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Pro und Kontra VolksentscheideWas sie alle wollen

Alle Jamaika-Parteien, außer die CDU, sind dafür, Volksabstimmungen auch auf Bundesebene durchzuführen. Was spricht dafür und was dagegen?

In der Schweiz haben Volksabstimmungen eine lange Tradition Foto: dpa

Ja

Die Demokratie ist bei manchen (Links-)liberalen in Verruf geraten, seit die Bevölkerung oft nicht mehr wählt, was sie für alternativlos halten. Der belgische Historiker David Van Reybrouck etwa plädiert dafür, Wahlen zu Parlamenten in bestimmten Fällen durch Losverfahren zu ersetzen. Und nach der Brexit-Entscheidung demonstrierten Briten für eine neue Abstimmung, damit ihnen das Ergebnis gefällt.

Gerade Volksabstimmungen werden kritisch betrachtet. Die SPD kippte die Forderung nach bundesweiten Volksentscheiden aus ihrem Programm für die Wahl 2017. Vier Jahre zuvor stand sie noch drin. Auch ob sich die Jamaika-Unterhändler auf bundesweite Volksentscheide einigen, obwohl nur die CDU dagegen ist, ist eher fraglich. Nicht einmal den Grünen scheint das Thema wichtig genug.

Das war in den 80er Jahren noch anders: „Seit Beginn dieser Republik ist die Bevölkerung von allen wichtigen Entscheidungen ausgeschlossen. Nachrüstung und Atomkraftwerke wurden von den Regierungen gegen den Protest und oft hinter dem Rücken der Bevölkerung durchgesetzt“, hieß es im Grünen-Programm zur Bundestagswahl 1987. „Wie lange noch sollen Politiker (Männer vor allem) die Möglichkeit haben, über die Existenz oder Nicht-Existenz unserer Zivilisation zu entscheiden? Die parlamentarisch-repräsentative Demokratie braucht eine Ergänzung durch Volksentscheide.“ Die frühen Grünen waren für Volksentscheide, weil sie das Volk, das noch immer mehrheitlich Volksparteien wie die SPD wählte, in Sachfragen auf ihrer Seite sahen.

Heute hat die AfD ein ähnliches Verhältnis zu Volksentscheiden. „Entgegen anderslautender Behauptungen entscheiden Bürger in Schicksalsfragen der Nation weitsichtiger als macht- und interessengeleitete Berufspolitiker“, heißt es im aktuellen Wahlprogramm. „Das deutsche Volk soll deshalb nach dem britischen Vorbild über den Verbleib Deutschlands in der Eurozone abstimmen!“

Dafür oder dagegen?

Das Thema Alle Jamaika-Parteien außer der CDU haben sich dafür ausgesprochen, Volksabstimmungen auch auf Bundesebene einzuführen. Die CSU hat in ihrem „Bayernplan“ sogar garantiert, diesen Punkt zu verankern. Auch

haben vor der Bundestagswahl erklärt, Volksentscheide in die Verfassung schreiben zu wollen. Das sei für die Partei eines ihrer Schlüsselthemen. Die kündigt in ihrem Grundsatzprogramm an, sich für bundesweite Volksentscheide einzusetzen. Dennoch hat sich ihr Vorsitzender Christian Lindner klar davon distanziert.

Der Termin Bei den Sondierungsgesprächen der vier Parteien könnte das Thema am Donnerstag eine Rolle spielen, wenn es um Innenpolitik geht. Doch sind bundesweite Plebiszite überhaupt eine gute Idee?

Wer Volksentscheide wirklich befürwortet, sollte sie nicht mit Nützlichkeitsargumenten, sondern mit demokratischen Erwägungen begründen. Klar ist dabei: Ebenso wie ein rein repräsentatives System Nachteile hat, haben auch Volksentscheide Nachteile. Etwa die Möglichkeit, dass kapitalkräftige Unternehmen durch Werbung Einfluss nehmen, so wie Ryanair bei der Berliner Abstimmung über den Flughafen Tegel.

Wer eine Partei wählt, wählt ein Gesamtpaket: Wer etwa für die Grünen stimmt, weil er den Familiennachzug von Flüchtlingen will, zugleich aber mehr sozialen Wohnungsbau, muss damit leben, dass die Partei nach den Wahlen das eine wichtig findet und das andere vergisst. Wer 2002 Schröder wählte, gab ihm einen Blankoscheck für die Agenda 2010, die nicht im Wahlprogramm stand. Volksentscheide können solche Entscheidungen korrigieren. Die Wahl einer Partei fällt leichter, wenn der Blankoscheck für vier Jahre kleiner ausfällt – die Repräsentanten können auch mitten in Wahlperioden abgestraft werden.

Das Land Berlin ist dafür ein gutes Beispiel. Hier gibt es eine strukturelle Mehrheit der drei linken Parteien. Sie begünstigt Lethargie, Gleichgültigkeit und Arroganz, vor allem, aber nicht nur, aufseiten der SPD. Erst seit 2006 gibt es die Möglichkeit zu Volksentscheiden auf Berliner Landesebene. Zunächst wurden durch Volksbegehren einige Privatisierungsentscheidungen von Rot-Rot korrigiert. Es war ein klassisches Muster: Linke Volksbegehren trieben eine linke Landesregierung vor sich her. Anders motiviert sind die Erfolge späterer Volksentscheide. 2014 fand sich eine Mehrheit für die Nichtbebauung des Tempelhofer Felds. Die Bürgerinitiative hätte nie eine Mehrheit bekommen, wenn sich nicht auch in Spandau und Hellersdorf viele gefunden hätten, die zur Urne gingen, um dem bräsig gewordenen Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) ihr Misstrauen auszudrücken. Wowereit trat wenige Monate später zurück. Ähnliche Motive liegen der Mehrheit für die Offenhaltung des Flughafens Tegel im September 2017 zugrunde.

Ähnliches wäre auch auf Bundesebene zu erwarten. Die Parteien würden redemokratisiert, vor allem die CDU. Der entpolitisierende Merkel’sche Regierungsstil ließe sich bei möglichen bundesweiten Volksabstimmungen kaum durchhalten. Dass die Bevölkerung dann manchmal anders abstimmt, als sich Linksliberale erhoffen, muss man in Kauf nehmen.

Martin Reeh

Nein

Wer politisch links steht, sollte gegen bundesweite Volksentscheide kämpfen. Obwohl die Grünen und die Linke „direkte Demokratie“ fordern – genauso wie jetzt der BUND und andere Umweltverbände. Die Bilanz von Volksentscheiden etwa in der Schweiz ist zumindest aus linker Sicht miserabel. Plebiszite führen dazu, dass die Armen noch weniger an Entscheidungen beteiligt werden als eh schon in der repräsentativen Demokratie. In der Schweiz nahmen an den bundesweiten Abstimmungen von 1971 bis 2010 im Schnitt nur 42,5 Prozent der Wahlberechtigten teil, wie der Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel errechnet hat. Das waren gut 5 Prozentpunkte weniger als bei den Wahlen im selben Zeitraum. Es ist klar, wer eher bei Urnengängen zu Hause bleibt: Arme und weniger gut Gebildete. Obere und mittlere Schichten und Gebildete beteiligen sich überproportional.

Entsprechend unsozial ist das Ergebnis dieser Abstimmungen. In der Schweiz und Kalifornien haben haushaltspolitische Plebiszite regelmäßig dazu geführt, dass der Staat weniger Steuern einnimmt und auch weniger ausgibt. Davon profitieren meist die Reichen, die Armen verlieren. Die Spitzenverdiener schaffen es immer wieder, den Normalverdienern Angst einzuflößen, dass Mindestlöhne, Steuererhöhungen oder die Begrenzung von Managergehältern Arbeitsplätze gefährden würden.

Volksabstimmungen würden die Macht der Lobbys beschneiden, sagen die Befürworter. In Wirklichkeit mischt Big Business auch bei Plebisziten kräftig mit – und siegt ständig. Der US-Saatgutkonzern Monsanto beispielsweise setzte sich nach Millionen Dollar schweren Kampagnen in Referenden in Kalifornien, Oregon und Washington über die Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Pflanzen in Lebensmitteln durch. In Berlin warb der Billigflieger Ryanair Hand in Hand mit der FDP erfolgreich für eine Mehrheit bei der Volksabstimmung zur Offenhaltung des Flughafens Tegels – auf Kosten Hunderttausender lärmgeplagter Anwohner.

Die Niederlagen der mächtigen Lobbys bei Referenden sind die Ausnahme. Volksabstimmungen werden ja auch mitnichten vom Volk insgesamt initiiert, sondern von der meinungsstarken Mittelschicht, von Interessengruppen und Parteien. Klar, Lobbys beeinflussen ebenfalls Abstimmungen im Parlament oder Wahlen. Aber es ist eben eine Illusion, dass Plebiszite dieses Problem lösen.

Referenden können aber auch gefährlich sein. Sie eignen sich hervorragend für Rechtspopulisten, um ihre Themen auf die Agenda zu zwingen – und oft genug, um ihre Ziele durchzusetzen. 2009 siegten Fremdenfeinde in der Schweiz bei der Volksabstimmung „Gegen den Bau von Minaretten“, 2014 beim Referendum „Gegen Masseneinwanderung“. Parlament und Regierung hatten die Initiativen abgelehnt.

Ähnliche Beispiele gibt es aus anderen Ländern, allen voran das Plebiszit über den Brexit. Die erfolgreiche Kampagne zum Austritt Großbritanniens aus der EU war maßgeblich von Fremdenfeindlichkeit getragen – und hat beispielsweise rassistische Gewalt gegen Ausländer gefördert.

In Deutschland sieht sich ausgerechnet die AfD als Vorreiter der direkten Demokratie. Mit monatelangen Kampagnen könnte sie hervorragend Stimmung machen. Denkbar wären zum Beispiel Plebiszite zur „Kürzung der Hilfe für Asylanten“ oder „Abschaffung des Asylrechts“. Letztere könnte dann dem Gesetzentwurf des bei dem Thema führenden Vereins „Mehr Demokratie“ zufolge mit einer Stimme beschlossen werden. Im Parlament ist eine Zweidrittelmehrheit nötig für Entscheidungen, die so weit in Grundrechte eingreifen – auch wenn die Betroffenen in der Minderheit sind.

Plebiszite sind ein Mittel, das den Rechtspopulismus noch befördern könnte. Keinesfalls kann er mit Volksabstimmungen bekämpft werden. Die rechtspopulistische Schweizerische Volkspartei ist trotz oder auch gerade wegen zahlreicher Referenden stärkste Kraft im Parlament geworden. Und das Gefühl mancher Menschen, „Die da oben machen doch sowieso, was sie wollen“, wird durch gelegentliche Volksabstimmungen zu einzelnen Themen kaum verschwinden.

Wahrscheinlich werden Entscheidungen eher akzeptiert, wenn sie in Volksabstimmungen gefällt werden. Aber das ist ein geringer Nutzen im Vergleich zu ihrem sehr hohen Preis.

Jost Maurin

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80 Kommentare

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  • Ich bin aus heutiger Sicht gegen Volksentscheide. Der Neoliberalismus hat in den letzten Jahrzehnten die Köpfe der Menschen aller Schichten derart durchmanipuliert, dass der Volksentscheid nur die logische Fortsetzung des Kampfes der Oberen gegen die Überflüssigen (die Unteren) wäre.

    Wir sollten vorher zumindest Grenzen ziehen, etwa "tiefer als so darf es nicht gehen", wobei die Messlatte schon sehr hoch liegen muss.

    Da dies jedoch genauso problematisch sein kann, könnte die Verstärkung bzw Herstellung von Transparenz in der jetzigen Demokratieform die bessere Variante darstellen, plus Verbote der Privatisierung der Daseinsvorsorge.

  • 8G
    82732 (Profil gelöscht)

    Interessant ist:

    Man könnte den Eindruck haben, das PRO und CON bzgl. Volksentscheide der politischen Parteien richte sich danach, ob sie meinen

     

    a) der "tatsächliche" Volks-/Wählerwille zu wichtigen Themen komme durch die Wahlergebnisse für Parteien nicht korrekt zum Ausdruck

    (Grüne 1980er bzgl. Atom und Nachrüstung; AfD 2015+ bzgl. Migration)

     

    b) "fehlgeleitete" "unreife" Positionen zu kontroversen Themen, die in der Bevölkerung weit verbreitet aber über die Parteienmechanik ausgehebelt werden, müssten "in Schach" gehalten werden.

    (Gleiche Themen wie oben, Parteinamen austauschen)

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Mehr, kontroversere, lebendigere und effektivere parlamentarische Aktivitäten bei möglichst hoher Zahl besetzter "Sitze" fände ich schon ausreichend, um mich als Bürger und Teil des Souveräns vertreten zu fühlen.

  • > Meinem bildzeitungslesenden Arbeitskollegen möchte ich jedenfalls nicht die Entscheidung darüber zutrauen, ob die Todestrafe nun wieder eingeführt werden sollte.

     

    So lange ich zurückdenken kann wird die Todesstrafe als Grund für die Ablehnung von Volksentscheiden genannt.

     

    Dafür hätte es in früheren Jahrzehnten (vielleicht bis in die 70er Jahre) tatsächlich eine Mehrheit gegeben, heute aber nicht mehr.

     

    Auch "Volk" ist lernfähig, und Ihr Bild-lesender Kollege hat nur eine Stimme.

     

    Interessant gerade zu dieser Frage und im Hinblick auf Ihre Besorgnis, dass die "Dummen" im Lande zu viel Entscheidungsmacht per Volksentscheid bekommen: http://www.spiegel.de/lebenundlernen/job/umfrage-eines-professors-erlanger-jurastudenten-pro-todesstrafe-a-1017230.html

     

    Es geht um eine Befragung von Erstsemestern im Jurastudium aus dem Jahr 2015, die zu einem Drittel pro Todesstrafe votierten, während die im Vergleich herangezogene Allensbach-Umfrage für die breite Bevölkerung eine Zustimmung von lediglich 25% ergab (wobei die Befragung der Studenten wohl nicht repräsentativ gewesen sein dürfte).

    • @Marzipan:

      Unfaires Beispiel. Im ersten Semester Jura wird vor allem die allgemeine Funktionsweise des Strafrechts gelehrt und dafür als Beispielfälle überwiegend Mord und Totschlag verwendet, weil Tötungsdelikte in sich sehr unkomplizierte Tatbestände sind.

       

      Dadurch findet im Lehrstoff ein Gemetzel statt, das in der deutschen Bildungslandschaft seinesgleichen sucht. Wohlbehütete und noch formbare Gymnasiastengemüter werden ohne große Präambel schonungs- und pausenlos mit dem Übelsten konfrontiert, was der Abschaum der Menschheit so an (eben meist auch noch tödlichen) Gemeinheiten draufhat. Und nebenbei wird noch erklärt, dass lebenslanges Wegsperren ja eigentlich Dauerfolter ist.

       

      Außer vielleicht archäologischen oder detaillierten historischen Studien über den Holocaust und/oder andere Massenschlächtereien kann ich mir daher kaum einen besseren akademischen Brutboden für eine gewisse Kopfgeldmentalität vorstellen. Dieselbe Umfrage im dritten oder fünften Semester dürfte schon zu ganz anderen Ergebnissen führen.

      • @Normalo:

        > Unfaires Beispiel. ... Wohlbehütete und noch formbare Gymnasiastengemüter werden ...

         

        Mit dem Beispiel wollte ich lediglich farbig illustrieren, was ich in den Sätzen vorher zu ROIs Einschätzung der politischen Urteilskraft seines Kollegen schrieb. Der argumentativere Teil der Antwort steckte in den Sätzen davor.

         

        Das Beispiel spricht jedenfalls dafür, dass die Haltung zur Todesstrafe eben nicht von der Bildung abhängt - und wie unreif diese formbaren Gymnasiastengemüter auch sein mögen, die meisten Menschen hierzulande sehen im Abitur noch immer einen brauchbaren (Basis)Bildungsnachweis (alles ist relativ).

         

        Sie schreiben dann abschließend: "Dieselbe Umfrage im dritten oder fünften Semester dürfte schon zu ganz anderen Ergebnissen führen."

         

        Der Interviewte äußert sich dazu, wenn auch etwas unbestimmt:

        "Ich habe vor etlichen Jahren einmal die Einstellungen von Uni-Neulingen und Referendaren verglichen, und da offenbarte sich eigentlich das Gegenteil: Das Studium hatte die Männer und Frauen eher konservativer und strenger gemacht."

         

        Ich finde Ihren Einwand also nicht sonderlich überzeugend, aber sei's drum. Eine Antwort auf den anderen Teil meines Kommentars an ROI hätte mich übrigens eher interessiert. Aber das Leben ist ja kein Wunschkonzert.

  • 8G
    82236 (Profil gelöscht)

    Es gibt ja auch Beispiele von Volksentscheiden, die annuliert wurden, weil das den Eliten nicht im Kram passte, wie z.B. das Referendum zur europäischen Konstitution 2005. In Frankreich wurde auch die Erfahrung gemacht, dass die Wähler bei einem Referendum nicht die ihnen gestellte Frage beantworten, sondern das Referendum als Plebiszit für oder gegen die Regierung/Staatspräsidenten missbraucht wurde. So hat De Gaulle 1969 den Ausgang seines Referendum zur Dezentralisation davon abhängig gemacht, ob er weiter regiert oder nicht, er musste gehen. Chirac ist 2005 nicht zurückgetreten, ganz im Gegenteil,er hat die viel beschworene Souveränität des Volkes schlicht und einfach missachtet.

    Das Misstrauen der Mächtigen in das Volk ist sehr gross, wie Valéry Giscard D'Estaing es formulierte, man solle ein Referendum nur abhalten, wenn das Ergebnis ja ist.

    Von einem Volksentscheid auf Initiative des Volkes will die Mehrheit der Politiker in Frankreich eh nichts wissen.

  • Man muss sich nur mal das Umfeld eines Altglascontainers ansehen, dann weiss man, welche Kompetenzen der Normalbürger sein eigen nennt. Diese geballten Fähigkeiten auf z.T. komplexe Einzelsachverhalte loszulassen wäre grob fahrlässig. Oder, wie ein altes deutsches Sprichwort sagt: "Vox populi vox Rindvieh".

  • Nur mal eine Anmerkung zum Artikel an sich: Ich finde es super, daß die TAZ hier beide Seiten zu Wort kommen läßt. Genau so etwas regt die Diskussion an. Danke an die Redaktion und die beiden Autoren!

  • Das Volk ist nicht so dumm und manipulierbar, wie von den Gegnern direkter Demokratie gerne dargestellt. Wenn ich mir unsere Bundestagsabgeordneten und - ganz besonders - unsere Regierung ansehe, kommen mir so meine Zweifel, ob die denn alle so viel schlauer, informierter und weniger manipulierbar sind als der Durchschnittsbürger. Lobby-Verbände können natürlich auch bei Volksabstimmungen Geld in die Hand nehmen. Das wird aber wohl mehr kosten und weniger diskret sein als einen hohen Politiker mal zu einem Vortrag einzuladen und ihm dafür ein "Honorar" zu zahlen. Oder denken wir an unsere Exminister, die jetzt in der Wirtschaft mitmischen. Waren z.B. die Entscheidungen von Profalla oder Wissmann als Minister immer rein dem Gemeinwohl dienlich?

    Mehr direkte Demokratie wagen heißt, den Parteioligarchen die Macht wegzunehmen und sie den Wählern wieder zurückzugeben.

    • @Nguyen:

      Mit Verlaub, ich glaube, Sie haben das Argument nicht verstanden. Von den Gegnern sagt doch niemand, dass es keine Korruption & Lobbyeinflüsse in der Parteienlandschaft gibt oder dass Politiker alles besser wissen als der Rest des Wahlvolks.

