Streit ums Bürgergeld: Spitzensteuersatz für die Ärmsten
Die Union hat das Bürgergeld zertrümmert. Dabei hat sie recht: Das Lohnabstandsgebot muss gewahrt bleiben – aber anders, als sie denkt.

M it aller Vehemenz hat die Union gegen das Bürgergeld angekämpft – und es zertrümmert. Alle Ansätze der Ampel, es den Ärmsten etwas leichter zu machen, wurden ausgemerzt. Dabei haben CDU/CSU in einem Punkt zweifelsohne recht. Das Lohnabstandsgebot muss gewahrt werden. Wer arbeitet, sollte deutlich mehr Geld haben als diejenigen, die das nicht tun.
Das Problem ist nur: Die Union zieht die völlig falschen Schlüsse aus ihrer Kritik. Sie nimmt den Ärmsten die Butter vom Brot, statt diejenigen zu fördern, die sich wenigstens einen schlecht bezahlten Job suchen. Die werden zur Kasse gebeten wie niemand sonst. Von Zuverdiensten werden, abgesehen von minimalen Freibeträgen, 70 oder 80 Prozent angerechnet. Von jedem verdienten Euro müssen also weiterhin 70 bis 80 Prozent an den Staat abgedrückt werden. Nur zum Vergleich: Der Spitzensteuersatz liegt selbst bei den Superreichen bei maximal 45 Prozent. Läge der bei 70 Prozent, würde die FDP sofort die Revolution ausrufen.
Aber ist dieser Vergleich nicht schräg? Schließlich zahlen die Reichen Geld an den Staat, die Armen bekommen nur weniger vom Staat. Stimmt. Aber zum einen verlangt von Gutverdienern auch niemand, dass sie bei Mehrverdienst erst mal Subventionen zurückzahlen oder auf Abschreibungen verzichten müssten. Zum anderen regelt der Grenzabgabesatz das Verhältnis zwischen Bürger und Staat. Ganz egal ob der nun Anrechnungsquote oder Steuersatz heißt: Wer bis zu vier Fünftel seines Mehrverdienstes abgeben muss, bekommt nur eins gesagt: Lass es! Deine Anstrengungen sind ökonomisch gesehen Quatsch.
Ein Ansporn wäre es, wenn Unterstützungsbedürftige bis zum allgemeinen Einkommensfreibetrag abgabefrei hinzuverdienen dürften. Und darüber hinaus mit den üblichen geringen Sätzen besteuert würden. Anders gesagt: Wenn das Bürgergeld ein echter Schritt in Richtung Grundeinkommen gewesen wäre. Das wäre Grundlage in einer wirklich sozialen Marktwirtschaft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit NS-Erinnerung
Was der Opa von Friedrich Merz mit der Gegenwart zu tun hat
Schwatzhafte Päpste
Treffen sich Obama, Trump und der Papst im Himmel
Israelkritik der Linkspartei
Der Missbrauch des Antisemitismusvorwurfs
Eurovision Song Contest
Es haben die Richtigen gesiegt
Deutschland und der jüdische Staat
Schluss mit der Symbolpolitik
Leben in Widersprüchen
Ich bin nicht unglücklich