piwik no script img

Streit um russisches VermögenVier EU-Länder stellen sich quer

Auf dem EU-Gipfel will Merz durchbringen, dass die EU das russische Zentralbankvermögen übernimmt. Doch nicht alle sind einverstanden.

Von hier soll das Geld auf die Europäische Kommission übertragen werden: die Euroclear-Zentrale in Brüssel Foto: Geert Vanden Wijngaert
Eric Bonse

Aus Brüssel

Eric Bonse

Jahrelang war es still um das russische Zentralbankvermögen in der EU. Die geschätzt 210 Milliarden Euro, die zum größten Teil in Belgien, aber auch in Deutschland und Frankreich liegen, galten als tabu: Sie sind durch die Staatenimmunität geschützt. Ein Zugriff wäre illegal, hieß es in Moskau, aber auch in Brüssel und Berlin.

Doch nun ist ein heftiger Streit um die „Russian Assets“ entbrannt. Russland will sein Geld zurück und hat in Moskau Klage gegen den belgischen Finanzdienstleister Euroclear erhoben, wo das Gros des Geldes liegt. US-Präsident Donald Trump möchte das Vermögen für seinen Friedensplan und für Geschäfte in der Ukraine nutzen.

Auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat sich eingeschaltet. Mit Nachdruck fordert er, dass die EU das russische Vermögen übernehmen soll, um damit ein „Reparationsdarlehen“ für die Ukraine zu finanzieren. Bis zu 140 Milliarden Euro sollen auf diesem Umweg nach Kyjiw fließen – wenn es nach Merz geht, vor allem für Waffenkäufe.

Beim EU-Gipfel am kommenden Donnerstag in Brüssel will Merz seinen umstrittenen Plan durchboxen. Es gehe um Europas Handlungsfähigkeit, heißt es in Berlin. Doch nun stellen sich mehrere EU-Länder quer. Neben Belgien, das schon im Oktober protestiert hatte, haben überraschend auch Italien, Bulgarien und Malta Bedenken angemeldet.

Die EU soll „alternative Optionen“ prüfen

In einem gemeinsamen Brief an die EU-Kommission fordern die vier Rebellen, „alternative Optionen“ zur Unterstützung der Ukraine zu prüfen. Das russische Vermögen dürfe nicht angetastet werden, meinen der belgische Premier Bart De Wever und seine Amtskollegen. Es müsse so lange stillgelegt werden, bis Russland den Krieg beendet.

Damit gehen sie auf Gegenkurs zu Merz und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die für die Umsetzung der Pläne zuständig ist. Die beiden deutschen CDU-Politiker sind der Auffassung, dass ein Zugriff machbar sei, da das russische Vermögen nicht konfisziert, sondern nur verlagert werde – von Euroclear auf die EU-Kommission.

Das sehen allerdings viele Experten völlig anders. Nicht nur Euroclear, sondern auch die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds haben vor einem Zugriff auf die „Russian Assets“ gewarnt. Er könnte das Vertrauen in die Eurozone untergraben und zur Flucht der internationalen Anleger aus dem Euro führen, heißt es.

Nicht nur Belgien wäre gefährdet, weil das Gros bei Euroclear in Brüssel liegt. Auch andere EU-Länder machen sich Sorgen. Denn von der Leyen will den heiklen Zugriff auf das russische Vermögen durch nationale Garantien der 27 EU-Länder absichern. Allein auf Deutschland käme eine Garantiesumme von mehr als 50 Milliarden Euro zu.

Mehrheit für Merz’ Pläne nicht sicher

Die Bundesrepublik kann sich dies vielleicht leisten – andere EU-Länder eher nicht. Belgien ist jetzt schon überschuldet, auch Frankreich und Italien haben Budgetprobleme. In Paris ist nicht einmal klar, ob die Regierung eine Ukraine-Garantie durchs Parlament bringen würde. Deshalb gilt auch Frankreich als Wackelkandidat.

Wankt die Mehrheit für Merz und von der Leyen? Kurz vor dem entscheidenden EU-Gipfel, der am Donnerstag beginnt, laufen in Berlin und Brüssel die Drähte heißt. Um das russische Vermögen auf die EU-Kommission zu übertragen und das „Reparationsdarlehen“ zu beschließen, braucht es zwar nur eine qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten. Doch die ist noch nicht sicher.

Wie eng es werden kann, hat sich am vergangenen Freitag gezeigt. Da hat die EU in ungewöhnlicher Eile beschlossen, das russische Vermögen auf unbegrenzte Zeit stillzulegen. Damit wird es vor einem Zugriff aus Russland und aus den USA geschützt. Bisher musste die entsprechende EU-Sanktion alle sechs Monate erneuert werden.

Der Beschluss stand jedoch bis zuletzt auf der Kippe. Ungarn und die Slowakei protestierten, weil Sanktionsbeschlüsse normalerweise einstimmig gefasst werden müssen – sie sind mit einem rechtlichen Trick übergangen worden. Und Belgien, Italien, Bulgarien und Malta hielten in einer Erklärung fest, dass ihre Zustimmung auf keinen Fall als „Ja“ zum Ukraine-Kredit gewertet werden könne. Diese heikle Entscheidung wollen sich die vier Rebellen bis zum EU-Gipfel vorbehalten.

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Das russische Zentralbankvermoegen bei Euroclear belaeuft sich auf ca 185 Milliarden Euro und ist durch Staatsimmunitaet geschuetzt. Der Rest besteht zum Grossteil aus Firmen- und Privatvermoegen, welche aufgrund von voelkerrechtswidrigen Sanktionen beschlagnahmt wurden.



    Die EU sendet das Signal in die gesamte Welt, dass hier angelegtes oder investierte Geld nicht sicher ist. Ganz so wie man es von Bananenstaaten korrupter Diktatoren kennt.



    Der "juristische Trick" mit dem das russische Vermoegen auf Dauer blockiert wurde bestand aus dem Ausrufen eine Notstands, um die in den europaeischen Vertraegen geforderte Einstimmigkeit zu umgehen.



    Nur um die Ukraine ein weiteres Jahr zu finanzieren, muss die EU zu Diebstahl, Willkuer und erfundenen Notstaenden greifen.



    Frieden mit deutlich hoeheren Kosten fuer den Wiederaufbau kann sich die EU demnach garnicht leisten, was erklaert, warum man einen aussichtlichlosen Krieg unbedingt fortsetzten will.



    Nicht auszudenken zu welchen zwielichtigen und illegalen Mitteln die EU greifen muss, sollte es irgendwann tatsaechlich Frieden geben. Wer da als auslaendischer Investor noch Vermoegen in der EU hat, dem ist nicht mehr zu helfen.

    • @elektrozwerg:

      Ob aus dem Zugriff auf russisches Vermögen nach dem völkerrechtswidrigen Überfall auf die Ukraine irgendwelche Repräsentanten irgendeines Verbrecherstaates vielleicht schließen könnten, dass ihr Geld in der EU nicht sicher sei, wäre mir wirklich herzlich egal.

    • @elektrozwerg:

      Evtl. könnte versucht werden, auf russisches Vermögen über zivilrechtliche Schadenersatz- und Schmerzensgeldforderungen zuzugreifen, besonders weil Putin bisher ja immer behauptet hat, es handle sich nicht um einen Krieg.

  • Traurig. Nur 4 von 27 Regierungen ist klar, dass die Tricksereien unseres ex Black Rock Managers mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in die Hose gehen werden.