Rüstungshilfe für die Ukraine: Was Lambrecht sagt und was sie tut
Die Verteidigungsministerin gerät zunehmend unter Kritik. Mit ihrer Haltung zu Waffenlieferungen an Kiew ist sie in ihrer Partei aber nicht allein.
D ass sie einmal Deutschlands oberste Waffenlieferantin sein würde, hätte sich SPD-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht wohl kaum je erträumt. 2020 als Ministerin kündigte sie noch an, wieder in ihren Traumjob als Anwältin zurückkehren zu wollen. Die Union, die sich nun auf Lambrecht eingeschossen hat, ist mittlerweile der Meinung, dass sie als Anwältin besser aufgehoben wäre. Lambrecht als Verteidigungsministerin sei eine Fehlbesetzung.
Kritik an der Regierung gehört zu den Pflichtaufgaben der Opposition. Brisant ist jedoch, dass auch der Koalitionspartner die Verteidigungsministerin kritisiert. Viel zu lange dauerten die Waffenlieferungen, urteilte der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour. Das saß. Scholz stellte sich im Bundestag zwar vor Lambrecht. Die miese Performance der Verteidigungsministerin konnte er nicht korrigieren.
Lambrecht steht für die Verdruckstheit der Bundesregierung in Sachen Hilfeleistung, und sie agiert dabei besonders ungeschickt. Die rot-grün-gelbe Bundesregierung ist zerrissen zwischen der moralischen Empörung über Russlands Krieg und dem nüchternen Schutz nationaler Interessen. Nur nicht zu sehr zur Kriegspartei werden, das ist der Wunsch, und die Sorge um die Wirtschaft lässt die Koalition zögern vor dem Boykott russischen Öls und Gases.
Im Kreise von Nato und EU werden Scholz, Lambrecht und Co als Bremser:innen wahrgenommen. Ein Umstand, den sie mit besonders entschlossener Rhetorik zu kaschieren versuchen. Bei Lambrecht ist die Diskrepanz zwischen dem, was sie sagt, und dem, was sie tut, am ausgeprägtesten. Sie spricht von „umgehend“ und „schnellstmöglich“, meint damit aber nicht die Lieferungen als solche, sondern das Prüfen von Waffenlieferungen. Und selbst das scheint nicht zu funktionieren.
So lag eine Liste der Rüstungsindustrie mit zu genehmigenden Waffenverkäufen an Kiew offenbar über Wochen unbeantwortet im Verteidigungsministerium. Und wenn Lambrecht doch mal schnelle Erfolge vermeldet, dann handelt es sich – wie zuletzt – um nicht fahrtüchtige Panzer aus NVA-Beständen, die in einer Garage in Tschechien rosten. Ein Fall für die „heute-show“.
Man kann für das Zögern der Sozialdemokraten durchaus Verständnis aufbringen. Für die SPD war der Bruch mit der Tradition als Friedenspartei heftig. Angemessen wäre allerdings, mit den Zweifeln offen umzugehen, statt fadenscheinige Gründe wie „Sicherheitsbedenken“ für das eigene Nichthandeln vorzuschieben. Mehr Transparenz und ein souveräner Umgang mit Kritik von Lambrecht, Scholz und Co wären ein guter Anfang.
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