Regierungsmodell Schwarz-Grün: Zu stark, um radikal zu sein
Immer öfter regieren die Grünen mit. Dafür gehen sie Kompromisse ein, die oft schlechter sind als nötig. Für radikale grüne Politik bleibt kaum Platz.
A b Dienstag regiert Schwarz-Grün voraussichtlich in NRW, ab Mittwoch auch in Schleswig-Holstein. Die Grünen sitzen dann an so vielen Schalthebeln wie nie: Regierungspartei sind sie im Bund und in elf Ländern, die zusammen zwei Drittel der Bevölkerung stellen. Gut, dass die Grünen den Kampf darüber, ob sie lagerübergreifende Koalitionen eingehen sollen oder nicht, inzwischen ausgefochten haben:
Mangels linker Mehrheiten können die Grünen nur flächendeckend Einfluss nehmen, wenn sie Bündnisse mit der CDU eingehen. Eine Gefahr birgt der Durchmarsch für die Partei trotzdem. Fast alle mitgliederstarken Landesverbände sind bald in Verantwortung, ein Großteil der Funktionäre ist direkt oder indirekt in Regierungsarbeit eingebunden. Das macht etwas mit einer Partei und den Menschen, die sie prägen.
Sachzwänge und Konsenssuche dominieren die politische Logik; inhaltliche Ansprüche können darüber schwinden und Kompromisse letztlich schlechter ausfallen als eigentlich nötig. Bei der Regierungsfindung im Bund sowie jetzt in Kiel und Düsseldorf hat sich das schon angedeutet – bei der Postenverteilung, bei unambitioniert angegangenen Verteilungsfragen und vagen Klimazielen.
Die knifflige Frage lautet: Wie können sich die Grünen bei all ihren Regierungsbeteiligungen Machtzentren bewahren, die die Freiheit haben, so radikal zu denken, wie es die Probleme unserer Zeit verlangen? Ein Gegengewicht zu den Regierungsgrünen können solche Zentren bilden, diesen im Ringen mit Koalitionspartnern aber auch mal zupasskommen: Als Argument dafür, warum sie sich nicht jeden Kompromiss aufschwatzen lassen dürfen.
Vorstände und Fraktionen in Bund und Ländern nehmen diese Rolle nicht ein. Parteitage sind dem erfolgreichen Spitzenpersonal gegenüber zu loyal, um auch mal nein zu sagen. Vielleicht wäre es da das Beste für die Grünen, irgendwo auch mal wieder eine Wahl zu verlieren – und zumindest ein bisschen machtlos zu bleiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken