrift bedeuten?



    Gibt es im Sozialismus keine Suizide?



    Da der Lebensstandard in sozialistischen Länder niedriger ist als in kapitalistischen könnte man eher behaupten, daß Sozialismus tötet.

    • @Suchender:

      Na dann mal her mit Ihrer Studie, lieber Herr Aldi-Bereichsleiter! :-)

      • @Gerhard Krause:

        Dieser Link ( www.suizidprophyla..._DGS_Statistik.pdf ) zeigt die historische Entwicklungen der Suizidraten in DE Ost und West auf. Sehr schön ist die zur Zeit des Sozialismus wesentlich höhere Rate in Ostdeutschland sowie die Angleichung an die niedrigere westdeutsche Rate nach Öffnung der Mauer

      • @Gerhard Krause:

        Na, wenn ich das wäre hätte ich bestimmt weniger Suizidgedanken.

    • @Suchender:

      Welche Länder meinen Sie denn so?

      • @Rainer B.:

        Okey, es gibt bestimmt sozialistische Länder in denen der durchschnittliche Lebensstandard höher ist als in einiger kapitalistischen Ländern.



        Dies sind aber Ausnahmen.

        • @Suchender:

          Kommentar entfernt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

          Die Moderation

        • @Suchender:

          Mir fällt jetzt auf Anhieb kein einziges Land ein, das nicht nach den Regeln des Kapitalismus arbeiten würde.

          • @Rainer B.:

            Sie sind aber ein ganz Strenger!



            Vielleicht liegt es aber daran, daß es anders einfach nicht funktioniert.



            Ich fänd´s auch manchmal schön würde der Regen nach oben fallen.

            • @Suchender:

              Der Regen fällt doch immer nach unten, egal ob auf den einzelnen Tropfen nun „Sozialismus“ oder „Kapitalismus“ steht. Dafür, dass das Kapitalismus-Wasser besser schmecken und besser waschen würde als alles andere, gibt es tatsächlich keinerlei Beweise.

              • @Rainer B.:

                Der Beweis ist die Realität.



                Den allermeistens Menschen schmeckt das Kapitalismus-Wasser offensichtlich besser.



                Die Mehrheit hat immer recht.Oder nicht?

                • @Suchender:

                  Verstehe! Sie meinen, Millionen Fliegen können nicht irren - Scheiße schmeckt gut.



                  Die Realität ist der Kapitalismus und der ist für die weit überwiegende Mehrzahl der Menschen doch ein völlig ungenießbares, vergiftetes Wässerchen.

                  • @Rainer B.:

                    Von Anbeginn der Menschheit war wirtschaftliches Handeln stets ein kapitalistisches.



                    Sie ändern die Menschen nicht mehr.Lassen Sie es gut sein.

                    • @Suchender:

                      Waren Sie etwa dabei, dass Sie das beurteilen könnten? Woher nehmen Sie denn bloß ihr archaisches „Wissen“?

                      • @Rainer B.:

                        Es reicht völlig aus ein beliebiges Geschichtsbuch aufzuschlagen.



                        Außerdem läßt und ließ sich bei allen sozialistischen Experimenten beobachten , daß recht zügig die arachischen kapitalistischen Gene wieder durchgeschlagen sind.

                        • @Suchender:

                          Ich ahnte es schon - bei Ihnen bestimmt nicht das Sein, sondern das Gen das Bewusstsein.

    • @Suchender:

      "Gibt es im Sozialismus keine Suizide?"

      Doch gibt es. Häufigste Begehungsformen sind:

      - Das Falsche Sagen



      - Das Falsche Schreiben



      - Versuchen auszuwandern



      - Dem Falschen Vertrauen (sog. fahrlässiger Suizid)

      Was den wirtschaftlich bedingten Suizid betrifft, würde ich allerdings den Sozialismus tatsächlich als "harmloser" betrachten. Die persönliche Verunsicherung, aus der Selbstmorde entstehen, hat seltener etwas mit objektiven Notlagen zu tun als mit Minderwertigkeitsgefühlen, die in der Regel relativ zu anderen Menschen existieren. Gehr es also Allen gleich schlecht, finden diese Leute niemanden, mit dem sie sich kraft geringeren wirtschaftlichen Wohlstands in die Depression vergleichen können. Das gibt ihnen dann einen Grund weniger, sich umzubringen (schließt aber nicht aus, dass sie einen anderen finden...).

      • @Normalo:

        Man kann den Sozialismus nicht „betrachten“ weil es ihn wie Gott nicht gibt. Wenn Sie etwas existierendes meinen, dann täte mich interessieren was.

      • @Normalo:

        Ich glaube die wirtschaftliche Lage als Suizidgrund wird hier stark überbewertet.



        Wenn, dann ist es so wie Sie es beschreiben und entsteht aus dem Vergleich mit den Mitmenschen.



        Grob fahrlässiger Suizid ist übrigens wenn man sich selber zu sehr vertraut.

  • Die Lebensqualität von Menschen zu verbessern, ist in meinen Augen die einzige legitime Form der Suizidprävention. Stattdessen haben wir eine paternalistische Suizidprävention, die das Selbstbestimmungsrecht missachtet, Suizidwünsche pathologisiert und Menschen mit allen Mitteln zu einem unfreiwilligen Weiterleben nötigt. Man setzt dabei einfach voraus, dass jedes Leben lebenswert sei, egal unter welchen Bedingungen, und dass jeder, der anders denkt, an einer Geisteskrankheit leidet. Manche Ideologen gehen so weit, selbst den Sterbewunsch todkranker, unerträglich leidender Patienten auf eine "Depression" zurückzuführen. Übrigens gibt es im Bundestag eine große Schnittmenge zwischen den Befürwortern der Hartz IV-Sanktionen und den ideologischen Gegnern von Sterbehilfe und assistiertem Suizid.

    • @Thomas Friedrich:

      Wer sich selbst per Einschreiben ohne Rückschein mit dem Traumschiff Enterprise aus der Milchstraße schnippen möchte, der hat auch tatsächlich nicht mehr alle Klingonen am Warpantrieb. Das ist ja genauso falsch, wie das Gerede von schönen Friedhöfen.

    • @Thomas Friedrich:

      Seit wann hängt aber die Lebensqualität vom schnöden Mammon ab?

      Und wenn es denn so wäre, dann ist das ja ein deutlicher Beweis dafür, daß die Lebensqualität durch die viel propagierte Enthaltsamkeit leidet (was sie in meinen Augen allerdings auch tut).

      • @Der Erwin:

        Ich rede nicht von Mammon, sondern von dem (bisschen) Geld, das nötig ist, um ein wenigstens von der materiellen Seite her nicht völlig armseliges Leben führen zu können. Natürlich gibt es andere, zum Teil gute Gründe für einen Freitod, an denen sich gesellschaftlich nichts ändern lässt. Daher bin ich überzeugt, dass der Freitod ein Menschen- und Grundrecht sein und jeder Zugang zu geeigneten Mitteln haben sollte. Wenn aber jemand sich umbringt, weil er von der Gesellschaft unter das Existenzminimum gedrückt wird, dann ist das eine vermeidbare Katastrophe.

  • Die Überschrift hat in der Pauschalisierung nichts mit dem Inhalt der Studie zu tun. Die fehlerhafte Aussage verführt eher dazu die Studie ähnlich zu bewerten - was sicher nicht angemessen wäre. Kontraproduktiv!

  • Eigentlich müsste es Kapital-ist-Muss heißen. Denn das Kapital steht im Kapitalismus über allem. Dass das im Einzelfall (und womöglich sogar grundsätzlich und generell) negative Folgen hat, lässt sich nicht leugnen. Denn wo Geld wichtiger ist als Leben, da hat das Leben im Zweifelsfall einfach keinen großen Wert. Es endet dann früher, als es enden müsste, weil niemand es bewahrt.

    Das gilt im Übrigen für jeden „Ist-Muss“. Auch der Sozialismus hatte, von der Idee zur Ideologie verkommen, tödliche Folgen. Genau wie der Feudalismus und alle Herrschaftsformen zuvor. Das Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft, zwischen den individuellen Bedürfnissen Einzelner und dem, was die Menschheit als Art braucht, ist halt mittels Ideologie nicht zu überbrücken. Es wird dadurch eher zu einem hochexplosiven Mienenfeld. Dann nämlich, wenn angeblich wertvollere Menschen ihre Wünsche auf Kosten anderer wahr machen, weil sie es können und dank Ideologie sogar dürfen.

  • Normalerweise lese ich die Artikel von Herrn Ağar ganz gern. Dieser ist aber extrem flach geraten.

    Die Studie sagt selbst, dass sie keinen Kausalzusammenhang belegen kann. Damit ist der komplette Rest Spekulation.



    Die Korrelation kam durch viele andere Ursachen hervorgerufen werden.

    So wäre durchaus naheliegend, dass Bundestaaten mit hohem Mindestlohn allgemein mehr Verantwortung für ihre Bürger übernehmen und deshalb ein besseres Gesundheitssystem haben, in denen Depressiven besser geholfen wird. (Ist natürlich nur Spekulation von mir.)

    [...]

    Dieser Artikel wurde gekürzt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette. Die Moderation

     

  • Da es oben im Bild um Mcdonalds geht: Die Firma Mcdonalds beschäftigt weltweit (ohne die Franchise Standorte) 210.000 Mitarbeiter. Der Gewinn pro Mitarbeiter beträgt im abgelaufenen Geschäftsjahr 25.463 Dollar (Quelle Bloomberg).



    Nehme ich mal an, dass es sich nur um Vollzeitmitarbeiter dreht und somit ein durchschnittlicher Mitarbeiter so 1.800 h im Jahr arbeitet scheinen die ein oder zwei Dollar pro Stunde machbar und es wäre auch fast schon unterehmerische Pficht das so zu entscheiden.



    Bin dabei!



    Warum aber dann der letzte Absatz im Text wieder sein muss verstehe ich nicht. In vielen anderen Fällen sind wir uns doch stets einig, das Pauschalierungen Scheißdreck sind. Beim Thema Kapitalismus drehen dann aber "immer und alle" (ätsch) durch.



    Die obigen Zahlen zeigen doch dass das fair funktionieren könnte, wenn man den Kapitalismus richtig justiert; z.B. per Gesetz! Denkbar oder nicht?

  • Wichtiger gesellschaftsrelevanten Artikel. Würde mir mehr davon wünschen. Nahezu alle Probleme haben eine ökonomische oder wesentlich ökonomisch bestimmte Ursache. Dieser Zusammenhang wird mE von den davon profitierenden Kräften tabuisiert.

  • „. . ., dass eine Erhöhung des Mindestlohns um einen Dollar die Suizidrate von US-Bürgern um 3,5 bis 6 Prozent senken könnte.“



    Naja, ich habe den angegebenen Link gelesen und wenig Vertrauen zu den mehr geschätzten, als wirklich „errechneten“ Prozentzahlen. Zumal auch die Suizid-Rate an sich schon von Jahr zu Jahr deutlich schwankt.



    Was die Überschrift „Kapitalismus tötet“ betrifft: Das gilt doch wohl für jede Gesellschaftsordnung, von der Urgesellschaft an bis hin zum Sozialismus/Kommunismus. Immer gab und gibt es Menschen, die mit den gesellschaftlichen Zuständen nicht zurechtkommen. Das Geld ist höchstens ein Teilaspekt.



