Proteste von Bauern und Klimaaktivisten: Doppelmoral der Polizei
Gegen Klimaschützer geht die Polizei hart vor. Bauern aber können stundenlang illegal eine Bundesstraße blockieren und Unfälle verursachen.
D ie Polizei hat schon wieder im Umgang mit eskalierenden Bauernprotesten versagt. Auch 12 Stunden nach Beginn einer illegalen Traktorblockade der Bundesstraße 5 bei Berlin versperrten Trecker am Montag alle Spuren Richtung Hauptstadt. Zuvor waren laut Polizei fünf Autoinsassen verletzt worden, als ihre Wagen im Dunkeln in Misthaufen auf der Straße krachten. Dabei wäre es technisch kein Problem, blockierende Traktoren zu entfernen – mit einem Abschleppwagen, wie er etwa für Busse benutzt wird. Stattdessen ließ die Polizei sich stundenlang von einigen Treckerfahrern auf der Nase herumtanzen.
Und das nicht zum ersten Mal. Im schleswig-holsteinischen Hafen Schlüttsiel stellte die Polizei nicht sicher, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck trotz einer Blockade auf der Rückreise aus seinem Urlaub eine Fähre verlassen konnte. Im baden-württembergischen Biberach sagten die Grünen ihren Politischen Aschermittwoch ab, weil die Polizei eine teils gewalttätige Demonstration im Zusammenhang mit Bauernprotesten nicht unter Kontrolle hielt.
Die Behörden in Brandenburg hätten also wissen können, dass sich manche Wutbauern sowie mit ihnen verbündete „Querdenker“ und Rechtsradikale nicht an Regeln halten. Viel früher hätte die Polizei die Traktoren entfernen und die Blockade auf der Bundesstraße auflösen müssen. Wie gefährlich solche Aktionen sein können, hat sich vor Kurzem in Frankreich gezeigt, wo bei einer Blockade aus Strohballen ein Mensch ums Leben gekommen ist.
Klimaaktivisten dagegen fasst die Polizei hart an, obwohl sie niemanden gefährden. Wenn sie wie vergangene Woche eine Parole auf eine Wand des Kanzleramts schreiben, werden sie brutal auf dem Boden fixiert. Als die Letzte Generation noch auf illegale Straßenblockaden setzte, wurden Schmerzgriffe angewandt und Aktivisten auch schon mal in Präventionshaft genommen. Mittlerweile hat die Gruppe diese aus vielen Gründen fragwürdigen Aktionen aufgegeben, aber die Polizei geht weiter unerbittlich gegen die Aktivisten vor.
Bauern und andere Ampelgegner hingegen heißt die Polizei auf Demonstrationen auch schon mal per Lautsprecher willkommen – und wenn sie illegal handeln, bleibt sie zu lange untätig. Es ist höchste Zeit, dass die Polizei das Gesetz nicht nur gegen Gruppen konsequent durchsetzt, die Sicherheitskräfte als links verorten. Sie muss auch gegen Regelverletzungen durch Demonstranten von rechts angemessen vorgehen. Alles andere ist Doppelmoral.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP