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Studie Paritätischer WohlfahrtsverbandWohnst du noch oder verarmst du schon?

Viel mehr Menschen als bisher angenommen sind armutsgefährdet, wenn die Wohnkosten mit berücksichtigt werden. Das hat der Paritätische neu errechnet.

Reicht nicht zum Leben und reicht nicht zum Sterben: Viele Rent­ne­r:in­nen müssen den Cent zweimal umdrehen Foto: imago

Berlin taz | Stellen Sie sich zwei Rent­ne­r*in­nen aus Ostberlin vor. Frau Müller und Frau Schmidt haben lange gearbeitet und haben im Ruhestand jeweils eine Rente von 1.770 Euro im Monat. Beide gelten damit nicht als arm – zumindest nicht nach der konventionellen Armutsberechnungsmethode. Üblicherweise gilt eine Person als armutsgefährdet, wenn sie weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat.

Nur ist es so: Frau Müller hat einen alten Mietvertrag, zahlt eine Warmmiete von 450 Euro und hat somit 1.320 Euro zum Leben. Frau Schmidt musste aber umziehen, weil sie mit zunehmenden Alter auf eine barrierefreie Wohnung angewiesen war. Für ihre neue und sanierte Zweizimmerwohnung muss sie nun aber 900 Euro warm zahlen. Nach Abzug der Miete bleiben ihr also nur noch 870 Euro – und das ist nicht viel.

Mit diesem fiktiven Modellbeispiel macht der Paritätische Wohlfahrtsverband in einer neuen Kurzexpertise auf ein alltägliches Problem aufmerksam. Das 28 Seiten lange Papier mit dem Titel „Wohnen macht arm“ wurde am Freitag veröffentlicht und lag der taz vorab vor. Es zeigt mit lebensweltlichen Beispielen auf, dass es einen erheblichen Unterschied macht, wie hoch die Wohnkosten einer Person sind. Sie sind für die meisten Menschen der größte monatliche Ausgabenposten.

Neue Berechnungsmethode

Um „das alltagspraktische Ausmaß der Armut besser zu erfassen“, hat der Paritätische deshalb eine neue Armutsermittlung entwickelt. Hierzu wurden die Einkommen um die Wohnkosten bereinigt und danach eine neue Armutsgrenze ermittelt. Die verwendeten Daten beruhen auf einer Sonderauswertung des Mikrozensus durch das Statistische Bundesamt.

Die Kurzexpertise kommt zu einem erschreckenden Ergebnis: Demnach sind 5,4 Millionen Menschen mehr von Armut betroffen, als bisher angenommen. Insgesamt seien 21,2 Prozent der Bevölkerung in Deutschland, also 17,5 Millionen Menschen, von Wohnarmut betroffen. Das ist jede fünfte Person. In den konventionellen Armutsstatistiken seien diese Menschen „bislang unsichtbar“ geblieben.

Zur Einordnung: Im Jahr 2023 galt laut Statistischem Bundesamt jede siebte Person (14,3 Prozent der Bevölkerung) als armutsgefährdet, was knapp 12 Millionen Menschen entspricht. Für einen Einpersonenhaushalt lag die Armutsgrenze 2023 bei einem Einkommen von 1.314 Euro – mit inbegriffen sind dabei alle Transferleistungen wie zum Beispiel Bürgergeld oder Wohngeld. Nach der neuen Berechnungsmethode gilt eine allein lebende Person als arm, wenn dieser nach Abzug der Wohnkosten weniger als 1.016 Euro im Monat bleiben.

Um nochmals auf das Beispiel vom Anfang zurückzukommen: Frau Schmidt, die eine barrierefreie Wohnung brauchte, die nach Abzug der Mietkosten nur noch 870 Euro zur Verfügung hatte, würde so als arm gelten.

Die Berücksichtigung von Wohnkosten in der Armutsmessung lege damit „ein bislang nicht gesehenes Ausmaß an Armut offen“, heißt es in der Kurzexpertise. In der Tendenz gel­te: Je niedriger das Einkommen, desto höher seien die relativen Ausgaben für Wohnen.

