SPD-MinisterInnen der neuen Regierung: Solide, mittig, rational
Karl Lauterbach ist der einzige künftige SPD-Minister, der nicht in Scholz’ Anforderungsprofil leiser Mitarbeit passt. Die Erwartungen an ihn sind riesig.
D ie Riege der SPD-MinisterInnen mag einige überraschen. Wer hatte schon damit gerechnet, dass die Juristin Christine Lambrecht sich künftig mit der Bundeswehr herumschlagen muss? Auch Nancy Faeser, die Innenministerin wird, hatte kaum jemand auf dem Zettel. Und die meisten hätten gewettet, das Svenja Schulze Bauministerin wird – und nicht Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Diese Liste kann man verlängern. Aber das führt in die Irre. Denn die Besetzung der SPD-Posten im Kabinett ist nur auf den ersten Blick erstaunlich. Sie entspricht passgenau dem, was von Olaf Scholz als Kanzler zu erwarten ist: mittige Politik, solides Handwerk.
Die SPD hat nicht zufällig jene Ministerien für sich reklamiert, in denen es um Sicherheit geht: Innen, Verteidigung und Arbeit und Soziales. Das entspricht dem Profil, das die Scholz-SPD will. Sie ist für Verlässlichkeit und Risikominimierung zuständig. Nicht nur die Auswahl der Ministerien, auch die Besetzung atmet diesen Geist: lieber solide als charismatisch. Deshalb hat Lambrecht, robust und professionell, den schwierigsten Job – nämlich das Verteidigungsministerium möglichst skandalfrei zu managen.
Das Kabinett wird, wie von Scholz angekündigt, quotiert sein. Sieht man davon ab – ein funkenschlagender Aufbruch ist die Besetzungsliste nicht. Einige verdanken ihren Job Scholz’ Sympathie, die meisten Erfahrung und Zuverlässigkeit. Nummer sicher eben.
Das folgt einem nüchtern abwägenden, rationalen Kalkül. Diese Regierung hat mit Annalena Baerbock eine sehr gesinnungsstarke und sehr unerfahrene Außenministerin. Bei Finanzminister Christian Lindner wäre die größte Überraschung, wenn es mit ihm keine böse Überraschung geben würde. Und beim Schlüsselprojekt der Ampel, dem vor allem von Robert Habeck verantworteten klimaneutralen Umbau, werden gewiss die Fetzen fliegen.
Für Glamour und Katastrophen werden in der Ampel also FDP und Grüne sorgen. Die SPD hat es lieber solide und unauffällig. Scholz folgt darin seiner Vorgängerin Angela Merkel. Die holte ungern Stars in ihre Regierung und umgab sich im Kabinett lieber mit loyalen, etwas farblosen Fachkräften.
Empfohlener externer Inhalt
Die einzige Überraschung ist, dass Karl Lauterbach Gesundheitsminister wird. Er passt eigentlich nicht in Scholz’ Anforderungsprofil geräusch- und störungsfreier Mitarbeit. Lauterbach ist Arzt, Pandemieexperte und ein Star – jedenfalls außerhalb von SPD und Fraktion.
Es ist ein gutes Zeichen, dass Fachkompetenz und mediale Wirksamkeit keine Knock-out-Kriterien für einen Ministerjob sind. Bei Lauterbach ist damit die Fallhöhe am höchsten. Die große Reform, die Bürgerversicherung, wird mit der Ampel nicht kommen. Das Dickicht der Lobbyinteressen ist in der Gesundheitsbranche besonders undurchdringlich. Und viele erwarten, dass Lauterbach die Pandemie in den Griff bekommt. Die Erwartung ist riesig. Das Risiko zu scheitern auch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“