Straßenverkehrsgesetz reformiert: Auto verliert Vorfahrt
Lange wurde verhandelt: Künftig können Städte und Gemeinden einfacher Radwege, Zebrastreifen und Tempo-30-Zonen einrichten.
„Die Kommunen können endlich das tun, was vor Ort gefordert wird“, sagte Swantje Michaelsen, Verkehrsexpertin der Grünen im Bundestag, nach der Einigung am Mittwochabend. „Sie erhalten eine Rechtsgrundlage, um Radwege, Tempo 30 und Zebrastreifen leichter anzuordnen oder den Busverkehr zu beschleunigen.“ In Zukunft dürfen Städte und Gemeinden die Verkehrsplanung auch am Klima- und Umweltschutz, der Gesundheit und der sogenannten städtebaulichen Entwicklung ausrichten.
Im November 2023 hatten die Bundesländer die Reform zunächst abgelehnt – vor allem die Länder, in denen die Union mitregiert. Sie kritisierten: Die Verkehrssicherheit werde in der Gesetzesänderung nicht genug betont. Deshalb steht in dem Entwurf, den der Vermittlungsausschuss abgesegnet hat, dass die Sicherheit des Verkehrs nicht beeinträchtigt werden dürfe.
In vielen Kommunen ist die Freude nach den langen Monaten des Stillstands groß. Freiburg etwa hat die „Initiative für lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ mitgegründet. Die Mitglieder der Initiative haben sich seit 2021 für ein neues StVG starkgemacht und dafür, dass Kommunen selbst entscheiden dürfen, wo welche Geschwindigkeiten gelten.
Weniger Tempo, mehr Sicherheit
Bislang herrscht im Freiburger Osten Tempochaos. In der Schwarzwaldstraße gilt tagsüber Tempo 50, nachts Tempo 30, weil die Lärmgrenze für ein Wohngebiet überschritten ist. Ein Stückchen weiter gelten tags und nachts Tempo 30, wegen eines Kindergartens. In der Parallelstraße, der Hansjakobstraße, ist es genau andersherum. Hier gilt nachts Tempo 50, weil die Lärmgrenze nicht überschritten ist und tagsüber Tempo 30, aufgrund eines weiteren Kindergartens.
Jetzt will die Stadt den Flickenteppich aus unterschiedlichen Geschwindigkeitsregelungen endlich auflösen. Im ganzen Viertel soll einheitlich Tempo 30 eingeführt werden – tags und nachts, mit und ohne Kindergarten. Bürgermeister Martin Haag begründet seine Pläne damit, dass die Straßen keine Hauptverkehrsstraßen seien, die Gehwege schmal, Wohnhäuser ständen entlang der Straße.
Die vielen verschiedenen Geschwindigkeitsregelungen seien unverständlich und würden wenig Akzeptanz erfahren, sagte Haag der taz. Das neue Straßenverkehrsgesetz mache eine einheitliche Regelung für das gesamte Viertel möglich. „Die Kommunen möchten mehr Verkehrssicherheit und mehr Umwelt- und Stadtverträglichkeit des Verkehrs“, erklärte der Freiburger.
Auch die Stadt Augsburg wünscht sich, nach eigenem Ermessen Geschwindigkeitsbeschränkungen einführen zu können. Ein Beispiel ist dort die Zufahrtsstraße zu Zoo und Botanischem Garten.
In dem ruhigen Wohngebiet sind viele Fußgänger:innen und Radfahrer:innen unterwegs, auch mit kleinen Kindern. „Hier hätten wir wirklich gerne Tempo 30, auch um das Sicherheitsempfinden zu erhöhen“, sagte Steffen Kercher (CSU), Baureferent der Stadt Augsburg der taz. „Das dürfen wir bisher aber nicht.“ Auch Kercher hofft, dass das neue StVG hier wichtige Veränderungen bringt. Das Ergebnis aus dem Vermittlungsausschuss sei „nach einem Marathon des Wartens, ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte Kercher.
Reform der StVO sollte schnell folgen
Das StVG liefert nur die gesetzliche Grundlage, den konkreten Handlungsspielraum für die Kommunen legt die Straßenverkehrsordnung (StVO) fest. Über Anpassungen der StVO entscheidet der Bundesrat am 5. Juli. „Wichtig ist, dass die Reform der Straßenverkehrsordnung schnell folgt“, sagte Michael Müller-Görnert, verkehrspolitischer Sprecher des ökologischen Verkehrsclubs VCD am Donnerstag. Verbände wünschen sich langfristig sowohl für die Reform des StVG als auch die neue StVO ehrgeizigere Änderungen – zum Beispiel mehr Freiheit bei Parkgebühren.
Aus dem Vermittlungsausschuss ging ein zweiter Kompromiss für eine Reform hervor: Das sogenannte Bundesschienenwegeausbaugesetz (BSWAG) soll so geändert werden, dass der Bund in Zukunft Geld in die Sanierung des Schienennetzes stecken kann. Bisher konnte er sich nur am Neubau von Gleisen beteiligen.
Auch das hatten die Länder zunächst blockiert, Streitpunkt war die Finanzierung des Schienenersatzverkehrs (SEV). Die Vermittler:innen schlugen vor, dass die Länder 50 Prozent des SEV zahlen, der Bund 40 Prozent und die Deutsche Bahn 10 Prozent.
Beide Reformen müssen nun noch von Bundestag und Bundesrat angenommen werden. Die Länderkammer hat ihre nächste Sitzung am Freitag.
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