Da sich Wohnkosten je nach Lage, Stadt oder Land, Ost oder West erheblich unterscheiden, zeigen sich auch regionale Unterschiede. Mit der neuen Rechenmethode sei die Armutsquote besonders hoch in Bremen (29,3 Prozent), Sachsen-Anhalt (28,6 Prozent) und Hamburg (26,8 Prozent). In Baden-Württemberg (18,5 Prozent) und Bayern (16,3 Prozent) sind vergleichsweise weniger Menschen betroffen. Was interessant ist: In Hamburg und Schleswig-Holstein ist der Unterschied zwischen beiden Armutsquoten besonders hoch.

Es trifft viele Rent­ne­r*in­nen

Armutsgefährdet sind laut Bericht insbesondere junge Erwachsene (18 bis unter 25 Jahre) sowie ältere Menschen ab 65 Jahren (27,1 Prozent). Schlüsselt man die Daten nach Haushaltstypen auf, zeigt sich, dass Einpersonenhaushalte und Alleinerziehende in hohem Maße armutsbetroffen sind, Frauen noch stärker als Männer.

Wohnen entwickele „sich mehr und mehr zum Armutstreiber“, erklärte Joachim Rock, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes. Es brauche daher neben guten Löhnen und besserer sozialer Absicherung auch „eine Wohnungspolitik, die Mieten bezahlbar hält“. Die künftige Bundesregierung müsse zudem „neue, dauerhaft sozial gebundene Wohnungen schaffen“.

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40 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Auf der letzten stadtvertretungs Sitzung sprach eine Mitarbeiterin der Verwaltung die anwesenden Besucher an - sofern Wohnraum vorhanden bitte melden, wir brauchen Platz. Die Stadt übernimmt Renovierung und zahlt was erlaubt ist denn sie muss Flüchtlinge unterbringen.



    Diese Wohnungen werden dem Markt entzogen und fuhren zudem zu mietsteigerungen denn die umliegenden erkennen - da kann man mehr Geld nehmen und die Miete kommt pünktlich.

  • Sehr seltsam, sind doch gerade die Mieten z.B. in Sachsen-Anhalt extrem niedrig. In den meisten Gegenden liegt der Preis pro qm bei unter 5 Euro...

    • @Samvim:

      Wo sind "die meisten Gegenden"? ImmoScout ruft zwar ab rund 4,90 € auf, jedoch reicht das Spektrum bis zu 13,50 €.

      • @Gerhard Krause:

        Überall abseits von Großstädten und touristisch interessanten Orten. Und in strukturschwachen Regionen können die Vermieter nur selten die Angebotspreise durchsetzen. Wer also Probleme mit den Berliner Mieten hat...

  • Nach jährlich 1.7. gesetzlich neu festgelegt pfändungsfreiem Einkommen aktuell 1.491,75/Person/Monat, fallen 1.016 € unter Armutsgrende. 1962 sezte Adenauer Kabinett Recht auf Wohngeld durch, nachdem Schere von Einkommens-, Mietpreisentwicklung entkoppelt unübersehbar auseinanderdriftete, Wohnungsmarkt trotzdem von Regulierung freizuhalten. Damit auf der Zeitschiene Mieten mit Wohngeld Mitnahmeeffekt höher zu treiben zulasten kommunaler Finanzen statt Mietanstieg zu bremsen. Als Eigentum sind auch Mieteinnahmen gemeinwohlverpflichtet. Insofern können Akteure auf Wohneigentümerseite im Wohnungsmarkt nicht so tun, als ob sie nicht auch in Verantwortung stehen, bezahlbaren Wohnraum vorzuhalten und nicht wie Venovia 2023 zu erklären, ohne Widerspruch aus der Politik, aufgrund Teuerung Wohnungsbau ganz einzustellen. Damit Angebote am Wohnungsmarkt weiter zu verknappen, Mieten noch mehr zu verteuern. Denkbar wäre Mechanismus der Wohnungseigentümer zumindest solange Beteiligung an der Wohngeldfinanzierung aufzuerlegen bis soviel Rücklagen aus Gewinnen gebildet wurden, dass die Wohnungswirtschaft eigenen Ausgleichsfonds auflegt, Wohnungsmieten sozial gestaffelt bezahlbar zu gestalten

  • Welches Naturgesetz sorgt eigentlich dafür, dass Wohnungs-Mieten so absonderlich stark steigen dürfen, dass Menschen mit bisher auskömmlichen Einkünften in die Armutszone gerutscht werden?

    Oder handelt es sich einfach nur um ungebremste menschliche Gier von sog. Shareholdern, die wir als Allgemeinheit auch noch subventionieren auf vielfältige und gut verschleierte Art & Weise?

    • @Macsico:

      Sechsfamilienhaus:



      Ölverbrauch: 5000 €



      Grundsteuer: 2000 €



      Gebäudeversicherung: 2000 €



      noch Fragen?

      • @Carsten S.:

        Ja, danke für die Gelegenheit: Einnahmen? Rendite (Höhe) der letzten 10 Jahre? Danke.

        • @Gerhard Krause:

          Aus den Nebenkosten? 0%. Die zahlen übrigens Eigentümer auch, das scheinen viele nicht zu wissen.

          Ansonsten können Sie sich glücklich schätzen, wenn Sie aus einer Privatvermietung mehr als 1% Rendite erwirtschaften. Vor Steuer selbstverständlich.

    • @Macsico:

      Die Wohnungsmieten steigen tatsächlich weniger als die restliche Inflation, selbst die vielfach kritisierten Staffelmieten bilden nur die Inflation nach. Es handelt sich einfach um Gejammer, gespeist aus erhöhten Ansprüchen bei geringerer Zahlungsbereitschaft. Was einzelne Fälle von üblen Machenschaften und Schicksalen natürlich nicht ausschließt.

    • @Macsico:

      Es gibt kein solches Naturgesetz. Es findet auch keine absonderliche Steigerung statt. Die Wohnungsmieten stiegen z. B. in BW in den lezten 30 Jahren nicht schneller, und in den letzten 5 Jahren tatsächlich langsamer als die Inflation:



      www.statistik-bw.d...ise/VPI-LR.jsp?i=h

    • @Macsico:

      Ihr "Naturgesetz" nennt sich Angebot und Nachfrage! Habe noch von keinem "Naturgesetz" gelesen, das da sagt, dass Sie ganz selbstverständlich in einer Wohnung wohnen können, auch wenn Sie sich diese gar nicht leisten können, bzw. das Ihren Vermieter dafür verantwortlich macht, dass sich Ihre finanziellen Verhältnisse bzw. Ihre Lebenssituation geändert haben/hat. Es ist erstmal eine Frage Ihrer eigenen Prioritäten, für was ich mehr oder weniger Geld ausgeben möchten.

      • @Demokratischer Segler:

        Mein Prof. hat in VWL zumindest noch über das Thema "(Ausnutzen von) Marktmacht" gesprochen.

  • Wenn wir über steigende Mieten sprechen müssen wir erst einmal unterscheiden ob es die tatsächlichen Mieten oder die Nebenkosten sind die massiv steigen. seit zwei Jahren steigen die Nebenkosten deutlich schneller an als die Mieten. Heizen ist hier der grosse Effekt- dass der co2 Preis steigt ist politisch gewollt, der schlägt sich direkt auf die Nebenkosten bei den Mietern um, die Grundsteuer steigt gerade - ist Sache der Gemeinden ist politisch gewollt. Müllabfuhr , Strassenreinigung etc steigt massiv - kommt teilweise über den steigenden Mindestlohn - ist politisch gewollt und auch richtig sonst will bald niemand mehr den Job machen. aber alles kostet mehr Geld und deshalb steigen die Nebenkosten. Dann kam der soziale Wohnungsbau zum erliegen und der Private wurde systematisch abgeschreckt. damit werden weniger Wohnungen gebaut als Menschen zuziehen, Markt = Angebot vs Nachfrage Preise steigen. Wo sind die von der SPD versprochenen 400000 Sozialwohnungen pro Jahr, wo sind die günstigen erneuerbaren Energiepreise die uns die Grünen versprochen haben. heute steht der Strompreis in Deutschland auf einem absoluten Allzeithoch. Danke Herr Habeck toller Job

  • Es gibt eine Lösung für das Problem der Staat baut Mietwohnungen, dann würden die Politiker aber plötzlich feststellen, das all die Vorschriften und Regeln die sie die letzen 20 Jahre erlassen haben Bauen S***** Teuer gemacht haben. Selbst Genossenschaften können heutzutage bei Neubau für teilweise nicht weniger als 18 Euro pro M² vermieten.

    Gleichzeitig müsste sich der Staat dann mit den NIMBYs rumschlagen, weil so wie der Zuzug in die Städte sich entwickelt ist die einzig nachhaltige Lösung hohe Gebäude, wie in den Niederlanden und da hat man sofort eine Bürgerinitiative an der Backe.

    Mal abgesehen von den Kosten, der Verwaltung die schon mit viel simpleren Aufgaben überfordert ist etc.

    Der einzig günstige Weg schnell mehr Mietraum zu schaffen ist Vorschriften ersatzlos streichen, simpler bauen, und grundsätzlich immer noch 2-3 Stockwerke mehr.

  • Jüngere waren schon immer ärmer als Ältere. Ist ja auch logisch, denn die Jüngeren hatten noch nicht so viel Zeit, ein Vermögen zu bilden.



    Wenn die Höhe der Mieten ein Problem ist, ist es erstaunlich, dass ausgerechnet in Bayern und Baden-Württemberg weniger Menschen von Armut durch hohe Mieten betroffen sind. Und ganz merkwürdig ist, dass im Artikel nicht Berlin, sondern Bremen und Hamburg als Städte mit hoher Armutsquote genannt werden. Offensichtlich ist nicht die Miete, sondern ein anderer Faktor viel entscheidender: das Einkommen.



    Wir sollten also dort, wo Armut durch hohe Wohnkosten verstärkt wird, versuchen, die Einkommen zu erhöhen, indem wir entsprechende Arbeitsplätze schaffen und Unternehmen mit hohem Wertschöpfungspotential ansiedeln. Dazu kann es interessant sein, den Strommarkt neu zu regeln, die (sehr preisgünstige) Windenergie bevorzugt dort zu verbrauchen, wo sie erzeugt wird, und diese Regionen nicht mehr durch höhere Netzkosten zu belasten wie in der Vergangenheit.

    • @Aurego:

      Rentner im Süden haben vorgesorgt und sind Vermieter.

      • @Momo33:

        Ja, aber nur manche.



        Aber Sie haben recht, ich mach's ja auch so ...

        • @Aurego:

          Na dann können Sie ja was gegen überhöhte Mieten tun. :)

          • @Momo33:

            Ich vermiete noch immer unter dem Mietspiegel. Insofern: ja.

  • Solange Städte immer noch hohe Mieten für einen Beweis ihrer Attraktivität halten, wird sich auch nichts ändern.

    • @Gorres:

      So ein bisschen verwechseln Sie jetzt aber Ursache und Wirkung. ;)

  • Das Allerschlimmste ist doch-, und da muss man sich nichts vormachen, dieses Problem wird sich im Laufe der Zeit nicht verbessern, sondern eher verschlimmern.



    Schon zu Beginn der 80'er Jahre hat der Staat sich aus dem sozialen Wohnungsbau verabschiedet.



    Gäbe es ein Gleichgewicht zwischen Staat und freiem Wohnungsmarkt, hätte es diese Problematik nicht.

    Woher sollen die Wohnungen kommen?



    Wohnungsbauer bauen Wohnungen um sie zu Verkaufen oder zu "normalen Preisen" vermieten.



    Was ich trotzdem nicht verstehe ist, dass so ein "Geschäftsmodell" wie Vonovia überhaupt erlaubt ist.



    Und was ich auch nicht verstehe ist, warum sich der dänische Rentenfond in unseren Wohnungsmarkt einkaufen kann.

  • Puuh, da haben wir ja Glück, dass unsere Polizei massiv aufrüstet



    und dass sich die besonders von Armut bedrohten Senioren nicht mehr auflehnen oder wehren können.

