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Rechte Drohung in BurgSpreewald-Lehrkräfte wollen weg

Zwei Leh­re­r:in­nen prangerten im Frühjahr rechtsextreme Vorfälle an ihrer Schule in Burg an. Nach Drohungen verlassen sie nun die Gemeinde.

„Vielfalt statt Einfalt“: Die Lehrkräfte auf einer Demo in Cottbus im Mai 2023 Foto: Patrick Pleul/dpa

Berlin taz | Am Ende war die Situation wohl nicht mehr erträglich. Zwei Leh­re­r:in­nen der Grund- und Oberschule Burg im Spreewald, Brandenburg lassen sich versetzen, nachdem sie im Frühjahr auf rechtsextremistische Vorfälle an ihrer Schule aufmerksam gemacht hatten.

Vergangene Woche noch waren die beiden Lehrkräfte Laura Nickel und Max Teske mit dem „Preis für Zivilcourage gegen Antisemitismus, Rechtsradikalismus und Rassismus“ des Förderkreises „Denkmal für die ermordeten Juden in Europa“ geehrt worden.

Am Mittwoch dann zogen sie die Reißleine. Zuvor hatte ein Instagram-Account zur Jagd auf die beiden aufgerufen. Auch offline wurde gehetzt: In Burg hingen laut Polizei am Mittwoch rund dreißig Aufkleber, die ein Foto der Leh­re­r:in­nen zeigen. Darauf der Schriftzug: „Pisst euch nach Berlin“.

Ende April hatten Teske und Nickel einen zunächst anonymen Brandbrief verfasst. Darin prangerten sie an, dass Hitlergrüße und rechtsextreme Musik in der brandenburgischen Schule zum Alltag gehörten. Ein Schüler habe im Unterricht „Arbeit macht frei“ gerufen. Wer sich gegen die rechten Auswüchse positioniere, werde bedroht oder ausgegrenzt. Das bewahrheitete sich wenige Tage später, als drei Personen, die der Neonazi-Kleinstpartei „Der Dritte Weg“ zuzuordnen waren, vor der Schule aufmarschierten.

Versprochen wurde viel, passiert ist wenig

Anfang Mai gaben sich die beiden Leh­re­r:in­nen dann auf einer Demonstration vor dem Cottbusser Schulamt zu erkennen. „Wir reichen Ihnen die Hand“, sagten sie in Richtung von Uwe Mader, der das Amt leitet. Das Landesbildungsministerium unter dem damals frisch vereidigten Minister Steffen Freiberg (SPD) führte Gespräche mit den Beteiligten vor Ort und bestätigte die Vorwürfe. Die Lehr­kräfte der Schule in Burg sollten gecoacht werden, die Schulleitung gelobte Besserung. Es schien, als hätte die Courage wirklich etwas angestoßen.

Doch passiert ist: herzlich wenig. „Nichts, ganz einfach nichts kommt“, sagte Max Teske vor wenigen Wochen der Presseagentur dpa. Ein Gespräch mit Steffen Freiberg sei auch acht Wochen nach Bekanntwerden der Vorfälle nicht zustande gekommen, es gebe weder richtige Maßnahmen noch Ziele. Freiberg erklärte nun am Donnerstag, er habe „persönlich seine Unterstützung“ angeboten; zudem prüfe das Schulamt Cottbus Strafanzeigen. Weder die Schule noch das Amt antworteten bislang auf Anfragen der taz.

Kürzlich schrieben Eltern einen Brief an die Schulleitung. Doch statt die Leh­re­r:in­nen zu unterstützen, forderten sie aufgrund deren „Ideologie“ die Entlassung. „An dieser Stelle haben die Rechten gewonnen, weil es ein Staatsversagen gab“, urteilte Sebastian Walter, Fraktionsvorsitzender der Linken im Brandenburger Landtag.

Am Ende steht wieder einmal die Frage: Wie konnte es so weit kommen? Aber vielleicht wurde der Schuss ja doch gehört. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) forderte „klare Kante gegen Rechtsextremismus“. Das sei „Heimatschutz für Brandenburg“.

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24 Kommentare

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  • Besonders spannend finde ich den Vorwurf der „Ideologie“. Ich kenne das vom platten Land in Westdeutschland, zunächst vonseiten der CDU und FDP, in denen sich Nazi-„Mitläufer“ verhältnismäßig ungestört austoben konnten (allerdings wurden sie eingehegt, wenn sie es zu toll trieben oder einen herausgehobenen Posten beanspruchten!) Diese richteten ihn gegen die Sozialisten von der SPD (früher gab es die wirklich ...)



    Seit den späten 80ern traf er dann verstärkt die Grünen, die im Verdacht standen, allesamt irgendwelchen K-Gruppen zu entstammen. Inzwischen wird der Vorwurf ziemlich undifferenziert gegen auch wirtschaftlich „vernünftige“ und „mittige“ Forderungen der Grünen, selten der Linken oder der SPD, angewandt.



