Rechtsoffener Agrarverband: Neue „Freie Bauern“-Sprecherin gegen die Wahrheit
Die neue Sprecherin der „Freien Bauern“ ist bekannt für Esoterik. Und für ein Papst-Buch, das geklaute Texte von der taz-Satireseite als wahr verkauft.

Der rechtsoffene Landwirteverband „Freie Bauern“ bestreitet regelmäßig den wesentlichen Beitrag der Agrarbranche zur Klimakrise – und hat nun eine Pressesprecherin, die es mit der Wahrheit ebenfalls nicht sehr genau genommen hat: Esther von Krosigk ist schon durch Falschinformationen, Plagiate und Esoterik aufgefallen. Auf der Internetseite der Bauernorganisation teilte die zuletzt freiberufliche Autorin Mitte August den Verbandsunterstützern mit, dass sie jetzt „als Presse- und Öffentlichkeitsreferentin für ihre Interessenvertretung“ tätig sei.
Gemeinsam mit einem Co-Autoren veröffentlichte Krosigk Ende 2005 das Buch „Worüber der Papst lacht: Anekdoten, Aperçus und Allerlei über Benedikt XVI.“ Rund 10 der gut 80 Geschichten wurden teils wortwörtlich, teils leicht abgewandelt von der taz-Satire-Seite „die Wahrheit“ übernommen – ohne auf die Quelle und den satirischen Charakter hinzuweisen.
Die Texte waren bereits Monate vor dem Buch im April 2005 in der taz erschienen. „Sämtliche Texte waren komplett erdichtet: dass der Papst nachts heimlich Hanutas isst; dass seine Lieblingsfernsehsendung ‚Drei Engel für Charlie‘ ist; oder dass er als Student gern scherzhaft rief: ‚Habemus Kartoffelmus‘, deckte einer der „wahrheit“-Autoren, Michael Ringel, bereits 2007 und 2023 in der taz auf. Er kritisierte, dass ihre Texte „ohne Nachdruckgenehmigung“ kopiert worden seien.
Trotzdem wird Krosigks Buch bis heute zum Beispiel beim Onlineversandhändler Amazon beworben mit dem Text: „Wussten Sie, dass der Heilige Vater während besonders stressiger Arbeitsphasen nachts heimlich Hanuta aß, […] oder dass er als junger Student in der Mensa rief ‚Habemus Kartoffelmus‘?“ Krosigk nennt die Publikation immer noch im Lebenslauf auf ihrer Internetseite ein „Sachbuch“.
Ebenfalls 2005 erschien Krosigks Band mit dem Titel „Du bist nicht allein auf Erden. Wie wir alle unseren kosmischen Begleitpartner finden“. Auf dem Cover steht: „Dieses Buch wurde mit Liebesenergie durch das bekannte Medium Sylvia Douglas aufgeladen“. So preist Krosigk auch ihr Taschenbuch „Spirituelle Empfängnis. Sanfte Wege bei ungewollter Kinderlosigkeit“ an. Für Nichtesoteriker dürfte es nichts mit überprüfbarem Wissen zu tun haben, wenn ein Buch damit beworben wird, es sei von einer Person mit angeblichen Verbindungen zum übersinnlichen Bereich „mit Liebesenergie aufgeladen“.
Von 2007 bis 2012 war Krosigk laut ihrer Website Herausgeberin der Reihe „Edition Classic“ des nicht gerade als seriös geltenden Verlags VDM, sie fungierte demnach auch als Zuständige für „Global Communication“ des Unternehmens. Dieses war unter anderem dafür bekannt, teure Bücher fast ausschließlich mit Inhalten des freien Onlinelexikons Wikipedia zu füllen. Mehrere Medien und Verbraucherschützer warfen VDM vor, „Mogelpackungen“ zu viel zu hohen Preisen zu verkaufen.
Auf die Bitte der taz um Stellungnahme zu den Vorwürfen antworteten Krosigk und Freie-Bauern-Geschäftsführer Alfons Wolff: „Wir werden uns inhaltlich mit Ihrer verzerrten und teilweise schlicht falschen Form der Darstellung vermeintlicher Fakten in dieser Weise nicht inhaltlich auseinandersetzen.“ Was sie an der „Form der Darstellung“ für falsch halten, führten sie nicht aus.
Der Verband ist nicht nur wegen seiner Pressesprecherin umstritten. 2024 verlor er eine Klage gegen die Agrarsoziologin Janna Luisa Pieper, die ihn als „rechtspopulistisch“ bezeichnet hatte. Die Freien Bauern stellen sich als „unpolitisch“ dar, obwohl sie agrarpolitische Forderungen aufstellen. Pieper argumentierte, gerade auch solche Themen könnten „rechtspopulistisch bearbeitet und kommuniziert werden“. So hätten die Freien Bauern in einer Pressemitteilung erklärt, in „der gegenwärtigen Agrarpolitik würden sich fast ausschließlich die weltfremden Ideologien einer selbstgerechten liberalen Oberschicht widerspiegeln“.
In einer anderen Pressemitteilung sei von „Brüsseler Bürokraten“ die Rede, die „als grüne Ideologen“ einen „Vormachtsanspruch“ und das Ziel einer „schleichende[n] Enteignung“ verfolgten. Der rechtspopulistische Influencer Anthony Lee konnte in einer Rede bei einer Demo der Freien Bauern Mitte Januar 2024 in Berlin Politiker im Reichstag als „die da drüben in dem Affenkäfig“ schmähen und die falsche Behauptung verbreiten, Deutschland zahle „10 Milliarden Euro für den Aufbau eines Katasteramts in Kolumbien“.
Bei einem Bauernprotest im Januar 2024 in Berlin tolerierte die Gruppe ein Banner mit einer rechtsextremen Aufschrift „Eure Demokratie ist unser Volkstod“. Zudem ließ sich ein führender Funktionär des Verbands auf Vorschlag der rechtsextremen AfD als Sachverständiger in den Bundestag einladen; dabei verfolgten beide teils die gleichen Ziele, zum Beispiel die Umsetzung der 2021 geplanten Reform der EU-Agrarsubventionen in Deutschland zu verhindern. Bei einer Demonstration der Freien Bauern im Februar 2024 in Hannover durfte ein AfD-Politiker auf der Bühne sprechen.
Verschwörungsmythen zu Migration
Bei einer Kundgebung im vergangenen März stellte ein Redner der Organisation Umweltverbände auf eine Stufe mit Inquisitoren und Hexenverbrennern. Die Gruppe bestreitet, dass die Treibhausgasemissionen des Landwirtschaft „in relevanter Größenordnung zum Klimawandel beitragen“. Mitte 2023 waren führende Freie Bauern maßgeblich an einer Veranstaltung mit Klimawandelleugnung, Verschwörungsmythen zu Migration und Parolen gegen Gendern beteiligt. Außerdem formulierte der Verband agrarpolitisch radikale Forderungen wie, „alle seit 2017 in Kraft getretenen Auflagen zu Düngung, Pflanzenschutz und Nutztierhaltung auszusetzen“.
Dennoch wird die Organisation vom SPD-geführten Brandenburger Agrarministerium „wie jede andere Interessenvertretung“ behandelt. „Wir sind in regelmäßigen Gesprächen, sie werden bei Stellungnahmen beteiligt und sie werden zu Terminen eingeladen“, schrieb ein Sprecher der Behörde der taz.
Auch das Landwirtschaftsministerium von Sachsen-Anhalt unterhält nach eigenen Angaben zu den Freien Bauern „wie zu allen anderen Verbänden einen regelmäßigen Kontakt.“
Das Bundesagrarministerium von Alois Rainer (CSU) ließ die Frage der taz auch nach mehreren Tagen und bis Redaktionsschluss unbeantwortet, ob es Kontakte zu der Gruppe pflegt.
Die Freien Bauern, die als nicht gemeinnützige GmbH organisiert sind, hatten nach eigenen Angaben Ende März 2024 nur 1.900 „Mitglieder“, während es in Deutschland 260.000 Agrarbetriebe gibt. Sie werden aber immer wieder in Medien unkritisch zitiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert