Solidarität in der Coronapandemie: Freiheit für Geimpfte!
Immunisierte Bürger sollten ihre Grundrechte zurückerhalten. Das ist nicht ungerecht, sondern logisch – denn eine Gefahr geht von ihnen nicht mehr aus.
W er keine Gesundheitsgefahr mehr darstellen kann, der muss auch in einer Pandemie so weit wie möglich alle Freiheitsrechte zurückerhalten, die ihm genommen worden sind, weil er zuvor eben diese Gesundheitsgefahr darstellte. Lange genug bestand Unklarheit darüber, ob gegen das Coronavirus geimpfte Personen weiter hochinfektiös sein könnten. Solange dies unklar blieb, gab es auch keinen Anlass dafür, diese Gruppe zu bevorzugen. Das Robert-Koch-Institut hat nun deutlich gemacht, dass dem nicht so ist.
Aber besteht nicht die Gefahr, dass die lange geübte Solidarität unter der Mehrheit der Bundesbürger nun, da möglicherweise schon bald manche mehr dürften als andere, zerbricht? Dieses Argument ist nicht von der Hand zu weisen. Selbstverständlich ist es ungerecht, wenn die einen sorglos in den Urlaub ohne Quarantäne fliegen, während andere sich im Homeoffice verbarrikadieren – und dies, obwohl auch sie liebend gern eine Spritze erhalten würden.
Dennoch schlägt das Recht auf individuelle Freiheit, das eben nur aus ganz besonderen und gut begründeten Anlässen eingeschränkt werden darf, in diesem Fall die kollektive Verantwortung. Diese Verantwortung besteht andererseits konkret darin, dass sich auch Geimpfte weiterhin manchen Einschränkungen unterwerfen müssen, weil im Alltag nicht zu kontrollieren ist, wer sich da gerade nicht an Abstandsregeln und den Mund-Nasen-Schutz hält. Sie heißt aber nicht, dass ihm Freiheiten vorenthalten werden dürfen, deren Gewährung leicht umzusetzen ist.
Teilung durch Testen abmildern
Die nun bevorstehende Teilung aller in der Bundesrepublik lebenden Menschen in zwei Gruppen mit unterschiedlichen Alltagsrechten bleibt dennoch ein Problem. Dieses kann dadurch abgemildert werden, wenn man auch der vulnerablen Gruppe im Tausch gegen einen Schnelltest die Möglichkeit gibt, wieder das tun zu dürfen, was seit Monaten verboten ist: ins Kino oder Theater gehen, ein Restaurant besuchen, einen Kaffee trinken.
Diese bedingte Rückkehr von Grundrechten kann allerdings nicht zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem die Infektionszahlen steil nach oben gehen – das Risiko wäre angesichts möglicher fehlerhafter Tests schlicht zu groß.
Deshalb sollten die Politik im Allgemeinen und gewisse MinisterpräsidentInnen im Besonderen nicht gleich wie die Ähren im Wind einknicken, wenn ihnen nun all die Interessenverbände von der Gastronomie bis zum Ausflugsbootsverkehr die Bude einrennen, weil nun aber sofort, gleich, ganz schnell alles geöffnet werden müsse. Diese Art von Freiheit braucht einen eingebauten Risikoschutz für diejenigen, die ihn weiter benötigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos