Soziale Ungleichheit: Reichtum rückverteilen!
Wenn wir alle in Würde leben wollen, können wir uns Hyperreiche nicht leisten. Es braucht einen höheren Spitzensteuersatz und eine Vermögenssteuer.
W ill man die ökonomische Ungleichheit verringern und zugleich verhindern, dass sich Deutschland sozial noch tiefer als bisher spaltet, muss die Steuergerechtigkeit erhöht und der Reichtum stärker besteuert werden, zumal Armutsbekämpfung viel Geld kostet. Steuern und Steuerpolitik sind aber für die meisten Deutschen ein Buch mit sieben Siegeln.
Das komplizierte Steuersystem macht es schwer, Besitz-, Kapital- und Gewinnsteuern als wichtigstes Instrument einer Rückverteilung des Reichtums ins öffentliche Bewusstsein zu heben. Weil sie ihre eigene Steuerbelastung in aller Regel überschätzen, lehnen viele Menschen auch Steuererhöhungen für wirklich Reiche aus der Befürchtung heraus ab, dass sie selbst davon betroffen sein könnten.
Im parteipolitischen Raum ist die Bereitschaft zu einer stärkeren Besteuerung des Reichtums eher noch geringer als in der „normalen“ Bevölkerung. Die etablierten Parteien, allen voran FDP, CDU und CSU, aber auch die sich als „Partei der kleinen Leute“ (Alexander Gauland) inszenierende AfD, blockieren oder verwässern entsprechende Gesetzesinitiativen, weil sie dadurch bürgerliche Besitzinteressen in Gefahr sehen.
Weil das Vermögen den Kern des Reichtums bildet, ist seine jährliche Besteuerung ein Schlüssel zur Verringerung der sozialen Ungleichheit. Ansetzen muss die Rückverteilung des Reichtums bei den großen Vermögen, nicht bei sehr hohen Einkommen. Denn die Einkommensquellen können über Nacht versiegen, wie die Covid-19-Pandemie mit dem ersten bundesweiten Lockdown im März 2020 gezeigt hat, große Vermögen aber nicht urplötzlich verschwinden.
Fünf Familien haben so viel wie 40 Millionen Menschen
Wie stark das Privatvermögen hierzulande mittlerweile konzentriert ist, veranschaulicht der Umstand, dass die fünf reichsten Unternehmerfamilien: Albrecht/Heister, Böhringer, Kühne, Quandt/Klatten und Schwarz zusammen etwa 250 Milliarden Euro und damit mehr besitzen als die ärmere Hälfte der Bevölkerung, d.h. weit über 40 Millionen Menschen.
hat von 1998 bis 2016 Politikwissenschaft an der Universität zu Köln gelehrt und kürzlich die Bücher „Deutschland im Krisenmodus. Infektion, Invasion und Inflation als gesellschaftliche Herausforderung“ sowie „Umverteilung des Reichtums“ veröffentlicht.
Dies hat auch damit zu tun, dass rund 40 Prozent der Bevölkerung überhaupt kein Vermögen besitzen, also – streng genommen – von der Hand in den Mund leben, weil ihnen jegliche Rücklagen fehlen, die man spätestens in einer finanziellen Krisensituation braucht. Folglich avanciert die Rückverteilung des Vermögensreichtums an die große Bevölkerungsmehrheit zur Gretchenfrage eines gerechten Steuersystems, denn wir können uns Hyperreiche nicht mehr leisten, wenn alle in Würde leben wollen.
Hierfür bieten sich die Wiedererhebung der Vermögensteuer, eine höhere Körperschaftsteuer, die nicht zuletzt Kapitalgesellschaften als eine Art Einkommensteuer entrichten müssen, und eine vor allem große Betriebsvermögen stärker zur Finanzierung des Gemeinwesens heranziehende Erbschaftsteuer an. Mit einer Wiedererhebung der Vermögensteuer, die 1997 ausgesetzt wurde, obwohl sie weiterhin im Grundgesetz steht, ist es nicht getan.
Kaum etwas widerspricht dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden so stark wie die schärfere Besteuerung von Arbeitseinkommen als von Kapitalerträgen. Letztere unterliegen seit dem 1. Januar 2009 einer pauschalen Abgeltungsteuer von 25 Prozent, wohingegen Gehälter ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 66.760 Euro (2024) mit dem Spitzensatz von 42 Prozent belegt sind.
Kein Mensch braucht ein Millioneneinkommen
Wieso die einfachste und bequemste Möglichkeit für Wohlhabende und Reiche, viel Geld zu verdienen, nämlich durch den Kauf oder Verkauf festverzinslicher Wertpapiere und von Aktien, mit dem niedrigsten Steuersatz begünstigt, um nicht zu sagen: belohnt wird, ist weder einzusehen noch länger hinzunehmen. Daher gehört die Abschaffung der Kapitalertragsteuer und ihre Reintegration in die normale Einkommensteuer ganz oben auf die steuerpolitische Agenda.
Flankiert werden müssten diese Reformpläne durch einen progressiver verlaufenden Einkommensteuertarif mit einem höheren Spitzensteuersatz. Millioneneinkommen, die kein Mensch braucht, um ein komfortables Leben zu führen, sollten deutlich höher besteuert werden als „normale“ oder als hohe Einkommen, die zwar den Lebensunterhalt (einer Familie) sichern, aber keinen Luxus ermöglichen. Wer ein zu versteuerndes Jahreseinkommen von über 1 Million Euro hat, kann für diese Summe übersteigende Beträge problemlos 60 Prozent Steuern zahlen.
Wer ein noch deutlich höheres Jahreseinkommen über 1,5 Millionen oder 2 Millionen Euro hat, sollte in der Spitze mit 75 Prozent besteuert werden. Das geltende Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht begünstigt hyperreiche Unternehmerfamilien, denen die Privilegierung des Betriebsvermögens und die wiederholte Inanspruchnahme des Schenkungsteuerfreibetrages die intergenerationale Weitergabe von Unternehmen erleichtern.
Firmenerben müssen in Zukunft genauso behandelt werden wie die Erben anderer beträchtlicher Vermögenswerte. Warum sollte das Kind eines Großunternehmers im Erbfall gegenüber dem Kind eines Großgrundbesitzers, eines Bankiers oder eines Finanzinvestors steuerlich privilegiert werden? Begründet wird die Begünstigung von Firmenerben üblicherweise damit, dass wegen deren Steuerbelastung die Insolvenz von Betrieben und der Verlust von Arbeitsplätzen drohe.
Offenkundig handelt es sich hier um ein vorgeschobenes, interessengeleitetes Argument. Bisher hat es nämlich keinen Fall eines Firmenzusammenbruchs infolge einer Erbschaftsteuerzahlung gegeben, denn sonst wäre er längst vom Bund der Steuerzahler publik gemacht worden. Weil gerade die Betriebsvermögen auch sehr ungleich zwischen Ost- und Westdeutschen verteilt sind, würde eine kräftigere Besteuerung der Firmenerben den Zusammenhalt beider Landesteile stärken. Sie brächte also einen Zusatznutzen mit sich, der argumentativ genutzt werden könnte, um die Akzeptanz dafür zu erhöhen.
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