      Sondern vielmehr, dass das alles im Wahlvolk bzw. bei Volksabstimmungen genauso das Problem wäre und man durch Direktabstimmungen der grundsätzlichen Problematik* nicht entkommt, sondern sie halt nur nochmal potenziert bzw. auf eine andere Ebene verschiebt.

       

      (* = Lobbyeinflüsse, Blödheit, Bauchgefühle, falsche Fragen & Lösungen à la "wenn's mir ökonomisch schlecht geht ist nicht das ökonomische System schuld sondern Ausländer/Homos/Feministinnen etc.)

       

      Gewählte Volksvertreter sind immerhin bei Ihren Entscheidungen noch zur Rechenschaft verpflichtet und müssen Wahlvolk und Opposition Rede und Antwort stehen, wenn sie Mist bauen. Hein Blöd und Erna Mustermann müssen das nicht, können einfach nur unverantwortlichen Mist bauen, und wenn das zu viele davon tun z.B. weil grade ein Thema wie Moscheen oder Todesstrafe oder Brexit hysterisch gehypt wurde o.ä., dann ham wir alle den Salat und keiner will's gewesen sein.

      Auch dass bei Volksabstimmungen meist keine komplexen Fragen komplex diskutiert und ausgearbeitet werden, sondern irgendeine simplistische "Ja/Nein"-Option zur Wahl steht, finde ich persönlich katastrophal.

    • @Nguyen:

      Frei nach dem guten alten Obi-Wan:

       

      Wer ist der größere Narr - der Narr, oder der Narr, der ihn gewählt hat?

       

      Die Versuchung ist immer groß, zu meinen, dass das Volk, wenn es mal wirklich gefragt wäre, schon "richtig" entscheiden würde - im Gegensatz zu den (abgehobenen, korrupten, lobbyverseuchten...) Politikern. Am größten ist diese Versuchung bei Jenen, die die entscheidenden Politiker selbst NICHT gewählt haben. Dass es aber eine Mehrheit gab, die das doch getan hat (im Zweifel, weil sie nunmal politisch anders tickt als man selbst) und gar nicht so sicher anderer Meinung ist als diese Politiker, wird gerne übersehen.

  • Dass Volksentscheide, wenn sie denn stattfinden, so seltsam verklausuliert formuliert sind, dass man beinahe eine Einführungsvorlesung in Aussagenlogik braucht, um zu verstehen, ob nun "Ja" oder "Nein" dem, was man will, entspricht, trägt auch nicht gerade dazu bei, dass "weniger gut Gebildete" sich sinnvoll beteiligen können...

  • 6G
    6474 (Profil gelöscht)

    Was die Informationspflicht angeht:

     

    Der Vorteil eines Parteiensystems ist eben, das dort Vertreter der eigenen Meinung gewählt werden, deren Job es ist, sich mit politik zu beschäftigen. Das führt zwar nicht immer zu ausreichender thematischer Kompetenz, aber garantiert doch ein Grundverständnis der Sachlage.

     

    Ob ich es dagegen so fortschrittlich finde, wenn jemand dem die Politüberschriften in den Boulevardmedien als Bildungsgrundlage dienen, über wichtige Sachfragen entscheidet?

     

    Man könnte natürlich vor jeder Wahl einen Informationsfilm zeigen, wo beide Seiten(oder mehr) 15 Minuten ihre Positionen darlegen können. Dieser Film muss dann in einer Wahlkabine verpflichtend angesehen werden, bevor der Wahlzettel ausgehändigt wird.

    Wäre ganz schön viel Aufwand, aber mit der politischen Bildung ist es leider nicht so weit her.

     

    Meinem bildzeitungslesenden Arbeitskollegen möchte ich jedenfalls nicht die Entscheidung darüber zutrauen, ob die Todestrafe nun wieder eingeführt werden sollte.

    Für ihn ist sogar Bildzeitungspolitik-niveau zu viel und nur nerviger Kram zwischen Tittenbild und dem Sportteil.

    • @6474 (Profil gelöscht):

      Ich habe Ihnen eine Antwort geschrieben, die mir schon wieder verrutscht ist (siehe oben).

       

      Noch etwas:

      > Der Vorteil eines Parteiensystems ist eben, das dort Vertreter der eigenen Meinung gewählt werden, deren Job es ist, sich mit politik zu beschäftigen. Das führt zwar nicht immer zu ausreichender thematischer Kompetenz, aber garantiert doch ein Grundverständnis der Sachlage.

       

      Der Nachteil des Parteiensystems ist es, dass dort eben Vertreter einer eigenen Teilmeinung gewählt werden, denn in der Regel sind die Ziele keiner Partei für die meisten Wähler ganz ideal.

       

      Als Wähler hat man nur alle 4 Jahre die Möglichkeit, sich aus einer sehr kleinen Auswahl fest geschnürter Gesamtpakete eines herauszusuchen.

       

      Die Punkte, die die eigene Wahl begründeten, können dann in Koalitionsverhandlungen zudem noch von der gewählten Partei geopfert werden.

       

      Aber auch unabhängig von Koalitionsbildungen haben die Parteien respektive deren Vertreter im politischen Alltagsbetrieb die Möglichkeit, sich über Wahlversprechen hinwegzusetzen oder sogar eine Politik zu machen, die geradezu im Gegensatz zur Interessenlage ihrer Wählermehrheit steht - weil es ihnen aus Gründen der Parteiräson oder auch aus ganz persönlicher Interessenlage (Jobversprechen etc.) nützlich scheint.

       

      Und auch wenn Sie selbst Zweifel an echter Kompetenz der Abgeordneten in Sachfragen äußern - selbst deren "Grundverständnis" für das, worüber sie entscheiden, wird überschätzt, fürchte ich.

       

      Und selbst wenn es vorhanden ist: bekanntlich gibt es einen Fraktionszwang, der hochwirksam ist, da Abgeordnete in der Regel mit ihrer beruflichen Existenz an ihrem Status hängen.

       

      Demgegenüber steht bei allen Mängeln ein großes Plus für Volksentscheide, das m. E. hier noch nicht erwähnt wurde: die hohe Akzeptanz für deren Ergebnisse, selbst wenn sie unerwünscht sind.

       

      Politikverdrossenheit entsteht um so weniger, je mehr "Volk" sich selbst als wirkmächtig erfährt. Das fehlt in einer repräsentativen Demokratie weitgehend.

    • @6474 (Profil gelöscht):

      Konsequenterweise müsste man ihrem Kollegen das Wahlrecht wegnehmen.

       

      Nachher macht er nicht nur beim Volksentscheid sondern auch bei einer anderen Wahl sein Kreuz genau dort wo er es für richtig hält.

  • 6G
    6474 (Profil gelöscht)

    Ich finde Abstimmungen auf kommunalpolitischer Ebene oftmals ziemlich gut. http://www.augustin.or.at/zeitung/vorstadt/nachbar_innen-stadt-gut-besser-betri-reykjavik.html

     

    Dagegen ist sowas wie die Brexit-Abstimmung ziemlich daneben.

    Nicht weil mir das Ergebnis nicht passt, sondern weil die Option "ja;ich bin gegen Grenzen aber bestätige die EU-Bürokraten mit meiner Wahl darin, das alles so weiter gehen kann " oder "Nein, ich will eine transparente Politik mit Bürgerbeteiligung und einsehbaren Entscheidungen, anstatt diese Brüssel-Korruption und nehme dafür in Kauf, das hier die Grenzen dicht gemacht werden" für mich beides die falschen Antworten auf die flasche Frage wären.

  • Ich weiß ja nicht, ob Ihnen das schon mal jemand in einem Grundkurs Politikwissenschaft erklärt hat, aber: Die Idee der modernen Demokratie beruht idealerweise auf der Vorstellung, dass *informierte, mündige* Bürger verantwortungsvoll politische Entscheidungsprozesse vollziehen - und nicht darauf, dass Bauchfühls-Pupse unbedingt der politischen Repräsentation und Macht bedürfen. Letzteres nannte der olle Grieche gemeinhin "Ochlkcratie", neudeutsch auch "mob rule" oder Pöbelherrschaft genannt, und meinte damit die ins Gengenteil verkehrte Perversion des demokratischen Gedankens.

     

    Wenn also -- in Zeiten, wo AfD-wählende fake-news-gebrainwashte Trolle mit mehr Ärger im Bauch als Fakten im Hirn irgendwas von "Mexican rapists", "Umvolkung" und "genderwahn" hallzunieren, orangenen Clowns huldigen, und sich selbst als wahre Vertreter des völkischen Volkswillens verkaufen--, nun einige diesen nicht unbedingt noch direkteren Zugang zu politischer Macht verschaffen wollen... dann hat das eher weniger damit zu tun, dass hypocrite Linke Demokratie nur dann wollen, wenn es ihnen gerade in den Krempel passt. Sondern vielmehr damit, Demokratie vor ihrem Gegenteil schützen zu wollen. Was die richtigen Mittel dafür sind, mag man trefflich kontrovers diskutieren können. Aber doch bitte nicht unter Verleugnung dessen, worum es überhaupt geht.

    • @kami:

      Aua, da dozentiere ich hier nun schön und vertippe mich ausgerechnet beim Fachbegriff. Gemeint war natürlich "Ochlokratie" und nicht "Ochlkcratie".

  • Nächstes Jahr wird in meinem Bundesland der Landtag neu gewählt, Teil der Wahl wird eine Änderung der Landesverfassung sein. Vor allem die Abschaffung der Todesstrafe wir Teil der Änderungen sein. Es handelt sich also um eine reine symbolische Änderung, da das Bundesrecht die Todesstrafe nicht vorsieht, wird das Landesverfassung nicht angewendet. Seit Anfang der '70 Jahre wird über eine Abschaffung der Todesstrafe diskutiert. Eine Änderung der Verfassung ist durch die Bürger zu bestätigen. Und seit Anfang der Debatte wurde es nicht zur Abstimmung gestellt, da man Angst hat die Abstimmung zu verlieren. Es wurden mehrere Umfragen durch das IM beauftragt, die Ergebnisse nicht veröffentlicht, ergo waren Sie negativ. Ich bin sehr gespannt auf unseren Wahlkampf, die AfD wird den Namen M. Gäfgen in den Raum werfen und dann wird es richtig dreckig. Ich stehe Volksentscheide sehr reserviert gegenüber.

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Zwei relevante Argumente für Volksentscheidungen:

    Der Brexit ist ein schlechtes Beispiel weil es die erste nationale Volksentscheidung in einer langen Zeit in GB war. Wenn das Volk regelmäßig abstimmen darf wird daraus keine Protestwahl.

     

    Dass die AFD das Instrument "missbrauchen" kann entspringt einem sehr undemokratischen Gedankengut, dass es eine richtige und eine falsche Entscheidung gibt und das man richtige Entscheidungen auch gegen den Wählerwillen durchsetzen sollte. Das ist zumindest fragwürdig.

    Es sollte eine Mindestwahlbeteiligung geben und bei weitreichenden Entscheidungen sollten 2/3 Mehrheiten notwendig sein. Aber wenn die AFD ihre Ideen zu Asyl und Einwanderung durchbringt, so ist das zu respektieren (Ich bezweifle, dass sie es schaffen würden, aber es würde zu einem offenen und ehrlichen Diskurs führen).

     

    Es müssen ja auch nicht immer A oder B Möglichkeiten geben man kann ja in Stufen abstimmen bei dem nach und nach Optionen eleminiert werden.

  • Art 21 GG sagt u.a.:

    "(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. "

     

    Hier, im GG, steht nichts von Allmacht der Parteien, die heute DE wie ihr Eigentum betrachten. Nur so ist zu verstehen, dass wir das zweitgrößte Parlament der Welt haben. Schon aus diesem Grunde ist es wichtig, dass auch im Sinne des GG die demokratische Willensbildung nicht nur von Parteien und Lobbyisten teils per Korruption beeinflusst wird, sondern auch vom Souverän selber. Das geht nur, wenn die Menschen bei wichtigen Fragen selbst bestimmen können, wo es lang geht. Die Risiken nehme ich als Demokrat gerne in Kauf. Der jetzige Zustand ist aus demokratischer Sicht unerträglich, weil mittlerweile tausende Lobbygruppen, von Atlantikbrücke bis Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft mehr politischen Einfluss haben als die WählerInnen.

  • Das klingt jetzt konservativ, was ich sage, aber ist es nicht unbedingt: Der politischen Freiheit, eine Entscheidung zu treffen, steht auch die Verantwortung, sie zu tragen gegenüber. Das eine gibt es nicht ohne das andere. Der Brexit war ein Volksentscheid, dessen Initiatoren sich danach ohne Verantwortung für die Konsequenzen aus dem Staub gemacht haben.

    Ein anderes Problem, das ich habe ist: Es wird nie über mehrere Optionen abgestimmt, sondern über welche, die natürlich ohne alle Stimmen zu hören schon vorher festgelegt werden. In Frankfurt wurde über "Galopprennbahn oder DFB" abgestimmt. "Keins von beiden, dafür Wohnungsbau auf dem Gelände" war keine Option, hätte aber vermutlich am meisten Stimmen bekommen.

     

    All das gesagt: Ich bin gar nicht mal gegen Volksentscheide und begrüße jede Gelegenheit, bei der sich meine MitbürgerInnen politisch engagieren (müssen). Aber wir brauchen absolut wasserfeste Verfahren, wenn das funktionieren soll.

    • @dasOimel:

      Es war ein Volksentscheid und kein Abstimmung darüber wer die Regierung führen wird. Nein die Verantwortlichen haben sich nicht aus dem Staub gemacht, das konnten sie gar nicht da es eben nur um eine Richtung und nicht um Personalentscheidungen ging. In der Schweiz ändert sich ja auch nicht bei jedem Volksentscheid die politische Führung.

    • @dasOimel:

      Verantwortung, genau, und Kompetenzen, auch wichtig. U.a.m.:-)

  • Ja – wie man manche hier liest – der Weg von Volksentscheiden, mit all' dem was noch fehlt, zu Volksabstimmungen, mit allem was dazu gehört, dauert wohl noch eine Weile.

     

    PS – da kann man sich einlesen: http://www.hls.ch und dort Demokratie

  • Berlin vs. Zürich: Wieso ich die direkte Demokratie trotzdem liebe

    Alexandra Tiefenbacher, 31.10.17

     

    Seit einem Jahr lebe ich nun in Berlin – genug, um die alte Heimat Zürich mit meinem neuen Zuhause zu vergleichen. Im Finale geht es um Politik. Denn erst in Berlin habe ich entdeckt, weshalb ich die direkte Demokratie so mag. Auch wenn die AfD das auch tut.

     

    ...[berlin oder Zürich]: Politische Diskussionen gehören ...zum Feierabendbier dazu. Aber während ich in Berlin das Gefühl habe, monatelang über dasselbe Zeug zu reden, ohne zu neuen Erkenntnissen zu kommen, war das in Zürich anders: Da wechselten in derselben Zeit ganz selbstverständlich mehrmals die Themen, zu welchen man seine Meinungen beim Panache rausposaunte.

    Der Grund: Alle paar Monate flattert ein neues Abstimmungscouvert in alle Briefkästen. Als ich im Frühjahr 2017 in der Limmatstadt war, redete die ganze Schweiz über die Energiestrategie. Bei meinem nächsten Besuch im Spätsommer kam man bei keiner bierseligen Runde an der Rentenreform vorbei. Dank der direkten Demokratie führte ich in meinem Zürcher Freundeskreis immer wieder geniale Gespräche zu ständig wechselnden Themen.

    ...Das Schweizer System ist nicht perfekt. Aber sich damit auseinanderzusetzen und als StimmbürgerIn Verantwortung zu übernehmen: Auch das macht es eben aus...

    https://daslamm.ch/berlin-vs-zuerich-wieso-ich-die-direkte-demokratie-trotzdem-liebe/

     

    Alexandra "Mina" Tiefenbacher: https://daslamm.ch/format/mina/

  • Und ja, lieber Jost Maurin, u.a. auch die Umsetzungsprozesse der Schweiz wären anzuschauen...

  • Schade auch, dass sich Jost Maurin um weitere Fakten foutiert. So um das – im Vergleich zu anderen, u.a. auch zu Deutschland – so gesunde öffentliche Finanzwesen der Schweiz, samt Steuern, die die Stimmberechtigten mitgestalten. Ja, der – gemeinsame – Staat wirtschaftet so besser, um einiges besser. Und auch sozialer, mit seiner europaweit höchster Progression und seiner Eigentumssteuer, was z.B. das obrigkeitlich-zentralistische Deutschland nicht (so) kennt.

     

    Was Jost Maurin, mit seiner obrigkeitlich-zentralistischer Brille betrachtend, als Nachteil auslegt ("...Entsprechend unsozial ist das Ergebnis dieser Abstimmungen. In der Schweiz und Kalifornien haben haushaltspolitische Plebiszite regelmäßig dazu geführt, dass der Staat weniger Steuern einnimmt und auch weniger ausgibt..."). Schade, genaues Hinschauen wäre nicht schlecht.

  • Dazu mal eine kleine Provinzposse: der Volksentscheid über den Weiterbetrieb des Flughafen Tegel. Was ist passiert? Die kleine FDP hat ein Wahlkampfthema entdeckt und einen Volksentscheid initiiert. Die CDU ist aufgesprungen und zusammen hat man den Bürger hinters Licht geführt und ihm suggeriert, er habe etwas zu entscheiden. Hatte er aber nicht. Der Volksentscheid hatte kaum mehr als appelativen Charakter, weder Brandenburg noch der Bund spielen mit, alles bleibt wie es ist, nur die Bürger sind sauer. Auf die Falschen, aber das ist genauso nachrangig wie die Frage, was man in der Causa Tegel für richtig hält. Wesentlich ist, dass Parteipolitik das Instrument der Volksbefragung missbraucht hat. Man darf aber hoffen, dass derartige Tricksereien bei einer Ausweitung der direkten Demokratie ihre Wirkung in Zukunft verfehlen werden. Der Bürger wird klüger.

    • @Benedikt Bräutigam:

      Ja, stimmt. Der Weg von Volksentscheiden, mit all' dem was noch fehlt, zu Volksabstimmungen, mit allem was dazu gehört, dauert wohl noch eine Weile.

  • Schade, dass Jost Maurin Herrn Merkel, den "falschen Priester", so unreflektiert übernimmt.

     

    Dass Herr Markel nicht rechnen kann, weiss man, siehe Uwe Serdült, der den Fehler korrigiert, und auf 80% Beteiligung hinweist.

  • Volksabstimmungen sind notwendig, der Bürger muss seine Fehler auch mal selber machen dürfen. Ob er es besser kann als die Parteien ist überaus fraglich aber im Einzelfall natürlich möglich. Direkte Demokratie kann jedenfalls eine Bereicherung sein und steht auch nicht komplett im Gegensatz zur Parteiendemokratie. Der Parteienverdruss könnte im Gegenteil abnehmen. In vielen Fragen kann das Ergebnis einer Volksabstimmung ohnehin nur ein eher grober Auftrag an die Parteien sein oder ihnen bestimmte Möglichkeiten verwehren und sie zu neuen Ideen zwingen. Sicherlich werden die Volksabstimmungen zu einer Spielwiese der Populisten, aber erstens darf man schon auf das Verantwortungsgefühl der Mehrheit hoffen dürfen und zweitens werden die Populisten ohne Formen der direkten Demokratie nur noch stärker. Zur Sicherheit haben wir ja auch immer noch das Bundesverfassungsgericht und den Bundespräsidenten, also sollte man mal was riskieren.

  • 2 Argumente bei nein, finden sich im Bundestag noch schlimmer.

    Nummer 1: dass weniger als die Hälfte der der Wahlberechtigten abstimmt.