    Und was bringt es, den tötenden Kapitalismus abzuschaffen, wenn kein alternatives Gesellschaftssystem in der Schublade bereitliegt? Das hätte vielleicht kein Mindestlohn-Problem, aber viele andere Probleme, an die niemand denkt, solange es noch Theorie ist. Sozialismus/Kommunismus kann es jedenfalls nicht sein, das werden die allermeisten ehemaligen DDR-Bürger bestätigen!

    • @Pfanni:

      Unwissenschaftlich sind ja leider Sie. Freilich könnte man in diesem Zusammenhang auch die Sprungkraft von Elefanten bei der Nahrungsaufnahme untersuchen, aber im Artikel wird auf die eingeschränkte Aussagekraft der Untersuchung hingewiesen.



      Zumindest mir wäre ferner neu, dass man ein neues "Modell" in der Schublade haben müsste, um das, was man jetzt hat, beenden zu können. Dazu genügt derzeit einfach nur ein entsprechend abstimmender Bundestag.

  • Abgesehen, daß diese Untersuchung wissenschaftlich eine ganz flache Konstruktion ist: Was will der Autor uns damit nur sagen? Daß man in den USA den Mindestlohn erhöhen sollte?

    • @Der Erwin:

      Was ist denn dann wissenschaftlich eine etwa "fette Konstruktion", Günter Strack?

  • Danke für den Hinweis auf ein wichtiges Thema. Schade, dass der Einstieg derart plump gerät.



    Die Psychoanalyse ist in der klinischen Anwendung eine Therapieform. In besonders problematischen Einzelfällen werden auch Analytiker den Gebrauch von Medikamenten zur Unterstützung der Therapie nicht ablehnen. Psychotherapie, egal welcher Schule, arbeitet natürlich auf individueller Ebene, dh mit einzelnen Menschen und unter Einbezug deren nahen Umfelds. Von einem Gegensatz kann also nicht gesprochen werden.



    Es ist nicht die Aufgabe der Psychotherapie global-strukturelle Risikofaktoren zu bekämpfen. Das kann sie nicht leisten. Sie versucht Individuen mit Leidensdruck beiseite zu stehen. Das entlässt die Politik nicht aus der Verantwortung für eine Gesellschaft zu sorgen, die Gesundheit ermöglicht und fördert, sondern muss komplementär verstanden werden. Politik ist keine Psychotherapie und andersrum.



    Es ist zynisch, individuelle Hilfestellung zu problematisieren. Es besteht kein Widerspruch dazwischen einen Umgang mit seiner unmittelbaren Lebenswelt zu finden und Armut mitverantwortlich für Probleme zu machen. Psychotherapeut*in und Klient*in haben aber einfach viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten im Individuellen.

  • Kapitalismus ist menschenverachtend, auch mit Mindestlohn von 15 Dollar. Warum?



    Sehen wir uns einmal die Dokus im werbefinanzierten Fernsehen an, diesem Transmissionsriemen für noch mehr Umverteilung von unten nach oben. In jeder Doku in der über Arbeitsprozesse berichtet wird, ist zu hören, dass bis da und da hin etwas erreicht sein muss, da man sonst kein Geld verdient. Hier schon wird ein Bild der Arbeit gezeichnet, welches einem jungen Mann, der so was öfters anschaut, schon vor dem Eintritt in Berufsleben einen Burn out verschaffen muss. Hier lernt er, wenn du nicht top Leistung bringst, bist du nichts.



    In einer Doku über einen amerikanischen Kriminalbeamten sagte dieser in der Sendung, er können die Toten zwar nicht mehr lebendig machen, aber ihr Rächer sein. Ist das seine Aufgabe? Wie veränder so eine Aussage die Gesellschaft. Oder schauen sie die Doku aus dem Pfandhaus, in der auf Teufel komm raus gepöbelt wird. Sehen wir hier gleichzeitig unsere Zukunft und können noch lernen, wie asoziales Verhalten auf die Spitze getrieben werden kann. Es wäre für mich deshalb noch wichtiger, das Fernsehen auf seine schädlichen Auswirkungen auf die Gesellschaft zu untersuchen.