Sanierungsplan der Deutschen Bahn: Umstrittene Schienen-Strategie
Weniger Personal, aber mehr pünktliche Züge – so will der Vorstand die Bahn fit machen. Jetzt fordert der Aufsichtsrat konkretere Pläne.
„Die Sanierung von Infrastruktur und Betrieb sowie die wirtschaftliche Erholung des Unternehmens sind klar formulierte Ziele, um den Konzern wieder auf Kurs zu bringen“, sagte Werner Gatzer, der Vorsitzende des Aufsichtsrates. Bis zur nächsten Ratssitzung im Dezember müsse der Vorstand jedoch eine „Konkretisierung des Gesamtprogramms“ vorlegen, vor allem im Bezug auf die Budget- und Zeitplanung.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte vor zwei Wochen öffentlich gemacht, dass die DB ein Sanierungskonzept ausarbeiten muss. Dieses Konzept legte der Bahnvorstand nun am Mittwoch dem Aufsichtsrat vor. „S3“ heißt es, denn es soll den Konzern in drei Jahren auf zentralen Feldern fit machen: im Betrieb, in der Infrastruktur und der Wirtschaftlichkeit.
Laut der Süddeutschen Zeitung steht auf den insgesamt 110 Seiten unter anderem, dass die Deutsche Bahn 2027 bei 2 Milliarden Euro Gewinn landen soll. 75 bis 80 Prozent der Züge sollen dann pünktlich kommen (im Juni 2024 waren es 62 Prozent). Um Personalkosten zu sparen, wolle Bahnchef Richard Lutz bis 2027 10.000 bis 15.000 Vollzeitstellen streichen, mehr als 15.000 weitere Stellen sollen bis 2030 wegfallen. Und: Lutz plane, weniger ICEs in Reserve zu halten, um auch hier Kosten zu sparen.
Sanierungskonzept „S3“ stößt auf Kritik
Kritiker warnen, dass das Sanierungskonzept so nicht aufgehen könne. „Dass Verkehrsminister Volker Wissing sich hinter die Pläne des Bahnmanagements zur Kürzung von 30.000 Stellen stellt, ist ein verheerendes Signal an die Beschäftigten der Bahn, die den Laden noch irgendwie am Laufen halten“, sagte Bernd Riexinger, der verkehrspolitische Sprecher der Linken im Bundestag, der taz. Mit weniger Personal eine bessere Bahn zu erreichen, werde nicht funktionieren.
Der ökologische Verkehrsclub VCD machte deutlich, dass jeder Sanierungsplan zum Scheitern verurteilt sei, wenn die Bundesregierung nicht mehr Geld in die Schiene steckt. „Der Bund muss das Sanierungsprogramm finanzieren, sonst sind die schon lange aufgestellten Ziele nicht erreichbar“, sagte der VCD-Bundesvorsitzende Matthias Kurzeck. Sein Vorschlag: eine dauerhafte zuverlässige Finanzierung in Form eines mehrjährigen Fonds für die Bahninfrastruktur. An Reservezügen zu sparen hält der VCD-Vorsitzende Kurzeck für falsch: „Das würde die Pünktlichkeit nicht steigern, sondern im Gegenteil zu mehr Verspätungen und Zugausfällen führen.“
Viele der Punkte, die die SZ aus dem Sanierungskonzept zitiert, sind schon aus dem fünf Jahre alten Vorgänger von „S3“, der Strategie „Starke Schiene“ bekannt. Die darin gesetzten Ziele verfehlte die Bahn dieses Jahr krachend. Bundesverkehrsminister Wissing zeigte sich am Mittwoch trotzdem optimistisch, dass es diesmal, mit dem neuen Konzept, klappt. Im ZDF-„Morgenmagazin“ sagte er, der DB stehe für die nächsten Jahre genug Geld zur Verfügung. „Die Bahn hat jeden Cent, den sie braucht, um die Dinge zu verbessern.“ Weitere finanzielle Unterstützung stehe erst nach 2027 wieder zur Debatte.
49-, 59- oder 64-Euro-Ticket
Unsicherheit herrschte am Mittwoch noch bei einem weiteren Thema unter Wissings Ägide. Wie viel das Deutschlandticket ab Januar 2025 kostet und ob es überhaupt teurer werden muss, steht immer noch nicht fest. Das bayerische Verkehrsministerium stellte vor Kurzem 64 Euro in den Raum, der Fahrgastverband Pro Bahn hält mittelfristig 59 Euro für wahrscheinlich. Jetzt haben sich Verbände erneut dafür ausgesprochen, dass der Preis des Nahverkehrsabos stabil bei 49 Euro im Monat bleibt.
„Ein attraktiver ÖPNV – und dazu zählt auch das Flatrate-49-Euro-Ticket – ist Bestandteil der Daseinsvorsorge“, teilte die Initiative Bürgerbahn mit. Diese Vorsorge müsse aus den öffentlichen Haushalten finanziert werden, weder der Bund noch die Länder dürften sich aus der Verantwortung stehlen. „Das Deutschlandticket preislich unattraktiv zu machen, bedeutet nichts anderes, als ein super erfolgreiches Produkt wie das Ticket langsam auf das Abstellgleis zu schieben“, sagte Heiner Monheim, der Sprecher der Initiative.
Die Bundesregierung und die Verkehrsminister:innen der Länder hatten sich im Frühjahr nach langem Ringen darauf geeinigt, den Preis von 49 Euro bis Ende 2024 zu sichern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin