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Schwarzer-Wagenknecht-DemoDemozahlenwirrwarr

Mindestens 50.000 Menschen hätten an der Berliner Kundgebung von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht teilgenommen, behauptet die „Emma“. Stimmt das?

Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer auf der Demo. Über die Anzahl der Demonstrierenden gibt es unterschiedliche Meinungen Foto: Christophe Gateau/dpa

Dass Medien unter Berufung auf Polizeiangaben die Zahl der Teil­neh­me­r:in­nen an der von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht organisierten Berliner Kundgebung „Aufstand für Frieden“ mit 13.000 angegeben haben, sei „schlicht lächerlich“, empört sich die von Schwarzer herausgegebene Zeitschrift EMMA in ihrer Onlineausgabe am 26. Februar. Damit erreiche „die Manipulation der Fakten einen einsamen Höhepunkt“. Denn, so EMMA: „Schon auf den Fotos, sowie nach ersten Schätzungen und mathematischen Berechnungen waren es mindestens 50.000 TeilnehmerInnen.“

Richtig ist:

Wie bei Demonstrationen üblich, entsprechen weder die Veranstalterinnen- noch die Polizeiangaben der Realität. Zur Überprüfung gibt es ein hilfreiches Tool mit dem Namen „Map Checking“, mit dem sich berechnen lässt, wie viele Menschen an einer Kundgebung teilgenommen haben. Dazu muss man die Größe der Fläche definieren, auf der sie sich aufgehalten haben, und wie eng sie beieinander standen.

Die Schwarzer-Wagenknecht-Kundgebung fand vor dem Brandenburger Tor auf der Straße des 17. Juni statt. EMMA behauptet, sie hätte „bis fast zur Siegessäule“ (2 Kilometer vom Brandenburger Tor entfernt) gereicht. Das ist eindeutig falsch. Die Kundgebung reichte nur bis zum Sowjetischen Ehrenmal (400 Meter), wobei es sich dort schon sehr ausgedünnt hatte.

Gut gefüllt war es bis zu Gerhard Marcks' „Der Rufer“-Statue (280 Meter). Vor-Ort-Beobachtungen der taz ergaben: Vor der Bühne war es sehr eng, dann lockerte es sich peu à peu auf. Je nachdem, welche Dichte an welcher Stelle man veranschlagt, ergibt das eine Teil­neh­me­r:in­nen­zahl zwischen etwa 22.000 und 29.000.

In einer gemeinsamen Erklärung behaupten Schwarzer und Wagenknecht, „die größte Friedenskundgebung in Deutschland seit vielen Jahren“ organisiert zu haben. Wie man auch zählt: Das ist, freundlich formuliert, grober Unfug. Aber woher sollten die beiden auch wissen, wieviele vor einem Jahr in Berlin gegen den Ukraine-Krieg demonstriert haben?

Am 27. Februar 2022 war die Straße des 17. Juni tatsächlich vom Brandenburger Tor bis zur Siegessäule voll Demonstrant:innen. Mindestens 100.000 seien es gewesen, schätzte die Polizei, die Veranstalter sprachen von 500.000 Menschen. Schwarzer und Wagenknecht waren nicht dabei.

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45 Kommentare

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  • Habe noch nie von einer Demo gehört, bei der die offiziellen Zahlen mit jenen, die die Demonstrierenden erfühlen, übereinstimmen. Warum jetzt in diesem Fall das Theater der taz dazu!?

  • Nett! Aber auch ohne das Tool rechne ich in der Regel bei solchen gelogenen Zahlen mit dem Mittelwert. (13000 + 50000)/2 = 31500. Ist offenbar eine gute Näherung.



    Nicht, dass die blanke Anzahl den Demonstrierenden oder ihren Gegnern Recht geben würde.

    Eine repräsentative Umfrage, die gezeigt hat, dass ca. 60% die diplomatischen Bemühungen als zuwenig ansehen, hilft mir mehr als DemostrantInnen zu zählen.

    • @Jalella:

      Und wenn ich da noch ergänzen darf, der Vollständigkeit halber:



      Drei Viertel sagen, die Ukraine müsse selbst über Verhandlungen mit Russland entscheiden.



      63 % stimmen den bisherigen Waffenlieferungen zu oder halten sie für zu wenig.



      (aktueller Deutschlandtrend)

      • @dites-mois:

        Diese Zahlen gehören auf ein große Bühne, nicht das Zählen von Demonstrationsteilnehmern, die man allenfalls daneben anstellen könnte (incl. prozentualen Anteil)!

  • Wie kann man ausgerechnet als Linke einen der imperialistischsten Staat aller Zeiten gut finden?

    • @Vasco Schultz:

      Beim Antiimperialismus geht es um Antiamerikanismus.

      • @h3h3y0:

        Antiimperialismus gab es schon bevor die USA meinten, sie müssen die erste Geige in der Welt spielen.