    Wir allen kennen die Bilder wo im (fast) leeren Bundestag unliebsame Gesetze von 6 oder 7 Abgeordneten angenommen werden. (Gerne werden solche Abstimmungen zeitgleich mit Länderspielen.)

    Oder auch die Einflussnahme durch Unternehmen die die öffentliche Meinung beeinflussen.

    Jeder der glaubt unsere Politiker wären nicht beeinflussbar, lebt wohl in einer Parallelwelt.

     

    Natürlich gibt es Fragen bei denen das Gemeinwohl schwerer wiegt als das Wohl einzelner.

    (Alle wollen sauberen Strom, aber keiner ein Windrad oder Stromtrassen in der Nähe)

    Aber bei Fragen die ALLE Menschen betreffen, (Privatisierung zum Beispiel) sollten das Volk ein Mitspracherecht haben!

    • @derSchreiber:

      Ja, auch das blendet Herr Merkel völlig aus. (Re: "im Bundestag noch schlimmer")

       

      Zum Einbezug aller – siehe z.B. Silvano Mockli. (Re: "Wohl einzelner")

      • @vjr:

        Korrektur: Silvano Moeckli :-)

  • "Es ist klar, wer eher bei Urnengängen zu Hause bleibt: Arme und weniger gut Gebildete. Obere und mittlere Schichten und Gebildete beteiligen sich überproportional."

     

    Ist das so klar?

    Bleiben bei volksentscheiden (und bei allgemeinen Wahlen) nicht eher die zu Hause, die ihre Interessen nicht vertreten sehen?

    während das bei volksentscheiden nicht so schlimm ist, es muss nicht jeder zu allem eine Meinung haben. Ist es bei allgemeinen Wahlen genau das passiert was der Autor, der Volksentscheide ablehnt, sagt. Es wählen nur noch die, die durch die Politik bevorteilt werden.

     

    Es gibt keine Parteien mehr, die sich für eine Verbesserung der Menschen die am unteren Rand der Konsumgesellschaft leben. Dann müsste man Steuererhöhnungen und staatliche Programme fordern. Ich kenne keine Partei die das tut oder sich trauen würde es zu tun. Das da Mantra der Steuererleichterung heute selbst die Mittelschicht anspricht.

     

    Daher Volksentscheide jetzt!

    • @Struppi:

      Habe die Studien und Statistiken gerade nicht zur Hand, aber bei dem Schulform-Volksentscheid in Hmaburg z.B. haben nachweislich diejenigen abgestimmt, die die Gymnasisten aus gutbürgerlichem Haus auch weiter schön getrennt vom Hauptschul-Pöbel halten wollten, der nachweislich aus ärmerem Hause kommt und zu Hause blieb. Den Einfluss für die Formulierung der Fragestellung und das Geld für die Mitmachaktionen hatten die, deren Interessen dann auch prompt bedient worden sind.

       

      Das mit den Abgehängten, deren Interessen keiner vertritt, ist ne hekile Sache in Zeiten von Rechtspopulismus. I.e. in Zeiten, wo den Abgehängten aus durchaus mächtigen Kreisen eingeredet wird, dass ihre "Interessen" nicht ökonomische Gerechtigkeit sei, sondern "Musels raus!" und "nieder mit den HomoFeministinnen!"

       

      Aktuell bleiben die Abgehängten in Volksabstimmungen nachweislich entweder zu Hause oder stimmen für Moscheeverbot. Ob damit deren Interessen bestmöglich vertreten sind, wage ich mal stark zu bezweifeln.

  • Zitat: "Obwohl die Grünen und die Linke „direkte Demokratie“ fordern – genauso wie jetzt der BUND und andere Umweltverbände. Die Bilanz von Volksentscheiden etwa in der Schweiz ist zumindest aus linker Sicht miserabel. Plebiszite führen dazu, dass die Armen noch weniger an Entscheidungen beteiligt werden als eh schon in der repräsentativen Demokratie."

     

    Da ist es wieder das Misstrauen gegen den eigentlichen Souverän, eloquent verpackt und doch zutiefst Antidemokratisch!

     

    Eine einfache Frage: Wie kommt man auf die Idee, dass der Souverän zu akzeptieren hat, was die Parteien wollen? Volksentscheide würden dazu betragen, dass man wieder für seine Ideen kämpfen muss. Das man für Waffengleichheit sorgen muss, steht außer Frage!

    • @insLot:

      "Das man für Waffengleichheit sorgen muss, steht außer Frage!"

       

      Richtig - und da liegt der Hase im Pfeffer. Denn die Frage ist: Wie macht man das?

    • @insLot:

      Die Parteiendemokratie ist ein(!) möglicher Lösungsweg für den Zielkonflikt, das "einfache" Volk zwar entscheiden zu lassen, es aber dabei mit der komplexen Realität nicht inhaltlich zu überfordern (und ja, sorry, intellektuelle oder auch rein zeitliche Überforderung IST eine reelle Gefahr - NIEMAND ist schlau genug, das ganze Spektrum politischer Entscheidungen wirklich inhaltlich zu durchdringen).

       

      "Die Parteien" sind auch keine außerhalb des Volkes stehenden, homogenen Diktatoren, sondern ihrerseits Ansammlungen von Teilen des Souveräns. Deren Wille drückt sich in den Positionen der Parteien aus, und der Souverän insgesamt kann darüber befinden, ob ihm diese Positionen gefallen oder nicht. Dem Bürger bleibt also in zweierlei Hinsicht das letzte Wort: Als Herr über die Entscheidung, sich selbst in Parteien zu engagieren, UND als (Mit-)Entscheider darüber, WELCHE Parteien mit der Umsetzung politischer Zielsetzungen betraut werden.

       

      Parteien haben die Aufgabe, politische Interessen zu konsolidieren und eine Abwägung zwischen Interessenkonflikten, die zwangsläufig auftreten, innerhalb einer kohärenten Programmatik zu ermöglichen. Wie gut sie dieser Zielsetzung nachkommen, ist natürlich Geschmackssache. Aber dass sich diese Vernetzung einzelner Sachentscheidungen plebszitär und in harten Ja/Nein-Szenarien nur sehr schwer darstellen lässt, sollte eigentlich einleuchten. Da ist nämlich jeder Entscheider letztlich auf sich selbst gestellt.

      • @Normalo:

        Ginge es nach den vielen Linken, würden diese noch das letzte Quäntchen Mitsprache abschaffen, wenn das Volk nicht so tut wie man es selbst für richtig erachtet!

         

        Beispiele siehe Geschichtsbücher oder aktuell Venzuela.

        • @insLot:

          Ich würde es anders formulieren:

          Viele denken offenbar, eine funktionierende Demokratie sei, wenn das Volk freiwillig macht, was SIE für richtig halten. Und dass alles Andere entsprechend eine dysfunktionale Demokratie sei, der man (also Jene, die besser wissen als das Volk, was gut für das Volk ist) mit mehr oder minder sanftem Druck von oben die Richtung vorgeben muss.

           

          Diese (Fehl-)Einschätzung würde ich aber nicht auf das linke Lager beschränken. Rechts davon ist die Neigung, das Volk zu seinem eigenen Wohl zu entmündigen, ebenfalls weit verbreitet.

  • Das Problem an Volksbefragungen sind in aller Regel die Fragen. Sie bestimmen den Ausgang genauso mit wie die "Volksmeinung" selbst und sind nur ganz schwer neutral und "sachdienlich" zu stellen.

     

    Wer z. B. sieht, wie sich in Großbritannien die Brexit-Befürworter mit (mehr oder minder) unterschwelligem Nationalismus und verdrehten, bzw. eindeutig falschen Argumenten durchgesetzt haben, muss sich mit Grausen vom Gedanken von Volksentscheiden zu einfachen Fragen mit derart komplexem Hintergrund abwenden. Die AfD träumt von solchen Szenarien.

     

    Stellt man die Fragen komplexer, droht stattdessen der Vorab-Entscheid durch die einseitge Beleuchtung der Sachfrage vom Blickwinkel des Fragenstellers. Umfragen zeigen regelmäßig, dass - entgegen der geschätzen Meinung des AfD-Wahlprogramms - die Mehrheit in Sachfragen durchaus nicht bedacht und weitsichtig, sondern bevorzugt nach dem Prinzip "Wasch mir den Rücken, aber mach mich nicht nass" befindet. Wenn man also das Volk fragt: "Wollt Ihr weniger Steuern zahlen?", kommt NATÜRLICH regelmäßig ein fröhliches "Ja" raus, auch wenn dieselben Bürger sich nachher maßlos über den schlechten Zustand von Infrastruktur oder sozialen Einrichtungen aufregen. Fragt man, ob das Volk gerne zukünftig vor jeder Flugreise erstmal nach jwd gurken möchte, ist die Antwort ein absehbares "Nein". Das würde aber wahrscheinlich - hätte man sich den Spaß gemacht - nur erschreckend Wenige hindern, sich gleichzeitig gegen Fluglärm im Stadtgebiet auszusprechen. In diesen Fällen macht die Frage das Ergebnis, und wer die stellt, ist - schon aus Gründen des Minderheitenschutzes - nicht notwendigerweise demokratisch legitimiert.

  • Das Problem mit Volksentscheiden auf Bundes- oder gar Europa-Ebene ist, dass die Themen viel zu weit weg von den Menschen und zu abstrakt sind. Die Vereinfachung auf eine abstimmungsfähige Frage - ohne die Nuancen einer Debatte in einem funktionierenden Parlament - tut ein Übriges.

    Auf kommunaler, regionaler und Landes-Ebene dagegen machen Volksentscheide durchaus Sinn: Die Punkte, um die es geht, sind konkreter und lassen sich differenzierter betrachten; sie sind näher bei den Menschen, weshalb auch das Abstimmungsverhalten ein anderes ist.

    Bevor man über Volksentscheide auf Bundesebene spricht, müsste man erst die Politik wieder näher zu den Menschen bringen: Konsequente Subsidiarität, mehr Einbeziehung der Zivilgesellschaft, andere Zuschnitte von Wahlkreisen.

    Letzeres würde z.B. auch heißen, die Reduzierung der Wahlkreise von 2002 zu revidieren (letztlich führte die nicht zu einem kleineren Bundestag, sondern zu mehr Ausgleichsmandaten) bzw. eine Reform des Wahlsystems insgesamt durchzuführen, die der Entfremdung zwischen BürgerInnen und Abgeordneten entgegenwirkt.

  • Die Kontra-Argumente sind schlecht recherchiert. Die sozial schwächeren stehen mit der direkten demokratie nicht schlechter da.staatliche leistungen werden sogar dort effizienter erbracht wo es mehr direkte Demokratie gibt!!siehe artikel!Ausserdem gibt es durch Volksentscheide wenigstens sie Chance neue wegweisende und von den Parteien sonst nicht beachtete themen ernsthaft auf die Agenda zu setzen und zu diskutieren wie zb das grundeinkommen...das bedeutete fette Chancen der politisierung auch für linksliberale projekte!! https://www.heise.de/tp/news/Mehr-direkte-Demokratie-weniger-Staatsschulden-2002157.html

  • „Referenden können aber auch gefährlich sein. Sie eignen sich hervorragend für Rechtspopulisten, um ihre Themen auf die Agenda zu zwingen – und oft genug, um ihre Ziele durchzusetzen“

     

    Genau!

    Mal angenommen, die AfD wird noch stärker (sichtbar an den Wahlergebnissen), und fordert dann ihrerseits Volksabstimmungen. Was dann?

    Dann werden wohl die heutigen Befürworter von Volksabstimmungen genauso vehement deren schnellstmögliche Abschaffung fordern! (Oder wenigstens, dass AfD-Wahler nicht daran teilnehmen dürfen … ?)

    • @Pfanni:

      "Mal angenommen, die AfD wird noch stärker (sichtbar an den Wahlergebnissen)..."

       

      Dann sollten wir schleunigst aufhören, Wahlen zu veranstalten. Viel zu gefährlich!

       

      Demokratie bedeutet, dass die Mehrheit den Kurs bestimmt. Wenn einem die Meinung der Mehrheit nicht gefällt, muss man dagegen ankämpfen. Die Abstimmung zu verbieten, ist nicht nur antidemokratisch, sondern auch eine gefährliche Selbsttäuschung. Wenn die Mehrheit sich nicht von den Regierenden vertreten sieht, wird sie das System stürzen. Heraus kommt dabei meist eine Diktatur.

  • Volksentscheid Ja oder Nein. Dies zeigt bereits eine große Schwierigkeit die das Mehrheitswahlrecht mit sich bringt.

    Eine Frage zu der es eine Vielzahl an Antworten geben könnte wir auf nur 2 Möglichkeiten reduziert. Schwarz oder Weiß, obwohl es möglicherweise noch lila, rot, gelb etc geben würde.

    Hier würde das zum Beispiel heißen: "Ja, unter den konkreten Bedingungen."

     

    Das Mehrheitswahlrecht kommt hier aber an seine Grenzen.

     

    Ich empfehle folgendes kostenloses eBook: "Die Schwächen des Mehrheitsprinzips": eine kritische Analyse von Erich Visotschnig

    • @Bummesbiene:

      Was hat ein Volksentscheid nochmal mit dem Mehrheitswahlrecht zu tun?

  • Ich bin zwar für direkte Demokratie, halte aber den Ansatz wie in der Schweiz für viel zu leicht manipulierbar durch Lobbyisten, Medien und andere Interessengruppen.

    Ich würde den Weg, den beispielsweise Irland in der jüngeren Vergangenheit eingeschlagen hat, für gut halten.

    Wer sich dafür interessiert kann unter „Convention on the Constitution“ suchen oder auch im englischen Wikipedia nachlesen: https://en.wikipedia.org/wiki/Constitutional_Convention_%28Ireland%29

    • @Hulle:

      Der CH-"Ansatz", also die CH-Demokratie, ist aber ziemlich was anderes, als was "man" da rein- oder raus-interpretiert.

       

      (Re: "den Ansatz wie in der Schweiz für viel zu leicht manipulierbar durch Lobbyisten, Medien und andere Interessengruppen")

       

      Und ja, Irland, interessant, ein klitzekleines Fensterchen in die Demokratie. Doch, immerhin!

  • Die Frage ist nicht ob eine direkte Demokratie gut oder schlecht funktioniert, die Frage ist in wie weit die Vertreterdemokratie mit den derzeitigen Vertretern funktioniert.

     

    Schaue ich mir die letzten 20, 10, 4 Jahre an so muss ich sagen dass ich öfter das Gefühl habe die Regierung würde eher schlecht oder gar gegen die Interessen der Masse regieren als das Gegenteil.

     

    Eine demokratische Wiederbelebung finde ich also notwendig, die Frage des WIE darf nicht über das OB entscheiden. Man könnte ja zb nicht bindende aber representative zu Themen Volksbefragungen wie zb CETA durchführen oder dem Brexit durchführen. Wenn dabei rauskommt dass die Masse überhaupt nicht mit der Regierung übereinstimmt ist das eben endlich einmal Druck auf die Regierung es RICHTIG ZU MACHEN!

  • Was unter Ja (Pro) steht, gehört zu 3/4 unter Nein (Kontra). Etikettenschwindel. Eigentliche Pro -Argumente werden kaum genannt. Nur dumme parteipolitische Ängste geschürt.

    Wirklich sehr sehr unterkomplex.

     

    Schade.

  • Ich versuch's mal mit einem Beispiel:

     

    Vor ca. 2 Jahren, auf dem Höhepunkt der TTIP/CETA-Kontroverse, beschloss ich, mich argumentativ "aufzumunitionieren" und mich über den Inhalt der damals noch sehr spärlich und fast nur auf Englisch verfügbaren Vertragsentwürfe selbst schlau zu machen. Trotz juristischer Vorbildung war der zeitliche Aufwand, mich durch die unübersichtliche Struktur und das ungewohnte Juristen-Englisch "zu fressen", immens. Ein voll Berufstätiger kann das nicht leisten - und erst recht nicht übrigens ein terminlich voll ausgebuchter Bundesminister oder gar die Kanzlerin. Meine Erkenntnis damals: Merkels und Gabriels Einsätze für diese potenziell demokratievernichtenden Abkommen konnten nicht auf eigener Erkenntnis, sondern nur auf den Einflüsterungen von Beratern ihrer Berater basieren.

     

    Ein Plebiszit über eine derart komplexe Materie - und deren gibt es entsetzlich viele - wäre eine Farce, ein gefundenes Fressen für Demagogen aller Couleurs, und üblicherweise gewinnen die mit dem größten finanziellen Hintergrund. Die Politiker sind zwar nicht klüger als zumindest der alphabetisierte Teil des Volks, aber hinter ihnen stehen Menschen, die dafür bezahlt werden, von den Dingen etwas zu verstehen. Dass in vielen Fällen letztlich parteiideologisch entschieden wird, steht auf einem anderen Blatt. Aber: Dagegen lässt sich evt. in der nächsten Legislatur vorgehen - ein Plebiszit, wie dämlich auch immer im Ergebnis, ist fast nicht mehr angreifbar.

    • @Bitbändiger:

      Fast schon lustig, wie manche Leute nach Gründen suchen, ein Plebiszit schlecht zureden. Für die Aufklärung, wie bei ihrem TTIP-Beispiel, wäre (Betonung auf wäre) eigentlich die sog. 4. Macht, die Medien, zuständig.

       

      Bei TTIP konnte man sehen, wie sich breite Massen dagegen streubten, Demos, Petitionen usw. Aber alles Politische ging in Richtung Beschwichtigung und Verabschiedung. Am Ende entschied ein Mann drüber: Donald Trump! Kaum war er an der Macht vermeldete Frau Malmström dass TTIP nicht umzusetzen sei. Zu hart einfach. Da streuben sich monatelang ganze Massen, es war das Thema, dann entscheidet es sich an einem Trump.

       

      Wahlen sind auch kleine Plebiszite...die Argumente die Sie dagegen bringen, sind nur modernere Variationen einstiger Monarchen, die "dem Volk" einfach jegliche Fähigkeit absprachen politisch mitzuwirken...die mit freiheitlicher Salamitaktik die Schäfchen im Stall hielten.

       

      Bleibt noch: demonstrieren erlaubt. Man darf bissle Fähnchen und Wimpel schwingen...aber soll nichts entscheiden können...dass es halt so ausschaut, ob...

      • @Grmpf:

        Jetzt bin ich aber tief beeindruckt von der Wucht Ihrer Argumente, @GRMPF. Für die Aufklärung der Faktenbasis wären die Medien "zuständig"? Welche? Einige taten das tatsächlich, andere hämmerten ein stereotypes "Freihandel ist gut!" in die Welt und stützten damit das Verschleierungsgeschwurbel der Kanzlerin und des Wirtschaftsministers. Wie ein Plebiszit ausgegangen wäre, ist völlig offen - die Grundfrage ist zum Glück anlässlich CETA beim Verfassungsgericht anhängig.

         

        Jedenfalls sträuben (sic!) sich mir alle Haare bei der Vorstellung, solche komplexen Themen (oder der Kohleausstieg oder Kfz-Grenzwerte etc.) könnten Gegenstand des Demagogiegetrommels der Lobbyverbände und ihrer Hilfskräfte in der Politik werden.

      • @Grmpf:

        Bitbändiger hat schon Recht - um beim Beispiel zu bleiben:

        Die Kritik "aus dem Volk" an TTIP war auch parolenartig und wenig fundiert. "Demokratiefeindlich" ist ein schönes Schlagwort, aber wie einem Skeptiker erklären, dass ein Handelsabkommen die Demokratie aushebeln kann?

