Politischer Aschermittwoch der CSU: Mit vollen Bierkrügen gegen Drogen
CSU-Chef Söder läuft sich für den Landtagswahlkampf warm. Am Aschermittwoch warnt er vor grüner „Woke-Wolke“ und Cannabis-Legalisierung.
Es muss eine entbehrungsreiche Zeit für die Menschen gewesen sein, die am Mittwoch die Dreiländerhalle in Passau füllen. Drei Jahre lang hat hier kein Politischer Aschermittwoch mehr stattgefunden, zumindest keiner, der den Namen verdient hätte.
2021 kam Markus Söder pandemiebedingt allein in die Halle, versuchte seinen Fans draußen an den Apparaten digitale Bierseligkeit zu übermitteln. Im vergangen Jahr dann entfiel die Veranstaltung wegen des Krieges. Der dauert zwar noch an, aber dauerhaft will man sich das Feiern halt doch nicht versagen, schon gar nicht im Wahljahr.
So sind sie denn an diesem Vormittag wieder da, die „gefühlten 10.000 Menschen“, die der noch amtierende niederbayerische CSU-Bezirkschef Andreas Scheuer so gern beschwört. Dass in die Halle nur 4.000 Leute passen – geschenkt. Es sind gefühlte Wahrheiten, die in Passau zählen.
Als „größten Stammtisch der Welt“ bezeichnen die Christsozialen ihr Spektakel gern, auch als „Südkurve der CSU“ oder „Jahreshauptveranstaltung des Vereins für klare Aussprache“. Man könnte auch von einer Verlängerung des Faschings sprechen. Söders Büttenrede jedenfalls trifft auf ein denkbar dankbares Publikum. Die Stimmung ist gut, schon eine Stunde vor Beginn der Veranstaltung sind die ersten Maßkrüge weitgehend geleert.
„Glücksland“ Bayern
Es ist ein Medley aus seinen Evergreens und den aktuellen Hits, die der CSU-Chef in einer anderthalbstündigen Show zum Besten gibt. Die zwei Hauptteile: Bayernlob und Ampelbashing. „Wir sind die Stärksten, wir sind die Besten, wir sind in Passau“, ruft Söder seinen Mannen zu – Frauen sitzen im Publikum tatsächlich nur gefühlte zehn, um im Scheuer-Duktus zu bleiben.
„Bayern ist der deutsche Meister der Integration“, stellt er an anderer Stelle fest. Und: „Wir sind das Glücksland. Bei uns lebt man länger und bei uns lebt man besser.“ Auch das beste Essen der Welt, die niedrigste Armutsquote und Kriminalitätsrate – klar, in Bayern.
Man kommt nicht umhin, an einen Satz zu denken, den Markus Söder in den vergangenen Monaten mit Blick auf den Wahltag im Oktober immer wieder formuliert hat: Hybris sei das einzige, was seiner Partei jetzt noch schaden könne.
Angst vor Drogen
Zweiter Teil: Ampelbashing. Wobei es Söder ein Teil der Ampel besonders angetan hat. Klar, es geht am Rande auch gegen SPD und FDP, da wird noch mal gegen Ex-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht („Den Namen müssen Sie sich nicht mehr merken“) ausgeteilt oder gegen FDP-Chef Christian Lindner, den „Schulden-Chrissi von Deutschland“. Und Franziska Giffey muss weg, ebenso wie die Erbschaftssteuer.
Aber es sind die Grünen, das wird schnell klar, die sich Söder als Hauptgegner für die im Oktober anstehende Wahl auserkoren hat. Angst einflößende Bilder beschwört der Ministerpräsident, wenn er über sie spricht: „Eine düstere Woke-Wolke verdüstert den weiß-blauen Himmel in Bayern“, sagt er und warnt seine Zuhörer, was alles auf sie zukomme. Außerdem seien sie ein „Sicherheitsrisiko für unser Land“ und redeten sie sich geradezu in einen Kriegsrausch. Dasselbe in der Energiepolitik. „Sie faseln von Klima und baggern nach Kohle.“
Vor allem aber seien die Grünen sehr zielstrebig beim Umbau der Gesellschaft. „Sie wollen ein anderes Deutschland.“ Ihr Motto: „Am grünen Wesen soll die Welt genesen.“ Wieder einmal spricht Söder von „Umerziehungsphantasien“. Die Grünen wollten die Genderpflicht einführen und dass man künftig von Schützenbrüderinnen sprechen müsse und von Elternmilch statt Muttermilch.
Nicht einmal schwarzfahren dürfe man mehr, wahrscheinlich dürfe sich auch seine Partei bald nicht mehr als die Schwarzen bezeichnen, sondern nur noch als „most indigene party“. Söder fasst sich an den Kopf, gibt sich empört: „Das ist doch nicht mehr normal, das ist doch völlig überdreht.“ Die Grünen stünden für Verbot, sogar Luftballons wollten sie verbieten, und hegten eine regelrechte „Fleisch- und Wurstphobie“. Sie seien die „größten Stimmungskiller der Nation“.
Dass sich die Christsozialen dagegen als die größten Stimmungskanonen der Nation sehen, daran besteht in Passau kein Zweifel. „Wir sind keine Ampel-Spießer, bei uns kann jeder nach seiner Façon leben.“
Die Attacke dürfte einen Vorgeschmack auf die acht Monate bis zur Landtagswahl geben. Dass sich Söder dafür die Grünen als Ziel ausgesucht hat, ist kein Zufall. Aktuell stellen sie die einzige ernstzunehmende Oppositionspartei in Bayern dar. Sollten sie zu stark werden, könnte es theoretisch passieren, dass es für eine Zweierkoalition ohne ihre Beteiligung nicht mehr reicht. Deshalb verspricht Söder schon mal vorsorglich: Schwarz-Grün werde es in Bayern nicht geben.
Schließlich ist da ja auch noch die Sache mit den Drogen. Die wolle die Ampel, allen voran natürlich wieder die Grünen, legalisieren. Söder spricht nicht von Cannabis, sondern ganz allgemein von Drogen. „Ich will für Bayern keine Drogen auf der Straße und keinen Zugang für unsere Kinder“, ruft er. Der Beifall in der schon spürbar alkoholgeschwängerten Halle ist groß. Es ist der gefühlt stärkste Beifall an diesem Aschermittwoch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland