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Ostermärsche 2025Friedensbewegung hofft auf Zulauf

Mehr als 100 Ostermärsche sind angekündigt. Im Fokus steht auch dieses Jahr der Protest gegen Aufrüstung und Kriege.

Der erste Ostermarsch in diesem Jahr fand am Samstag in Potsdam statt. Zahlreiche weitere folgen am kommenden Wochenende Foto: Jens Kalaene/dpa

Göttingen taz | Die Friedensbewegung hofft angesichts eskalierender Kriege und Krisen sowie massiver Aufrüstungsprogramme in Deutschland und in der Welt auf eine rege Beteiligung an den diesjährigen Ostermärschen. „Die Ostermärsche 2025 werden einen deutlichen Kontrapunkt zu den Debatten um Aufrüstung und Kriegstüchtigkeit setzen“, sagt Kristian Golla vom Netzwerk Friedenskooperative in Bonn.

Bundesweit seien am Osterwochenende in mehr als 100 Orten Demonstrationen, Kundgebungen und Mahnwachen geplant. Das Netzwerk mobilisiert mit dem Aufruf „Kriege stoppen – Frieden und Abrüstung jetzt!“ zu den Osteraktionen. Der Appell erschien als Anzeige in mehreren Zeitungen, darunter der taz.

„Wir brauchen keine Milliarden für eine ungezügelte Aufrüstung und ein globales Wettrüsten, sondern Abrüstung und Rüstungskontrolle“, erklärt das Netzwerk. Sozialabbau oder neue Schulden für militärische Aufrüstung auf Kosten von Bildung, Klimaschutz und dringend benötigten Investitionen seien inakzeptabel.

Die Ostermarschierer fordern mehr Einsatz für diplomatische Initiativen zur Beendigung der Kriege, insbesondere in der Ukraine und Gaza. „Die Friedensbewegung begrüßt die derzeit laufenden Bemühungen um Verhandlungen über einen (teilweisen) Waffenstillstand in der Ukraine – auch wenn diese momentan nur bescheidene Ergebnisse vorweisen können“, heißt es. Einseitige Kompromisse zulasten der Ukraine könnten allerdings nicht zu einem gerechten und nachhaltigen Frieden führen.

Aktionen auch in vielen kleineren Orten

Zwei weitere Dachverbände, die Kooperation für den Frieden und der Bundesausschuss Friedensratschlag, haben einen eigenen Aufruf verfasst. „Die diesjährigen Ostermärsche finden in Zeiten extremer Zuspitzungen statt“, steht darin. Der beherrschende Tenor in Politik und Medien sei der eines bevorstehenden militärischen Konfliktes mit der beständigen Aufforderung, kriegstüchtig zu sein. Diese „Kriegsertüchtigung“ und Militarisierung durchdringe alle zivilen Einrichtungen.

Zudem drohe auch von Seiten Deutschlands eine Relativierung internationalen Rechts und die Missachtung eigener Beschränkungen von Waffenexporten in Krisen- und Kriegsgebiete. Diese Sorgen und Ängste vieler Menschen fänden in den Ostermärschen „ein politisches Ventil“.

Nach dem Auftakt am vergangenen Samstag in Potsdam, an dem mehrere hundert Menschen teilnahmen, finden die übrigen Demonstrationen von Gründonnerstag an bis Ostermontag statt. Außer in vielen großen Städten wie Hamburg, Frankfurt am Main oder München und dem traditionellen dreitägigen Ostermarsch Rhein-Ruhr von Duisburg nach Dortmund gibt es auch in vielen kleineren Orten Aktionen, so etwa im nordhessischen Witzenhausen oder auf den Inseln Norderney und Rügen.

Der Ostermarsch im westfälischen Gronau am 18. April rückt wie üblich die dortige Urananreicherungsanlage in den Fokus, die vom deutschen Atomausstieg ausgenommen ist. Auch die Rüstungsfirma Rheinmetall in Unterlüß bei Celle ist Ziel eines Ostermarsches. Weil dort für den Ausbau der Munitionsfabrik ein großer Kleingarten weichen musste, steht diese Demonstration unter dem Motto „Tomaten statt Granaten“.

In der Bundesrepublik führte der erste Ostermarsch 1960 mit etwa 1.000 Teilnehmern zum Truppenübungsplatz Bergen-Hohne in der Lüneburger Heide. Dort hatte die Nato Raketen stationiert, die auch Atomsprengköpfe aufnehmen können. Beflügelt auch von den Protesten der Studierenden, erreichten die Ostermärsche im April 1968 ihren Höhepunkt, als sich rund 300.000 Menschen beteiligten. Danach pausierten sie für rund ein Jahrzehnt.

Eine Renaissance erfuhren die Ostermärsche nach dem Nato-Doppelbeschluss im Dezember 1979. Gegen Pershing II, Cruise-Missiles, aber auch die sowjetischen SS20-Raketen gingen Anfang der 1980er Jahre erneut Hunderttausende auf die Straße. Die Kriege in Jugoslawien und im Irak mobilisierten in den 1990er und 2000er Jahren noch einmal zehntausende Menschen. Danach ging die Zahl stark zurück und pendelte sich bei einigen Tausend ein. Thematisch erweiterte sich die Palette um Forderungen nach mehr Klimaschutz und die Aufnahme von Geflüchteten.

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22 Kommentare

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  • Die Naivität ist verstörend.

  • Schon erstaunlich, mit welcher unverdrossenen Bereitwilligkeit die sogenannte Friedensbewegung immer wieder ihre eigene intellektuelle Sklerose vorführt. Immer noch operiert sie mit den Denkschablonen der "Kampf dem Atomtod"-Bewegung der 50er Jahre, und schon damals ignorierten die Angehörigen des Tätervolkes nur zu bereitwillig, dass das NS-Regime nicht durch Verhandlungen und Entgegenkommen beendet wurde. War ja auch irgendwie ganz praktisch, denn wenn alle Kriege verdammenswert sind, dann waren eben auch die deutschen Eroberungsfeldzüge nicht ganz so schlimm. Mit dieser seit mehr als einem halben Jahrhundert konservierten Sondermoral wähnt man sich ungebrochen auf der historisch richtigen Seite: Wenn Putin bis heute keinen Jota von seinen Forderungen abweicht und ein Kriegsende ausschließlich zu seinen Bedingungen akzeptiert, dann hat man halt nicht "richtig" verhandelt und muss ihm einfach noch ein bisschen mehr anbieten. Da sollen dann auch die Ukrainer, allen voran der nervige Selenskyi, mal nicht so rumzicken, schließlich bekommen sie dafür den "Frieden". Und so mutiert dann als besondere Pointe sogar the realDonaldTrump zur Hoffnungsgestalt des deutschen Pazifismus.

    • @Schalamow:

      " War ja auch irgendwie ganz praktisch, denn wenn alle Kriege verdammenswert sind, dann waren eben auch die deutschen Eroberungsfeldzüge nicht ganz so schlimm."

      Richtig. Die durch diesen "Pazifismus" konnten die Deutschen sich zumindest als moralische Weltkriegssieger fühlen, denn im Gegensatz zu den Alliierten haben sie wenigstens die "richtige" Lektion gelernt. Deren Position zum Militär der politisch genehmen Staaten (damals wie heute) zeigt, wie verlogen diese Haltung meist ist.

      In der DDR galten Pazifisten übrigens als Agenten oder zumindest nützliche Idioten des kapitalistisch-imperialistischen Lagers.

  • Man soll niemand behindern seine Friedenssehnsucht auszudrücken, denn die Friedenssehnsucht ist etwas Schönes. Die Ukraine wünscht sich Frieden, hat aber nicht einmal ausreichende Luftabwehr um ihren Frieden zu schützen. Denn wir hatten zu wenig Luftabwehr in unseren Lagern um sie rechtzeitig abzugeben. In dieser Lage muss folgerichtige Forderungen stellen wer ernst genommen werden will.