    Aber man muss Verständnis haben.



    Der Staat hat kein Geld.



    Das ist bei WireCard und den CumEx-Bankern.



    Pech halt.

  • Im Zeit-Format "Anruf an alle" sprechen Leser bei "So leiden sie unter steigenden Mieten", ihren Frust über massiv steigende Mieten auf Band: eine Leserin beklagt, dass in Hamburg kein soziales Wohnen möglich sei. Viele ihrer Nachbarn würden zu viert oder fünft in einer 2-Zimmer-Wohnung wohnen.



    Selbst in sozialen Brennpunkten kaufen Investoren Wohnblöcke auf, renovieren sie und machen sie unbezahlbar.

    Die Hamburger SPD könnte wissen, dass in sehr vielen Hamburger Stadtvierteln die Menschen aufgrund zu hoher Mieten und Inflation massiv sparen müssen, der Nachbarschaftskiosk bemerkt es zuerst.



    Doch die SPD hat längst den Kontakt zu dieser in den Medien unsichtbaren Wählerschicht verloren, die bis in die Mittelschicht ragt.



    Statt die massiv steigende unsichbare Armut (besonders bei Rentnern) durch ein riesiges staatliches Bauprogramm zu bekämpfen, moderiert Kanzler Scholz das Problem weg.

    Die staatliche Hamburger Saga (sehr großer Immobilienkonzern) macht stattdessen einen Millionengewinn mit den in Hamburg massiv gestiegenen Mieten, reicht diese nicht an ihre Mieter zurück. SPD-Politik pur in der Heimat von Bundeskanzler Scholz.

  • Ergebnis einer falschen Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, sowie Motivation, eine falsche Wirtschaftspolitik fortzusetzen.

    • @Gerhard Krause:

      Was wäre dann die "richtige" Wirtschaftspolitik?



      Dieselbe Wirtschaftspolitik haben wir schon seit vielen Jahrzehnten. Bisher hat sich - mit oder ohne Habeck als Wirtschaftsminister - noch nichts signifikant geändert. Was den Leuten an Habecks Ideen nicht gefiel, war kaum etwas, was aktuell schon massive Auswirkungen hat, sondern eher die Pläne für die nächsten 10 Jahre, Dinge, die wir jahrzehntelang wider besseres Wissen vor uns hergeschoben haben. Hätten deutsche Autohersteller die Zukunft nicht verschlafen, sähe die Wirtschaft jetzt besser aus. Dort wollte und will das aber niemand wahrhaben. Tesla hat Erfolg, VW nicht. Warum wohl? Dass weniger gebaut wird, war auch in früheren Zeiten immer wieder einmal der Fall. Hohe Baukosten erzeugen unbezahlbare Mieten, also wird nicht mehr gebaut. Echter Wohnungsmangel herrscht auch nicht flächendeckend, sondern hauptsächlich in bestimmten Metropolen.

      • @Aurego:

        Danke für Ihre (kritische) Frage. Mann kann und muss die 'Wirtschaft' steuern, z.B. SteuerR, ArbeitsR, Familienpolitik, Kapitalverkehr. Dies sind nur einige Beispiele. - Etwa seit den 70ern sinkt (idR) die Lohnquote. Habeck hat keine Chance gehabt, weil er Möglichkeiten nicht angepackt hat, sowie nicht anpacken könnte. Wirtschaftspolitik ist heute noch immer manipulativ politisch besetzt.

        • @Gerhard Krause:

          Und gleichzeitig muss man es schaffen, den Staat weiterhin zu finanzieren. Dass die Lohnquote sinkt, hat strukturelle Gründe, die jedoch nicht unbedingt etwas mit der aktuellen Wirtschaftspolitik zu tun haben.



          Das Problem, dass diejenigen, die gerne nach Steuererleichterungen und staatlichem Bürokratieabbau rufen, übersehen jedoch, dass es vor allem die Innovationskraft der Unternehmen selbst ist, die zu nachhaltigem Wirtschaftswachstum führt. Wer in einem großen Unternehmen arbeitet, weiß, dass viele Vorgänge eher an eine Behörde als an eine Startup-Kultur erinnern. Letztere bräuchten wir jedoch und diese könnte auch gerne staatlich gefördert werden, z. B. durch besondere Startup-Darlehen (eines der Hauptprobleme in Deutschland und Europa ist, an genügend Startkapital zu kommen). Dazu müssten wir jedoch unseren notorischen Geiz, das Denken in kleinen Schritten ablegen und in größeren Kategorien denken und handeln ("think big!" und "big is beautiful"), nicht so kleinkariert, wie wir es traditionell gewohnt sind (ich zitiere hier gerne die "schwäbische Hausfrau", explizit ohne die Schwäbinnen beleidigen zu wollen).

          • @Aurego:

            Der Staat kann sich jederzeit selbst finanzieren. Er hat das Monopol an seiner Währung und kann Geldeinheiten in seiner Währung jederzeit in jeder beliebigen Menge herstellen. Dass Unternehmen ausschließlich kraftvoll innovativ sind, oder Start-ups, das sind dann wohl keine Unternehmen, ist eine leider, im Mittel, unhaltbare Idee. Nachhaltiges Wirtschaftswachstum ist auch mit Seife und Kieselsteinen möglich, die Umweltgrenze einmal hinweggedacht. Das ist weder innovativ, noch sehr clever, aber möglich, und zwar weil die Löhne im Wesentlichen dafür maßgeblich sind.

            • @Gerhard Krause:

              Ja, wie das mit der eigenen Währung, die der Staat in beliebiger Menge herstellt, funktioniert, haben wir ja 1923 deutlich gesehen.

      • @Aurego:

        die richtige Politik wäre solche die der Mehrheit der Menschen dient, langfristig, dauerhaft. Wenn trotz technologischen Fortschritts der Reallohn/Wohlstand der Mehrheit seit Jahrzehnten nicht steigt, diese gleiche Gesellschaft aber gleichzeitig sämtliche natürlichen Resourcen herunterwirtschafet (CO2 Konzentration, Biodiversität, Böden, Vermüllung, Fischbestände, Wasserhaushalte...) dann kann ich dieses System mit seiner Wirtschaftsform nur als weitgehend dysfunktional bezeichnen. Das Ultraböse? Das Ultradumme? neulich auf dem Spielplatz mitgehört

        • @Miteinander_:

          Wir sollen es also einfach machen wie die Boeing-Mitarbeiter und 40% mehr Lohn fordern?

          Ich sehe hier hauptsächlich das Problem, dass die meisten Menschen keine Ahnung haben, was für sie in 20 Jahren oder für ihre Kinder, Enkel und Urenkel gut ist. Vielleicht ist es ihnen auch egal.



          Ich fürchte aber, dass uns auch mit einer anderen Wirtschaftsform nicht gelingen wird, ins Paradies zurückzukehren. Dafür stellen wir uns insgesamt einfach zu dämlich an, wollen aber auch nicht auf diejenigen hören, die sich mit den Details intensiv beschäftigen und es evtl. besser wissen.

          • @Aurego:

            Aus meiner Sicht gibt es genug Erfüllendes, was wir anstatt eines Paradieses zu tun vermögen : Kooperation. Kooperationen, beispielsweise, die natürlichen Ressourcen zu bewahren, oder wieder herzustellen. Der User "Miteinander" hat doch völlig Recht; eine Handlungsweise, die sich ihrer (Ausübungs-)Grundlagen beraubt, ist weder innovativ, noch überlegen.

  • "In der Tendenz gel­te: Je niedriger das Einkommen, desto höher seien die relativen Ausgaben für Wohnen."

    Das ist aber mathematisch begründet und immer und bei allem so. Wenn man 400 Euro für wohnen ausgibt, ist das bei einem Einkommen von 2000 Euro 20 Prozent und bei 4000 Euro zehn Prozent. Wenn ich dann noch die Basis senke, vermindert sich automatisch die Relation. In diesen Beispiel hat die eine Person 50% des Einkommens des anderen. Wenn man die 400 Euro rausrechnet wird das Verhältnis 3600 zu 1600. Damit hat man nur noch 44%.

    Die Rechnung ist daher Augenwischerei, da sie relative und absolute Zahlen vermischt. Neben Wohnen kann man auf Essen nicht verzichten. Wenn wir die Kosten auch abziehen, z.B. ebenfalls 400 kommen wir auf 3200 zu 1200 und damit auf nur noch 37,5%.

    Damit dreht sich die "Armutsdefinition" um. Es kommt dann auf das Geld an, das man zur freien Verfügung hat und ist arm, wenn man weniger als 60% der anderen Menschen zur freien Verfügung hat. Wenn man das Wohnen rausrechnet, muss man auch an diese Definition ran.

    • @Strolch:

      Zu Ihrer Rechnung: ja (die meisten taz-Kommentator*innen haben die 7. Klasse geschafft).



      Die Frage ist nicht die Berechnung, sondern die politische Würdigung. Wo liegt der Schwellenwert für ein halbwegs abgesichertes Leben mit einem Modicum an Teilhabechancen? Und welche Rolle spielen die Wohnkosten dabei, Menschen unterhalb dieser Schwelle einzumauern? Und - die Frage wird hier nur am Rande erwähnt - warum kann Wohnungsbaupolitik in diesem Land so gestaltet werden, dass sie nur Wohnungskonzernen, Erben und Privilegierten, die ihr fünftes Standbein der Besitzstandswahrung und Altersversorgung aus weitgehend arbeitsfreien Mieteinkünften generieren, nützt.

    • @Strolch:

      Da haben sie absolut recht. Es macht doch keinen Sinn, den größten Ausgabenposten auf der einen Seite abzuziehen, aber sich immer noch auf das volle Durchschnittsgehalt zu beziehen. Das ist ein so großer Mangel in der Studie und auch im Grundargument, dass dies auch der Taz hätte auffallen müssen. Und wenn man die Miete auch bei dem Basiswert abzieht wäre das Ergebnis der Studie, dass derjenige der viel Miete zahlt weniger Geld hat. Eine große Erkenntnis

      • @Choronyme:

        Bitte zuerst die Studie lesen:



        "Die Wohnarmut ermittelt die Armut anhand des



        Einkommens, das tatsächlich monatlich verfüg-



        bar ist. Hierzu werden vor der Berechnung der



        Armutsquote alle Wohnkosten von den Einkom-



        men abgezogen, ein wohnkostenbereinigtes Me-



        dianeinkommen auf Basis der verschiedenen



        Haushaltsnettoäquivalenzeinkommen gebildet



        sowie die entsprechende Armutsschwelle nach



        der 60-Prozent-Schwelle ermittelt."

        Die Wohnkosten werden natürlich auf beiden Seiten rausgerechnet. Und die große Erkenntnisse ist, dass viel mehr Menschen arm und von Armut bedroht sind als zuvor angenommen. Dass diese Erkenntnis von Politik und auch vielen Besserverdienenden nicht gern gehört wird ist schade.

    • @Strolch:

      Eine relative Definition halte ich grundsätzlich für nicht geeignet. Wenn alle Menschen verhungern würden, weil sie sich keine Nahrung leisten könnten, hätten aber dasselbe Geld im Monat, dann wären sie immer noch arm.

  • Armutsdefinitionen sind eine komplexe Angelegenheit mit zahlreichen realitätsfernen Annahmen, sie sind meiner Ansicht nach nur bedingt hilfreich um das Ausmaß an Einschränkung/Ausgrenzung wiederzuspiegeln. Ich sehe den aktuellen Begriff der "Armutsgefährdung" vorrangig als politisches Mittel der Verschleierung von Misständen. Er hört sich recht harmlos an, und dann leben wir ja auch im wohlhabenden D, geht denen doch gut, kein Handlungsbedaft...Als Beispiel: Eine 5 köpfige Familie mit 3 Kindern ist laut gängiger Definition armutsgefährdet bei ca. 4000Euro. In einer Stadt mit höheren Mieten liegt dieser Betrag ungefähr gleich auf mit dem Existenzminimum.