    Worauf ich hinauswill: Die Neonazis und Proto-Faschisten haben sich das nicht ausgedacht, sondern von den Reaktionären und Chicago Boys in Union und FDP abgeschaut! Wann reagieren Merz und Lindner endlich? Es reichte ja offenbar nicht einmal aus, dass ein Politiker der CDU ermordet wurde!

  • So weit hat die Politik also der rechtsextremen Hegemonie in manchen Gegenden bereits Raum gegeben, dass Leute, die Hitlergrüße und Nazisprüche problematisieren, als "Ideologen" gelten, während die rechtsextremen Einstellungen und Verhaltensweisen anscheinend das neue Normal sind.

  • Dass Kollegen die mutigen Lehrer nicht öffentlich unterstützen und die Schulleitung den Kopf einzieht, statt zu versuchen, die Lage an der Schule transparent zu machen, ist das Schlimmste.



    Der zuständige Minister spult die übliche Betrofffenheitsrhetorik ab, statt sich mit den mutigen Lehrern sofort zu treffen und deutlich zu machen, dass er deren Kritik ernst nimmt.

  • Wird eigentlich bei Hitlergruß ermittelt? Das Foto zeigt doch alle beteiligten Schüler sehr deutlich, wieso wird gegen diese nicht ermittelt? Ist diese Begrüßung wieder legitim, demnächst auch im Bundestag? So werden diese verfassungsfeindlichen Parallelgesellschaften immer mehr salonfähig!

    www.youtube.com/watch?v=FHnocqUya48

    • @Hannah Remark:

      U14 Jahre vielleicht?

      Viel wichtiger ist doch eine Stärkung der Schule in der Arbeit mit solchen Kids.

  • Der Staat ist nur stark, wenn er Klimakleber entfernt.

    • @Maria Burger:

      Dann ist ja auch der klimaschädliche Kapitalismus in Gefahr, und nicht wie in Brandenburg, "nur" die Demokratie. Ja, es wird immer verrückter in diesem Land. Harmlose Klimaschützer werden kriminalisiert, während das braune Gesocks sich unbehelligt immer mehr ausbreiten darf.

  • was faselt dieser Woidke von "Heimatschutz" anstatt zu schnallen dass genau der gewonnen hat.

    was versteht man in Brandenburg unter Demokratie - das Volk (Blut) herrscht (von Herrenmensch).

    Freiheit ist dort wo keine Heimat ist!

    wäre gut wenn dortige Schulen keine Pädagoginnen mehr finden ... einfach mit Brandenburger Landesmitteln Schulen in Berlin bauen und Schüler*innen in den Bus setzen ...

    Solche deutsch Wichs Käffer haben keinerlei Förderung verdient

    und wir brauchen ja auch mehr Pädagog*innen / Schulen in Berlin ... einfach leerstehende Anlageimmobilien für Wohn- und Bildungsbedarf umfunktionieren ...

    • @LuckyLulu :

      👍👍

  • @KÖNIG LUDWIG

    Ja, klar. Und Höcke ist ein Ossi.

    Nein, auch im Westen hat es schon immer neofaschistische Nester (z.B. [1]) gegeben (auch an die Wehrsportgruppe "die wolln nur spüi'n" Hoffman sei erinnert, und an den entsetzlich laschen Umgang der westdeutschen Behörden damit (die monomanisch auf Antikommunismus getrimmt waren und sind).

    Dass diese Ideologien in der Breite im Osten derzeit besser Fuss zu fassen scheinen stimmt zwar wohl (und über die Gründe ist viel spekuliert worden), aber die harten Kerne gab und gibt es in West wie Ost.

    [1] taz.de/!1790511/

  • Zivilgesellschaft adé. Keiner vermisst sie. Dort- also ich schon.



    Das Problem ist nicht die StA, sondern die Gruppendynamik, die die Faschisten ausüben können - eine Mehrheit lässt sich von ihnen beeinflussen und beeindrucken.

  • 6G
    678409 (Profil gelöscht)

    Nach der Wende hat ein ehemaliger Beamter der Polizei der DDR unsere Politiker gewarnt, dass sich hinter dem antifaschistisches Wall die Nazis breit gemacht haben.

    Unsere Politiker haben lieber das Narrativ der SED Bonzen gehört. Nazis in der DDR? Gibt es nicht. Auf wen haben CDU/CSU und FDP gehört??? 3 Mal dürft ihr raten.

    Man hätte so viel tun können, direkt nach der Wende. Die blühenden Landschaften sind wohl verwelkt.

    taz.de/Exit-Gruend...-der-DDR/!5665867/

    www.deutschlandfun...tierender-100.html

    Heute redet die gleiche Partei von einer Brandmauer gegen rechts. Auch hinter dieser Mauer haben sich Nazis es gemütlich gemacht und werden von ihren Thüringer Kollegen, vermutlich nicht viel besser, geschützt.

  • In der FAZ sind noch mehr schreckliche Details zu lesen. Die Cottbuser AfD spielt eine Rolle. Deren Statement, der "linksradikale Denunziant" und seine "Genossin" seien weg, folgte Jubel eines AfD-Anhängers: "Schule wieder sauber". Der Spruch an der Wand war gegendert ("'pisst euch nach Berl*in"). www.faz.net/aktuel...hule-19031109.html



    Auch im DLF-Radio hat man noch Details berichtet. Die Schulbehörden sagen, gegen "externe Bedrohungen" seien sie machtlos, nur in der Schule hätten sie eine Handhabe. Die AfD fordert im Landtag Disziplinarmaßnahmen gegen die beiden Helden, der Kultusminister hat aber versprochen, das werde nicht passieren.



    Und der Dritte Weg kooperiert mit der ukr. Asow-Bewegung.

    • @Günter Picart:

      Danke für die zusätzlichen Details, aber nicht nett, dass Sie die Gelegenheit gleich dazu nutzen, hintenram der Ukraine eins reinzuwürgen. Ihre Asow-"Bewegung" ist eine politische Kraft, deren Kleinpartei bei den letzten Wahlen etwa 2,6 % geholt hat.

  • Oh je, ich kann die beiden verstehen. Ich wäre da längst weg gegangen.

  • 6G
    675670 (Profil gelöscht)

    Vorwürfe im April. Mitte Juli „prüft das Schulamt Strafanzeigen“. Typisch Schulbehörde, diese Trödelei, würde ich sagen.

  • Es scheint eine neue Entnazifizierung ist angesagt. Diesmal aber ohne ein paar heimliche Bündnisse und zugedrückte Augen. Ich weiß schon, warum ich die alte Grenze so umgern überquere. Ja, die Mauer in den Köpfen gibt es noch. Vor allem bei denen im Osten, die ihre Käffer nie verlassen und der alten Zeit nachtrauern...auch wenn sie sie nur aus Geschichten kennen. Das war kein antikapitalistischer Schutzwall, sondern hat uns vor den alten und neuen Nazis geschützt.



    Ja, gibt natürlich auch viele nette Menschen dort und rechte Säcke hier, nur die Häufung und die fehlende Gegenwehr ist dort sehr eklatant.

    • @Hefra1957:

      @HEFRA1957

      "Es scheint eine neue Entnazifizierung ist angesagt."

      Wie stellen Sie sich diese Entnazifizierung bei Schülern vor?

  • Das wird den Ruf der Schule nicht fördern und ist wohl auch gut so. Eine Schule mit schlechten Ruf wird weder Lehrkräfte noch Schüler*innen begeistern. Dann strengt euch mal an, damit euer Ruf besser wird!

    • @uffbasse:

      Die Meinung der "verschwulten Vergenderten", "Klimalügner", "Covid-Hysteriker" usw ist diesen Leuten aber mal so was von scheißegal.

      Ein "schlechter Ruf" bei der Zivilgesellschaft ist in den Augen der Neofaschisten ein Lob.

      Und praktische Konsequenzen hat es auch nicht. Die rechten Netzwerke sind dank 16 Jahren Wegschauen unter Merkel und ihren nazifreundlichen Kumpels Maaßen, De Maiziere und Seehofer organisiert und finanzstark genug, um noch dem Dümmsten und Verrohtesten eine Pespektive zu bieten.

      "Wer kein Hemd mehr hat, kann immer noch das Braunhemd anziehen" - in weiten Teilen Ostdeutschlands, aber auch mancherorts in Baden-Württemberg usw, ist das die Realität.

  • Chapeu ! Chapeu ! Chapeu !

    Das ist ja mal eine vorzeigbare Glanzleistung der dort regierenden Politiker:innen.

    Was wird da wohl als nächstes passieren ?

    Häuser abgefackelt ?



    Linke verbrannt ?

    Man darf gespannt sein.

    OK. Rund 4000 Einwohner sind jetzt eher ein Fliegenschiss.

    Und SPD+CDU zusammen stellen noch nicht mal ein Drittel der Gemeindevertreter.

    Aber: Welche Polizeidienststelle ist denn da zuständig?



    Welche Staatsanwaltschaft ?

    Die wahren Versager sollten wohl eher dort zu finden sein.

  • Ein Offenbarungseid und ein unglaublicher Skandal, diese beiden mutigen Pädagogen im Nazi-Regen stehen zu lassen.

    Das Schlimme an der Situation dort ist die, dass die offensichtliche Hegemonie der Nazis eine mehrgenerationelle ist. Die Generation aus den "Baseballschlägerjahren" ist erwachsen geworden und hat sich, zumindest teilweise, als Unternehmer oder Handwerker etabliert und gibt ihr braunes Gedankengut direkt an ihre Plagen weiter.

    Da wirkt die Forderung von Woitke mit der "klaren Kante" lächerlich, wenn es nicht so bitter wäre.

    • @Jim Hawkins:

      Ja, da werden Sie leider recht behalten.

  • Unglaublich, dass die Politik und Staatsanwaltschaft offensichtlich nicht eingreift.



    Staatsversagen ist noch höflich formuliert. Durch das Nichtstun, wird den rechten die Hand gereicht zum Weitermachen... unglaublich! Strafanzeige sofort!