  • "Einseitige Kompromisse zulasten der Ukraine könnten allerdings nicht zu einem gerechten und nachhaltigen Frieden führen."

    Was will uns diese Aussage (die aus dem Weißbuch der bisherigen wie der kommenden Bundesregierung stammen könnte) in Bezug das Anliegen dieser Menschen sagen? Wenn man das schon erkannt hat, wie tritt man dann einem Machthaber gegenüber der einfach immer weiter bombardieren und schießen lässt, bis er mindestens(!) eben so einen einseitigen Kompromiss erzielt hat oder mit Waffengewalt daran gehindert wird?

    • @Normalo:

      Indem man das Denken aus bekanntem Grund den Pferden überlasse? Sorry, aber die Argumentationskette ist dermaßen abstrus ...

      Dasselbe halte ich übrigens von dem Artikel über Grasslin und dessen Ansicht, Kriege (wären bzw.) würden nie und nimmer zu einem anderen Zweck geführt (worden), als vom Waffenverkauf zu profitieren. Es gibt so viele eklatante Gegenbeispiele, den bedeutendsten der aktuell tobenden inbegriffen. Hitlers Überfall auf die Sowjetunion war schon in lange Jahren vor dem Ermächtigungsgesetz angelegt. Und Putin führt Krieg, um Präsident, das heißt, am Leben zu bleiben. Wer ihm dabei die Möglichkeiten schmälert, indem er ihm in die Kassa greift, beweist seinen Liebsten, daß das letzte Hemd keine Taschen habe. Bei solchen Motiven laufen jedwede Argumente ins Leere. Allenfalls die Macht des Faktischen könnte Putins Krieg beenden. Aber nachdem er tatsächlich nicht nur in Asien, sondern selbst in der EU Freunde und spendable Geldgeber hat, steht es nicht nur um die Ukraine nicht gut.

  • Warum Gaza und nicht Sudan?

    • @Peter Schütt:

      Weil keine Juden involviert sind gegen die man hetzen kann.

  • Hoffentlich protestieren diese Friedensmarschierer nicht nur vor Rheinmetall sondern auch vor den russischen Botschaften in Deutschland.

    • @WederLinksNochRechts:

      Es gibt nur eine Botschaft pro Land (sie befindet sich immer am Regierungssitz des Gastgeberstaates), der Rest sind Konsulate ;-)

  • "Die Friedensbewegung begrüßt die derzeit laufenden Bemühungen um Verhandlungen über einen (teilweisen) Waffenstillstand in der Ukraine – auch wenn diese momentan nur bescheidene Ergebnisse vorweisen können“

    Korrektur. Sie können überhaupt keine Fortschritte vorweisen. Diese Verhandlungen sind nichts als die Luftblase eines demkokratieverachtenden Schaumschlägers, der aus purem Eigennutz versucht hat, mittels Erpressung die Ukraine zur Kapitulation zu zwingen. Dazu noch weitestgehend im Sinne des Aggressors.



    Während dessen bombardiert dieser weiterhin die Zivilbevölkerung und kann vor Lachem kaum einschlafen.



    Aber weil man mental irgendwo in der Kalten Kriegs Blase der 80er hängengeblieben ist und die Friedensfahne nur noch aus purer Selbstherrlichkeit vorsichherschwenkt, findet man sogar an dieser Farce etwas, was man irgendwie beklatschen kann. Und weil man bis heute nicht sehen will, woher der der Wind des Krieges in Europa weht, arbeitet sich lieber philisterhaft am Begriff "Kriegstüchtigkeit" ab, als vor die russischen Botschaften zu ziehen und dort Frieden und Abrüstung zu fordern.

  • Die heutige Friedensbewegung ist leider in erheblichem Maß ein Wiedergänger der Friedensbewegung der 1970er und 1980er-Jahre. Da gab die DKP den Ton an. Kritik an Hochrüstung der Sowjetunion war ein Sakrileg. Wer das tat, wurde auf dem Bundeskonkreß der DFG-VK 1985 als Verfassungsschutzagent diffamiert...



    ... und jetzt fordert man hilflos Verhandlungen mit einem Kriegsverbrecher, der Verträge bricht und einen Eroberungs- und Zerstörungskrieg gegen die Ukraine führt. Einige machen sogar eine Täter-Opfer-Umkehr. Liegt vielleicht daran, dass für sie Russland einfach gut sein muss - wie schon 1979, als viele die Sowjetunion gedanklich mit Frieden und Fortschritt verbanden... In Moskau gab es einen Sender mit dem schönen Namen "Radio Frieden und Fortschritt", der auch deutschsprachig ganz Europa auf Kurzwelle beglückte.



    Weder der Ukrainekrieg noch der Konflikt im Nahen Osten hat eine einfache Lösung. Da helfen Ostermärsche genauso wenig, wie eine ungebremste Hochrüstung. Manche Züge sind leider abgefahren.

    • @e2h:

      Man wird wohl froh sein müssen, wenn die Ukrainer die Straße, an der die Deutsche Botschaft liegt de.wikipedia.org/w...Bohdan_Chmelnyzkyj nicht eines Tages in "Allee der fünftausend Helme" umbenennen. Scholz, Inhaber der "Richtlinienkompetenz" hat ja nicht mal versucht, anscheinend selbst nie verstanden, daß es in einem Krieg wie dem Russlands gegen die Ukraine keine dritte Seite gibt, an die man sich stellen kann. Folglich ist es schwierig, den "Leuten auf der Straße" vorzuhalten, was sie von der Regierung vorgelebt bekamen, auch wenn diese Einsicht nur ein bißchen Lebenserfahrung und Realitätssinn erfordert haben sollte.

      • @dtx:

        Sorry: "... nicht mal versucht, anscheinend ..., den Wählern klarzumachen, daß es in einem Krieg ..."

  • Yeah! Ostermärsche und Friedenebewegung! Menschen die denken, dass man im Frieden mit Aggressoren leben kann wenn man eine blaue Fahne mit weißer Taube schwenkt. Euer Wort in Gottes (und Putins) Ohr.

    • @QuantumRider:

      Die Hoffnung, daß sich Putin buchstäblich totlachen, also dabei infolge Herzversagens dahinscheiden werde, wird sich nicht erfüllen.

  • "„Wir brauchen keine Milliarden für eine ungezügelte Aufrüstung und ein globales Wettrüsten, sondern Abrüstung und Rüstungskontrolle“, erklärt das Netzwerk."



    Volle Zustimmung.



    Äh, wer kontrolliert das weltweit?

  • Wer nicht vor der russischen Botschaft gegen Russland demonstriert, demonstriert nicht für Frieden.

  • Jeden Montag so auch heute Abend wieder zieht der Zug der Verstrahlten direkt an meinem Haus vorbei und prominent dabei immer die blauen Fahnen mit weißer Taube Hand in Hand mit den Nazis von den Identitären in der ersten Reihe.



    Vielen Dank auch für eine geschichtliche Darstellung der Ostermärsche, die die Historie der Friedensbewegung in der DDR komplett auslässt.

    • @Šarru-kīnu:

      Es geht eben um die Ostermärsche. Die Friedensbewegung in der DDR wäre ein anderes Thema.

      • @dtx:

        Dann muss ich mich auf den Ostermärschen in den 80ern in der DDR scheinbar verlaufen haben. Ich kenne Leute die sind des Landes verwiesen worden für die Teilnahme an den Demos 83 und 84 wegen Zeigen von Schwertern zu Pflugscharen. Das war der Beginn der Revolution von 89.

    • @Šarru-kīnu:

      Ja, die Umwertung von Werten ist schon merkwürdig: "Rechte" demonstrieren für Frieden, und "Linke" wollen mehr Aufrüstung.