         

        Die Medien sind übrigens auch nur sehr begrenzt objektiv und zur Vollständigkeit fähig. Die meisten sagen oder schreiben letztlich gezwungenermaßen, was ihre Konsumtenten hören bzw. lesen wollen, so dass die "4. Gewalt" letztlich dazu tendiert, die Mehrheitsmeinung der Lesenden zu reflektieren, statt das ganze Volk neutral zu informieren. Außerdem hat auch ein Redakteur nicht notwendigerweise die Zeit, sich in so einen komplexen Vertrag wie TTIP voll einzuarbeiten. Auch er ist im Zweifel also auf Hörensagen angewiesen.

        • @Normalo:

          Jetzt ist TTIP ja Geschichte und wird nicht verwirklicht.

           

          Könnte mir mal jemand sagen, wo jetzt die von den angeblich gut ausgebildeten Beratern der Politiker vorhergesagten Folgen sind, welche ja erhebliche Nachteile für die deutsche Wirtschaft darstellen sollten?

           

          Ich weiß nur, dass gerade diese Politiker damit Werbung machen, dass wir gute Arbeitsmarktzahlen hätten.

           

          Irgendwas kann da nicht korrekt sein. Zumindest ist auf die Meinung der "Experten" nicht viel mehr Wert zu legen wie auf die Meinung irgendwelcher xbeliebiger Menschen aus der Bevölkerung.

  • Schade, eine wichtige Debatte in solch unterkomplexen Art behandelt zu sehen.

     

    Insbesondere sehr schade, dass Herr Maurin offensichtlich die Bevölkerung für dämlicher hält als Politiker. Exakt da liegt der Fehler: Sollte dies stimmen, müsste in der Diskussion um Volksentscheide die Frage (und Lösung!) im Vorfeld gesucht werden. Nämlich in einer Bildung, die die Menschen dazu befähigt, ihre Interessen zu vertreten.

     

    Herr Maurin scheint dem von mir wenig goutierten Gesellschaftsmodell anzuhängen, dass wir allwissende Eliten und dämliche WählerInnen haben.

    Von AlltagsexpertInnen, Beiräten etc. scheint in diesen Gedanken keine Ahnung zu stecken.

     

    Herr Maurin fröhnt offensichtlich einem Demokratieverständnis, das eben dieses in der bisher erlebten Demokratie ganz affirmatv zustimmt.

    Dass daraus "Politikverdrossenheit" und die Wahl der AFD resultieren, sollte nicht mehr verwundern.

     

    Ein Wort noch zur Sphäre des Journalismus: Auch hier bedient Herr Maurin eine Haltung, die in solchen Zeiten des Umbruchs niemand mehr ernst nimmt: Es liest sich wie die Aufforderung zur Obrigkeitshörigkeit.

     

    Herr Maurin, diese Zeiten sind vorbei!

    • @sagbar:

      Es gab da mal einen passenden Spruch, den ich zwar nicht mehr zu 100% zusammenbekomme, aber der in etwa so lautete:

       

      "Ein Mensch ist intelligent, eine Gruppe von Menschen ist chaotisch"

       

      Die Bevölkerung ist in gewisser Weise "dämlicher" als viele Berufspolitiker, wobei ich hier dämlich nicht mit dumm gleichsetze, sondern eher mit unwissend.

      Es gibt ja Forderungen zu Volksentscheiden über Themen, die so komplex sind und tiefgreifend sind, dass der durchschnittliche Bürger mit seinem Wissen darüber nicht mal ansatzweise an der Oberfläche kratzt. Ich wage mal zu behaupten, dass viele Menschen sich ihre Meinung zu einem Thema anhand von Medienartikeln, Blogeinträgen, Videos etc. bilden, aber wohl nur eine Minderheit macht sich mit einer Thematik wirklich vertraut und recherchiert. Wobei wir da noch nicht mal bei dem Punkt angekommen sind, aus dem gewonnenen Wissen Rückschlüsse auf die Auswirkungen eines Volksentscheids zu ziehen.

       

      Politiker haben in diesem Punkt den Vorteil, dass sie je nach Position einen mehr oder weniger großen Mitarbeiterstab haben, gern auch mit Experten auf einem Gebiet, und auf Informationsquellen zugreifen können, die uns Normalbürgern gar nicht zugänglich sind (Geheimdienste, Thin Tanks, Forschungseinrichtungen etc., Erhebungen durch Behörden).

       

      Und vergessen wir nicht den emotionalen Faktor der Masse, die gern mal zu einer Sache ja oder nein sagt, weil sie sich gut oder schlecht anhört.

       

      Man kann Volksentscheide vielleicht als Stimmungstest nehmen, aber dann sollte man als Hürde auch eine hohe Wahlbeteiligung setzen. Wie aussagekräftig ist ein Volksentscheid, wenn nicht mal die Hälfte des "Volkes" wählen geht?

      • @Jan Berger:

        Was für ein schöne Plädoyer für die schöne Staatsform der Diktatur. Das Volk ist dumm und muss gelenkt werden. Lassen sie mich raten die VR China ist ihr großes Vorbild. Da werden Leute in langen Jahren in der Partei angelernt die dann über die blöde Masse entscheiden können.

         

        Ihre Demokratiefeindlichkeit ist widerlich.

         

        PS: Eine Gruppe von Menschen ist nur dann chaotisch wenn sie keine guten Regeln hat und die sind im besten Fall eben von der Gruppe selbst ausgehandelt.

      • @Jan Berger:

        "Politiker haben in diesem Punkt den Vorteil, dass sie je nach Position einen mehr oder weniger großen Mitarbeiterstab haben, gern auch mit Experten auf einem Gebiet, und auf Informationsquellen zugreifen können, die uns Normalbürgern gar nicht zugänglich sind (Geheimdienste, Thin Tanks, Forschungseinrichtungen etc., Erhebungen durch Behörden)."

         

        Und vor allen Dingen auf Lobbyisten, die den Politiker beeinflußen werden, im Interesse der Lobby abzustimmen.

        Da muss eine Lobby bei einer Abstimmung eines Volksentscheides schon mehr investieren als ein paar Gespräche und Pöstchenangebote für die Zeit nach dem Abgeordnetensein, wenn sie die ganze Bevölkerung überzeugen will.

  • Herr Maurin scheint leider sehr wenig von der Schweiz zu wissen oder zu verstehen.

    Zur Stimmbeteiligung: Es stimmt, die Wahlbeteiligung bei einzelnen Abstimmungen ist relativ niedrig, viele Bürger stimmen nicht immer ab, weil die spezifischen Thema sie nicht ineressieren, oder weil sie sich keine abschliessend Meinung bilden können oder wollen. Über das Jahr verteilt ist die Stimmbeteiligung allerdings über 70%. Über 5 Jahre sind es sogar 90%.

    Die Schweiz ist seit 150 Jahren ein liberal-bürgerliches Land, dementsprechend fallen auch die Ergebnisse bei den Abstimmungen aus. Nur muss ich sagen, wenn ich die Sozialsysteme in Deutschland und der Schweiz vergleiche, "schützt" die representative Demokratie "die Armen" auch nicht im Masse, wie sich Herr Maurin das wohl wünscht.

    Ganzlich lächerlich wird es, wenn der Autor im unteren Abschnitt Referendum und Initiative vermischt. Der Sündenfall Minarettinitative war eine Initiativen, sprich jemand hat 100000 Unterschriften gesammelt und das Volk hat der Verfassungsänderung zugestimmt. Ein Referendum kann mit 50000 Unterschriften ergriffen werden, wenn einem ein Gesetzt, dass vom Parlament ausgearbeitet wurde, nicht passt.

    Welchen "hohen Preis" der Autor meint wird leider auch nicht ausgeführt. Falls er sich auf die Masseneinwanderung bezieht, hat der Autor recht, nur beinhaltet Freiheit auch die Möglichkeit, sich in das eigene Knie zu schiessen.

  • Eine Einflussnahme durch die Wirtschaft findet auch in der Repräsentativen Demokratie statt. Der Unterschied ist das man in der repräsentativen Demokratie viel zielgerichteter beeinflussen kann. Dreihundert Menschen sind leichter zu bestechen als 66 Millionen wahlberechtigte Menschen.

    Dazu kommt das Entscheidungen in einer konkreten Frage viel leichter getroffen werden können als die Wahl des Repräsentanten oder der Partei. Eine Partei oder ein Kandidat ist immer auch ein Kompromiss und mit einer gewissen Unberechenbarkeit verbunden. Die eigene Entscheidung in einer Sachfrage ist da deutlich leichter zu wählen.

     

    Volksentscheide sind ein gutes Instrument zur Stabilisierung der Demokratie und gegen radikale Positionen von rechts und links. Es wird sicher einige Entscheidungen geben die mir nicht schmecken aber da muss man einfach mal Prinzipientreu sein und auch ungenehme Entscheidungen ertragen. Ich glaube das nennt sich Toleranz, wenn man etwas erträgt was einem eigentlich nicht gefällt. Versucht es doch mal mit dieser Toleranz,… empfehlt sie nicht immer nur anderen

  • Wer nicht zu Wahlen geht, geht auch nicht zu Plebisziten. Und wenn er dann doch hingeht, ist er von massiven Werbekampagnen jedweder Couleur dermaßen beeinflusst worden, dass von einer freien, unbeeinflussten Stimmabgabe bestimmt nicht die Rede sein kann.

    Und die diversen Argumente, dass Plebiszite zwar einerseits aber auch andererseits....sind für mich nur der Ausdruck des eigenen Unbehagens und der Hoffnung, dass Plebiszite die eigene Meinung und Überzeugung stärken würden.

  • Volksabstimmungen in der Schweiz haben mir in der Zeit, in der ich dort gelebt habe, gezeigt, dass das Volk auch eine Stimme haben darf, die es jedem ermöglicht direkt an der Politik teilzuhaben.

    In meiner Zeit wurden in der CH einige Abstimmungen in die Wege geleitet, die der Regierung auch sehr dabei geholfen haben, eine Politik zu Gunsten aller leichter auf den Weg zu bringen.

    So wurde z.B. beschlossen, den Benzinpreis zu erhöhen, um die Energiekrise Anfang der 1990er besser in den Griff zu bekommen.

    Es gibt viele kleinere Abstimmungen, die zeigen, das es Sinnvoll sein kann, das Volk direkt an der Politik zu beteiligen.

    Leider gab es aber auch Abstimmungen, die der CH auf Dauer hätten Schaden können, so wie der Beitritt zur EU oder eben nicht. Die CH ist nicht in der EU, laut Willen des Volkes.

     

    Wenn man die Regeln für eine Volksabstimmung den Begebenheiten jedes mal anpassen würde, z.B. eine Mehrheit von 75 % und eine Wahlbeteiligung von mindestens 60%, um die Abstimmung gültig sein zu lassen, hat man allerdings auch ein Instrument in der Hand, mit dem man die Politikverdrossenheit der Bürger schnell wieder herabsetzen könnte.

     

    Es ist auch nicht zwingend wichtig jedes einzelne Vorhaben der Regierung entscheiden zulassen, man kann ja auch Abstimmungen veranstalten, die der Regierung helfen gewisse Richtungen, dem Volk entsprechend, Folge zu leisten.

    Den Politikern werden durch den Ausdruck des Wählerwillens ja auch direkte Entscheidungshilfen an die Seite gegeben, wo nach besser, Volksnäher gehandelt werden kann.

     

    Es wäre doch für alle von Vorteil, wenn dem Wähler eine gewisse Kompetenz zu getraut wird, mit der man dann sicher auf ein Thema zugehen kann, um es verträglicher für Alle zu machen!

     

    Wichtig ist eben eine gute Regelung zu finden, die der Politik erlaubt Volksentscheide auszurufen, aber der Politik auch eine Möglichkeit an die Hand gibt zu entscheiden in wie Weit sie dieser Wahl dann zustimmen muss oder kann!!!

  • Ich fände ein System mit Volksentscheiden richtig und empfände es als Ausbau der Demokratie.

    • @Grmpf:

      und wenn dadurch die Rechten "ihre" Welt Realität werden lassen?

      • @danny schneider:

        Wenn sie die Mehrheit haben...

      • @danny schneider:

        Soso, "Demokratie" ist also lediglich unter "Linksvorbehalt" existent...wir entscheiden also von Fall zu Fall ob und wie und wann eine Entscheidung "demokratisch" legitimiert ist,ja? Wie heißt denn das zuständige Gremium? Zentralkomitee? Wahrheitsministerium? "Gremium zur Entscheidung demokratischer Anliegen"?

  • Ich als Schweizer würde nicht sagen, dass die Bilanz von Volksabstimmungen in der Schweiz "aus linker Sicht miserabel" sei. Durchwachsen, ja. Die eher geringe durchschnittliche Beteiligung gilt aufgrund der Tatsache, dass Volksabstimmungen Alltag sind, als normal: man wird eben ständig zur Urne gebeten, auch zur Abstimmung über eher obskure Themen, die den individuellen Alltag wenig berühren. Das führt zu einer gewissen Ermüdung.

     

    Das Ergebnis der Abstimmungen pauschal als "unsozial" zu bezeichnen und die Schweiz gar mit Kalifornien in einen Sack zu stecken ("In der Schweiz und Kalifornien ...") scheint mir aber von mangelhafter Recherche zu zeugen. Das Schweizer Volk hat zu internationalem Erstaunen Steuersenkungen mehrfach *abgelehnt*, zuletzt erst dieses Jahr eine Unternehmenssteuerreform ("USR III"), die Steuerausfälle in Milliardenhöhe zur Folge gehabt hätte. Die Gewerkschaften, u.a. der VPOD (bin Mitglied), haben dieses Ergebnis der Volksabstimmung als grossen Sieg gefeiert. In diesem Fall wurde also dank Volksabstimmung eine vom Parlament gewollte unsoziale Massnahme versenkt - ein Erfolg für die Linke, der ohne dieses Instrument nicht möglich gewesen wäre.

     

    Es gibt andere Abstimmungsergebnisse, bei denen ich nur den Kopf schütteln konnte, wie z.B. das unsinnige symbolpolitische Minarettverbot. Dann wieder solche, die sehr erfreulich waren, wie 1994 die Alpeninitiative, die in der Verfassung festgeschrieben hat, dass der alpenquerende Transitverkehr auf die Schiene verlagert werden soll. Zusammenfassend: Durchwachsen, wie gesagt. Manchmal freut man sich, manchmal ärgert man sich - aber quer durch alle politschen Lager gibt es in der Schweiz kaum Zweifel daran, dass unsere halbdirekte Demokratie mit ihren Volksabstimmungen in unserem Land funktioniert. Ich würde es aber nicht wagen, Vermutungen darüber anzustellen, ob das System auch in Deutschland funktionieren würde. Die Rahmenbedingungen sind in zu vielen Punkten anders.

    • @Herumreisender:

      Yepp, wir südlich des Rheins tun es (und wissen es darum besser:-)

      Doch die nördlich des Rheins entdecken es erst. Seitdem zwei Bayern aus dem WWII-Exil aus der Schweiz zurückkehrten. Einige ängstigen sich aber immer noch davor, weil sie es nicht kennen.

  • Lustich...

     

    Richtich lustich war damals der Volksentscheid zu Stuttgart 21. Erinnert sich jemand?... Und die vielen teuren Anhörungen, der Aufwand...

    Und noch lustiger, dass S21 unter einer grünen Landesregierungt gebaut wird.

    Find ich gut!

     

    "Demokatie ist lustig."

    (Joseph Beuys)

    • @Hartz:

      Ist vielleicht(?!) lustig, doch immee noch keine Demokratie:-(

      • @vjr:

        Jeden Tach Volksentscheid!

        ...

  • 4G
    41500 (Profil gelöscht)

    Die Nein-Argumentation in diesem Artikel ist wirklich nicht stichhaltig, sondern zeugt von antidemokratischem Dogmatismus.

     

    Dass in der Schweiz lediglich im Sinne von Lobbyisten oder mit dem Effekt von weniger Steuereinnahmen abgestimmt wird, ist völliger Schwachsinn. Bitte informieren Sie sich über die Abzockerinitiative und die diesjährige Abstimmung zur Unternehmenssteuerreform III. Wenn man sich ferner anschaut, dass in der Schweiz auch für die Begrenzung des Lastwagenverkehrs oder für die Subventionierung des öffentlichen Verkehrs abgestimmt wird, kann man auf keinen Fall behaupten, dass man als politisch linker gegen Volksabstimmungen sein sollte.

     

    Anhand der Volksbefragungen in Hamburg kann ich Ihnen drei Beispiele nennen, die zeigen, dass direkte Demokratie sinnvoll ist:

    1. Die Abstimmung zur Schulreform

    2. Die Abstimmung zur Seilbahn

    3. Die Abstimmung zu Olympia: viele Hamburger möchten nicht, dass ein Sportzirkus ihre Stadt lahmlegt und den Hamburgern dafür noch viel Geld aus der Tasche gezogen wird, um das ohnehin reiche olympische Kommitee weiter zu bereichern. Da im Artikel so gerne die Schweiz als Beispiel genommen wird, möchte ich noch erwähnen, dass in den letzten Jahren bei sämtlichen Abstimmungen in der Schweiz gegen Olympa abgestimmt wurde.

  • Die Argumentationen sind zwar beiderseits nachvollziehbar, allerdings sind Ja oder Nein 2 lediglich Seiten einer Medaille. Politik ist mehrdimensionaler. Ich fände es unter bestimmten Umständen begrüßenswert, hier und da eine Volksabstimmung zu haben. Die Umstände sollten dann sein, dass über das jeweilige Thema sachlich informiert wird, über fundiertes Pro und Kontra und keinesfalls lobbyistisch (ich weiß, das wird schwierig) und dann eben auch in sog. leichter Sprache. Außerdem, sollte das Thema einigermaßen überschaubar sein, solche Fragen wie ein EU-Austritt bspw. sind m. E. zu komplex, als dass Bürger*innen respektive Wähler*innen darüber entscheiden sollten. Und schon gar nicht über etwaige Beschneidungen der Grundrechte.

    Wenns nach mir ginge, würde die Verwendung von 50% jener Staatsausgaben, die via Steuerzahlung finanziert werden per Plebiszit entschieden (auch wenns naiv und/oder illusorisch klingen mag)...

    • @HopeDrone:

      EU-Austritt zu komplex als dass die Wähler*innen darüber entscheiden sollten?

       

      Ich finde diese Aussage die ich immer wider höre erschreckend. Das sind die wichtigsten Richtungsentscheidungen und müssen vom Volk getragen werden. Die Alternative ist doch dass man nur über Pillepalle abstimmen sollte. Ein wenig Scheindemokratie um die dummen Normalos zu unterhalten. Außerdem nach welchen Gesichtspunkten soll ich mich den richten wenn ich mich bei einer Wahl für eine Partei entscheiden soll? Ich schaue mir doch die wichtigsten Programmpunkte der Parteien ab (z.B. wie sie zur EU steht) und entscheide mich dann. Bei einer Bundestagswahl muss ich also nicht nur über ein komplexes Thema sonder meist über ein Bündel komplexer Themen entscheiden. Wenn ich schon ein komplexes Thema nicht bewerten kann wie soll ich dann viele bewerten.

       

      Demokratie geht nur unter der Voraussetzung das ich den Wählern zutraue Verstand zu haben und entscheiden zu können, jede*r der/die das nicht tut ist im Grunde kein Demokrat.

      • @DieLinkeIstRechtsGeworden:

        Volksentscheide über derart gravierende Themen wie EU-Austritt erforden für ihre Gültigkeit mehr als die einfache Mehrheit der Abstimmenden. Darin liegt für mich der Fehler in Großbritannien.

        Was derart witreichende Folgen hat erfordert eine 2/3 Mehrheit aller Stimmberechtigten(!) um im Ergebnis ausreichend legitimiert zu sein. Verfassungsänderungen benötigen eine 2/3 Mehrheit des Bundestages und sind für den Kernbestand der Grundrechte ausgeschlossen.