    • @Vasco Schultz:

      Wer tut denn das? Auch Ihnen empfehle ich, das



      " Manifest für den Frieden" zu lesen, bevor Sie urteilen.

      • @Philippo1000:

        Diese schlampig dahin geworfenen Zeilen, die Ihnen als "Manifest" gelten und Sie anscheinend sehr inspirieren, zeichnen an mehreren Stellen das Bild, die Russen seien die Bedrohten und Wir Deutschen die Leidtragenden.



        Unter großem Beifall Kanzlerkandidatin Sahra dann noch:



        "Und natürlich geht es in diesem Krieg nicht um hehre Werte, sondern darum, die Einflusszone der USA auszudehnen."



        Wie komm ich bloß darauf, dass es 40 Mio Menschen in der Ukraine um Folgendes geht: Überleben, Freiheit, Unabhängigkeit, Sicherheit. Dies als "hehre Werte" ins Abstraktum zu beamen, ist an sich schon ne Frechheit.

      • @Philippo1000:

        ...und genau deshalb unterstütze ich "dieses Manifest" nicht ! ...ja, eine Demo "Manifest für Frieden" finde ich richtig und wichtig, aber nicht so, mit einem Schmusekurs für Putin ! ...wer ist der (imperialistische) Agressor ?

    • @Vasco Schultz:

      Wie kommen Sie darauf?

  • Ich lese die EMMA nicht, aber ist die ganze Zeitschrift ihrer Herausgeberin in Sachen Russland total ergeben? Gibt es dort nicht die eine oder andere Redakteurin, die sich zB an den systematischen Vergewaltigungen in den von der russischen Armee besetzten Gebieten stört?

    • @Suryo:

      Vielleicht sollten Sie damit beginnen, das " Manifest für ddn Frieden" zu lesen.



      Gleich zu Anfang werden die Vergewaltigungen genannt und verurteilt.

      • @Philippo1000:

        Ja, im Manifest „werden Frauen vergewaltigt.“

        Diese Verbrechen geschehen aber nicht einfach irgendwie.

        Russen vergewaltigen systematisch Ukrainerinnen. Und auch Männer und Kinder. Das sind konkrete, echte Verbrechen von echten Menschen an echten Menschen und nicht einfach abstrakte „Geschehnisse im Krieg.“

      • @Philippo1000:

        Haben Sie es nicht zuende geschafft? Dem Lippenbekenntnis zu Beginn folgen die üblichen Darstellungen von Russland als Opfer. Zb von frei erfundenen ukrainischen Langstreckenraketen.

  • Guter Beitrag!



    Sehr gut im Abgang!!

  • Dass die Polizeiangaben und die Angaben der Veranstalter über Teilnehmerzahlen nicht übereinstimmen, ist die Regel.



    Sollte die Neuberechnung durch den Autor des Artikels zutreffen, ist die Demo größer gewesen, als die Gewerkschafts- und FFF - Demo zusammen?



    Das wäre immerhin bemerkenswert.

  • Danke TAZ für die Recherche und Richtigstellung.



    Das Schwarzer-Blatt hat den Mund mal wieder etwas zu voll genommen, was die Teilnehmerzahlen betrifft: damit erreiche „die Manipulation der Fakten einen einsamen Höhepunkt“.



    Philosophin die eine, Journalistin die andere, beide haben es halt nicht so mit den Zahlen.



    Schwarzer bewies das ja schon mal vor ein paar Jahren, mit ihrem Konto in der Schweiz und der nichtgezahlten Steuern. Die Selbsanzeige kam gerade noch rechtzeitig, um eine Strafe zu umschiffen

  • Zwischen 22.000 und 29.000 ist schon eine recht respektable Zahl. Dass viele (auch öffentlich-rechtliche) Medien die von der Polizei in Umlauf gebrachten 13.000 übernommen haben, ist für eine Demo auch nichts groß überraschendes, so war das in der Vergangenheit schon oft. Der Spruch mit der "größten Friedensdemo seit vielen Jahren" ist natürlich albern.

    • @Agarack:

      Ich hab des Zahlengrangel ned aktiv verfolgt; es wurden aber immer "nach Polizeiangaben" erwähnt und meist auch die Zahlen der Veranstalter.

  • Das erinnert mich an die Inauguration von Donald Trump, bei der auch mehr Menschen anwesend waren als bei der von Barak Obama. Jedenfalls laut den Aussagen von Trump.

    • @K.M.:

      Das war die Geburtsstunde der Alternativen Fakten.

  • Wenn das stimmen sollte dass ca. 26.000 dabei waren dann frag ich mich schon warum die Polizei nur auf 13.000 kommt.



    Die Angaben der Polizei sollten doch seriöser sein als die von Frau Schwarzer.

  • Und was sich auch ohne tool ermitteln lässt: keine (keine!) Ukraine-Fahne war auf der Demo zu sehen. Und das war keiner begrüßenswerten Ablehnung von Nationalbeflaggung geschuldet, denn RU-Fahnen gab es reichlich. Das Land also, dessen Frieden durch verbrecherische Grausamkeit zerstört wird, war also kein Thema auf dieser "Frieden"sdemo.



    Achja, doch: als Marionette westlicher Aggression.

  • Danke für diesen sachlichen Artikel. Er zeigt: Es ist normal, dass die Zahlen von Veranstaltern und Polizei auseinanderliegen, das ist bei fast jeder Demo schon immer gewesen und hat nichts mit "alternativen Fakten" von Wagenknecht und Co zu tun. Die Wahrheit liegt oft in der Mitte. Etwas weniger Aufgeregtheit rund um diese Demo wäre schön.

  • Die Wagenknechte denken halt in alternativen Fakten

  • Danke für den Faktencheck!

    • @Grenzgänger:

      ebenfalls danke.

  • Dafür dass zwei Frauen aus den hinteren Reihen der Politik hinter der Demo stehen, erhält sie aber viel Aufmerksamkeit...

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Und ich dachte, das freut Sie.

      • @Jim Hawkins:

        Warum?

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Ich dachte, Sie wären ein Fan von den beiden.

          Oder nicht?

          • @Jim Hawkins:

            Von Frau Schwarzer nie und Frau Wagenknechts Äußerungen zum Thema Corona waren auch zu daneben.

            PS: Haben Sie eine Liste mit den eingebildeten Vorlieben der anderen Kommentatoren?

            • @warum_denkt_keiner_nach?:

              OK, dann nichts für ungut.

              Ich werde das entsprechend auf meiner Liste ändern.

              • @Jim Hawkins:

                Nicht jeder, der Russland liebt, liebt auch Wagenknecht ;)

                • @Suryo:

                  Nicht jeder, der Russland nicht liebt, liebt die Ukraine. 😉

                  Wobei. Die Länder sind schön. Wenn nur die Politik nicht wäre...

              • 9G
                95820 (Profil gelöscht)
                @Jim Hawkins:

                Hat was von Odysseus - "Der Listenreiche"



                www.projekt-gutenb...echen/chap010.html

              • @Jim Hawkins:

                Sie könnten die Liste auch einfach wegwerfen 😉

  • Das ist mal ein Artikel, der mich rundherum glücklich macht.



    Unschnörkelig geschrieben, voller nachvollziehbarer Fakten und mit einem wunderbaren Tritt in die richtige Richtung ;)

    • @Nivael:

      Die Lust am "wunderbaren Tritt in die richtige Richtung" ist in diesen Kommentarbereichen inzwischen ja Mode. Aber unter den nächsten fünf Artikeln zum Thema "Schwarzer doof, Wagenknecht doof" wird das auch nicht anders sein.

      • @Agarack:

        Oh ja. Und was die "Richtige Richtung" betrifft, hier mal ein Zitat aus dem Grundgesetz:

        "von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, "

        • @Kartöfellchen:

          Ohne Waffenlieferungen an Ukraine würde der Krieg aber trotzdem weiter gehen.

          • @h3h3y0:

            Nur stellt sich die Frage, wie lange und was der Bevölkerung dann blühen würde. Die mit unserer Hilfe gestärkte ukrainische Armee sieht ihre ureigenste Aufgabe zu Recht darin, die eigene Bevölkerung vor den unbeschreiblichen Gräueln (siehe Butscha) zu beschützen - und dabei auch noch den russischen Angriffs-Krieg einzugrenzen, soweit es denn geht und es unsere Waffenhilfe zulässt.

            Eine Einstellung der Waffenhilfe würde auf kurze Sicht wohl Frieden schaffen - russisch hohnlachenden und chinesisch zufrieden lächelnden Friedhofsfrieden - und das nicht nur für die Ukraine.

            Die Teilnehmerzahlen an dieser Egomanenshow sind aus meiner Sicht ein Versuch, eine "unübersehbare machtvolle Demonstration eines Volkswillens" über die Medien in den Rest von nur mal eben immer noch 84 Millionen an deutscher Rest- Bevölkerung hineinzutragen. Wenn ein Anteil von rund einer dreiviertel Million Manifest-Unterzeichnern zuzüglich schweigender Sympathisanten zusammengezählt werden, ergibt sich immer noch eine ziemlich breite Zustimmung der Bevölkerung zu weiteren Waffenhilfen an die Ukraine.

            Manchmal sind Waffen notwendig, um einem skrupellosen Aggressor Einhalt zu gebieten und ihn zu fairen, für beide Seiten gleichberechtigten Verhandlungen zu bewegen. Ungeachtet gleichzeitig hinter den öffentlichen Kulissen ohne große Bühne laufender Gesprächsbemühungen...

            Sarah Wagenknecht - was für eine Enttäuschung, sich mit Scheuklappen so vor einen Propagandakarren spannen zu lassen. Ich habe sie ungemein überschätzt.

      • @Agarack:

        Nun, das allein hängt von den beiden ab!