Parallelen zwischen Krieg und Klima: Krise? Sie machen Witze
Ein Perspektivenwechsel lässt Parallelen beim Krieg in der Ukraine und der Klimakrise erkennen. Beide Themen verstehen die Deutschen nicht.
W er mit Fieber im Bett liegt, dem wird klar: Kleine Abweichungen können einen wirklich umhauen. Zwei Grad Celsius mehr für meinen Körper machen mich fertig, zwei Grad Celsius mehr für die Erdatmosphäre sind eine Katastrophe. Zwischen Klimaschutz und Klimaschmutz macht nur ein fieses kleines „m“ allen Unterschied. Und ob der UN-Sicherheitsrat tagt oder der Unsicherheitsrat, entscheidet die Hochstelltaste.
Wie kleine Änderungen die Perspektive verschieben, merkte ich, als ich letztens einen Text des britischen Historikers Timothy Garton Ash las. Er hatte in der Süddeutschen Zeitung nach der Münchner Sicherheitskonferenz einen kurzen Essay zum Ukrainekrieg geschrieben. Tenor: „Die Deutschen haben wie so viele Europäer nicht wirklich verstanden, was eigentlich seit zwei Jahren los ist.“
Ich konnte nicht anders, als beim Lesen den Begriff „Krieg“ durch „Klimakrise“ und die „zwei Jahre“ durch „zwanzig Jahre“ zu ersetzen. Und Ashs Text las sich wie eine genaue Beschreibung dessen, was in Bezug auf die multiple Krise von Klima, Artenvielfalt und Plastikmüll derzeit (nicht) passiert.
Ash beschreibt die Berichte der Opfer, die unter der Krise leiden und der Verantwortlichen, die ihnen auf der Klima- (äh… nein) Sicherheitskonferenz zuhören. Und vor der Tür: „Wochenendtrubel: Menschen, die den für diese Jahreszeit unüblichen (ach nein!) Sonnenschein in schönen Cafes und Bars genossen, in Luxusläden einkauften oder einen Kurzurlaub (ach so!) buchten.
Ein wohlhabendes, geradezu verzärteltes Leben im Frieden. Europa im Krieg (für mich: in der Klimakrise)? Sie machen Witze.“ (Anm. d. Red.: Kursiv sind die Einschübe des Autors, sie sind nicht Teil des Originalzitats) So fühle ich mich, wenn ich von einer Klimakonferenz zurückkomme: War da was?
Fehlende Leidenschaft für die richtige Sache
Der Historiker weiter: Die Regierungschefs „schaffen es nicht, ihren jeweiligen Gesellschaften das Gefühl einer existenziellen Bedrohung zu vermitteln. Und erst recht nicht unternehmen sie dringend genug das, was nötig wäre“, schreibt Ash. Deutschland sei einer der größten Unterstützer für die richtige Sache, aber es „muss wollen, dass die richtige Seite gewinnt – und nicht bloß, dass sie nicht verliert.“
Die Anführer der großen Länder sollten außerdem „von den kleineren lernen“ (ich denke an die Klima-Vorreiter Nepal, Costa Rica, Kenia). Politiker „müssen zu einer Sprache finden, die direkt, leidenschaftlich und inspirierend ist. Gesellschaften, die immer noch voll im Friedensmodus leben, (…) müssen aufgeweckt werden“. Und Ash zitiert den tschechischen Premier: „Das eine Opfer, das wir alle bringen können, ist unsere eigene Komfortzone zu reduzieren“.
Klar: Vorsicht mit Kriegsmetaphern in der Klimakrise, vom Gerede von Kriegswirtschaft und totaler Mobilmachung. Aber ich würde schon gern mal hören, wie einE BundeskanzlerIn eine „Zeitenwende“ für Klima und Artenvielfalt ausruft. Und die Investitionen dafür mit zwei Prozent des BIP ansetzt.
Denn auch da ähneln sich die Meldungen. In der gleichen Zeitung steht: „Eine Lücke von 56 Milliarden Euro“. Gemeint sind Militärausgaben, die 2024 mit 52 Milliarden 11 Prozent des Bundeshaushalts ausmachen. Nicht gemeint, aber mindestens genauso unterfinanziert: Der Haushalt für Wirtschaft und Klimaschutz mit 11 Milliarden oder 2,3 Prozent des Budgets.
Um mit Ash zu sprechen: Die Deutschen haben nicht wirklich verstanden, was eigentlich los ist.
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