RBB-Talk mit Anna Dushime: Lächle alles weg
In ihrer neuen Talkshow „Der letzte Drink“ möchte Anna Dushime mit Roberto Blanco über Rassismus und Sexismus reden. Das gestaltet sich schwierig.
![Anna Dushime und Roberto Blanco an der Bar Anna Dushime und Roberto Blanco an der Bar](https://taz.de/picture/6636999/14/34013465-1.jpeg)
Auf der linken Seite einer Hotelbar in Berlin sitzt die 35-jährige Journalistin und Moderatorin Anna Dushime. Als Kolumnistin für die taz schrieb sie immer wieder über ihre eigenen Diskriminierungserfahrungen als Schwarze Frau in Deutschland.
Ihr gegenüber sitzt der 86-jährige Roberto Blanco, der unter anderem mit seinem Hit „Ein bisschen Spaß muss sein“ von 1973 berühmt wurde. Der in Tunis als Sohn kubanischer Eltern geborene Entertainer ist der erste und einzige Musiker, der es in dem weißesten aller Musikgenres, dem deutschen Schlager, geschafft hat, sich als Instanz zu etablieren.
Das Konzept der Talkshow ist simpel. Zwei Menschen, die sich an einer Bar unterhalten. Dabei werden vom Barkeeper Cocktails angereicht. Das fürs Fernsehen ungewöhnlich schlichte Format passt sich ausnahmsweise den Interessen des jüngeren Publikums an. Denn der anhaltende Hype rund um Laberpodcasts zeigt: Wir haben Lust auf gute und lockere Gespräche, ohne viel drumherum.
Doch ganz so locker, wie sich das die Moderatorin möglicherweise gewünscht hat, wird es dann leider nicht: „Welchen Ratschlag würdest du deinem 11-jährigen Ich geben?“, fragt Dushime. Blanco blockt ab: „Mach alles genau so, wie du es gemacht hast.“ Und mit dieser Antwort ist der Gesprächsverlauf der 30-minütigen Folge vorgeschrieben.
Die Sendung läuft in der ARD Mediathek und am 28.11., 23 Uhr, im RBB-Fernsehen
Dushime versucht es immer wieder mit Fragen, die die strukturellen Hürden für Roberto Blancos Leben als Schwarzer Künstler in Deutschland aufdecken sollen: Haben ihm seine weißen Kollegen den Erfolg gegönnt? Fühlt er sich missverstanden? Wie war das damals, als er 2015 von Bayerns Innenminister, Joachim Herrmann, bei „Hart aber fair“ als „wunderbarer N*“ bezeichnet wurde?
Alles nur Selbstschutz?
Dushime ist nicht die erste Journalistin, die mit solchen Fragen gegen eine Wand läuft. Blanco fährt die Devise: Lächle alles weg. Konzentriere dich auf das Positive im Adjektiv „wunderbar“ und frag dich gar nicht erst lange, was deine weißen Kollegen verdienen. „Für mich war meine Farbe die beste Public Relation, die ich haben konnte“, meint er.
Anna Dushime hingegen erzählt, dass sie sich früher immer gewünscht habe: „Wenn ich noch mal auf die Welt kommen könnte, würde ich gerne als weißer Mann auf die Welt kommen.“
Hier tut sich der entscheidende Generationenkonflikt zwischen den beiden auf. Während die junge Journalistin mit dem Gedankenexperiment überlegen möchte, was es bedeutet, nicht der weißen Norm der Gesellschaft anzugehören, will der Schlagersänger nicht die Gesellschaft, sondern nur sein Leben betrachten; und das im positivsten aller möglichen Lichter. Vieles klingt bei ihm nach einer riesigen Selbstschutzstrategie. Er möchte keine Probleme sehen und ist somit auch nie ein Opfer in seiner Selbsterzählung. Das ist sein gutes Recht. Und eine Perspektive, die es zu respektieren gilt.
Unangenehm wird das Gespräch immer dann, wenn der Sänger keinen Raum für die Perspektive seiner Gesprächspartnerin lässt. Vor allem wenn die Journalistin von ihren Erfahrungen als Schwarze Frau sprechen möchte. Blanco lässt sein Gegenüber öfters nicht ausreden. Versteht nicht, warum die Moderatorin es nervt, als Frau ständig auf ihr Äußeres reduziert zu werden.
Der Sänger kontert mit Äußerungen à la „na, dann darf man ja Frauen gar keine Komplimente mehr machen“. In solchen Momenten hält Dushime sich an ihrem Cocktail fest, als sei es ein Rettungsring. Und in solchen Momenten wünscht man sich als Zuschauerin: Halt dich nicht fest, sondern schwimm! Jetzt ist mal Zeit für deine Geschichte und deine Perspektive!
Ob Anna Dushime in Zukunft die Chance dazu bekommt, wird sich noch zeigen. Noch ist nicht entschieden, ob das Format nach Ausstrahlung der Pilotfolge weitergeht. Wünschenswert wäre es – dann aber gerne mit Gästen, die Anna Dushime auch ausreden lassen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Überraschung bei U18-Wahl
Die Linke ist stärkste Kraft
RTL Quadrell
Klimakrise? War da was?
Absturz der Kryptowährung $LIBRA
Argentiniens Präsident Milei lässt Kryptowährung crashen
Ukraine-Verhandlungen in Saudi-Arabien
Wege und Irrwege aus München