piwik no script img

Ökonom über soziale Ungleichheit„Das hat mich schockiert“

Wir verspielen unsere Zukunft, warnt der Ökonom Marcel Fratzscher. Es sei dringend nötig, in Infrastruktur und Bildung zu investieren.

Gute Bildung und soziale Durchlässigkeit gehören zusammen Foto: bls999/photocase.de

taz: Herr Fratzscher, Sie haben gerade ein viel beachtetes Buch über die wachsende soziale Ungleichheit in Deutschland veröffentlicht. Haben Sie persönliche Erfahrungen damit?

Marcel Fratzscher: Ich selbst hatte viel Glück und bin sehr privilegiert aufgewachsen. Aber ich habe eine Zeit in Indonesien gelebt, wo es den Menschen deutlich schlechter geht. Wahrscheinlich kam der entscheidende Anstoß zu dem Buch aber aus Berlin: Dass hier einer von drei Jugendlichen von Hartz IV lebt, hat mich schockiert.

Ihr Buch heißt „Verteilungskampf“. Ist das eine Warnung an die Privilegierten?

Es ist eine Warnung und eine Realitätsbeschreibung. Viele sagen ja, es gibt gar keinen Verteilungskampf. Wer kämpft denn?, werde ich gefragt. Aber in der Politik ging es in den letzten Jahren eigentlich nur um einen Verteilungskampf.

Zum Beispiel?

Die Rente mit 63, die Mütterrente.

Beides kommt nur einer kleinen Gruppe zugute.

Beides sind Beispiele dafür, dass eine Gruppe Privilegien und Gelder bekommt. Andere müssen dafür zahlen. Meist ist das die jüngere Generation. Es wird umverteilt – von unten in die Mitte oder von unten nach oben. Es ging um Klientelpolitik.

dpa
Im Interview: Marcel Fratzscher

45, leitet seit 2013 das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW) und ist Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität.

Woran machen Sie zunehmende Ungleichheit fest?

Viele Ökonomen bezweifeln, dass es eine steigende Ungleichheit gibt. Sie sagen: Seit 2005 ist die Ungleichheit beim verfügbaren Einkommen nicht weiter gestiegen. Aber das ist eine selektive Wahrnehmung. Denn bei den Löhnen ist die Schere deutlich auseinandergegangen. Ich habe zwei Kernbotschaften. Erstens: Die Ungleichheit in Deutschland ist ein großes, wirtschaftliches Problem. Sie macht den Wohlstand kleiner. Zweitens: Mehr Umverteilung ist nicht die Lösung.

Sondern?

Weniger umverteilen, mehr Chancengleichheit.

Damit sitzen Sie zwischen allen Stühlen.

Den ersten Teil meiner Kernbotschaften hören Linke sehr gerne. Sie sagen: Das haben wir schon immer gewusst. Sie hören den zweiten Teil nicht so gern, weil sie die Lösung bei noch mehr Umverteilung sehen: Wir müssen oben mehr wegnehmen, damit unten mehr ankommt. Liberale und Konservative hören nur den zweiten Teil gerne. Sie sagen: Wir brauchen einen effizienten Staat, nicht mehr Umverteilung. Dazu würde ich die meisten deutschen Ökonomen zählen.

Warum haben beide unrecht?

Seit den siebziger Jahren ist die Ungleichheit massiv angestiegen, während der Sozialstaat gleichzeitig größer geworden ist. Das Wachstum hat dagegen deutlich abgenommen. Der Staat macht also immer mehr, aber die Ungleichheit steigt trotzdem und das Wirtschaftswachstum schwächt sich ab. Der Schlüssel ist die fehlende Chancengleichheit. Wir haben eine sehr geringe soziale Mobilität. Jemand aus einem bildungsfernen, sozialschwachen Haushalt hat viel schlechtere Chancen als jemand, der Eltern mit hoher Bildung oder hohem Einkommen hat.

Das ist die Lieblingsphrase aller Politiker: Wir müssen mehr in Bildung investieren.

Wieso machen sie es dann nicht? Wir brauchen erstens: den Ausbau der frühkindlichen Bildung. In den ersten sechs Jahren des Lebens werden die Weichen gestellt. Der Ausbau der Kitas ist richtig, die Qualität muss aber deutlich verbessert werden, beim Betreuungsschlüssel etwa. Zweitens: Wir brauchen ein Schulsystem, das viel mehr Wert auf Betreuung legt, viel mehr Ganztagsschulen. Über 80 Prozent der Schulen sind keine wirklichen Ganztagsschulen.

Brauchen wir die Gesamtschule?

Wir brauchen mehr Durchlässigkeit im Schulsystem, damit die Chancen der Kinder, die sich spät entwickeln, nicht beschnitten werden.

Sie sind also für das dreigliedrige Schulsystem?

Da bin ich offen. Wenn ein dreigliedriges Schulsystem durchlässig ist, also ein Kind, das sich spät entwickelt, den Übergang von der Hauptschule auf die Realschule und aufs Gymnasium schaffen kann, dann ist es ok. Aber momentan ist das System nicht durchlässig. Wenn die Eltern entscheiden, das Kind auf die Hauptschule zu schicken, ist es vorbei.

Für den 40-jährigen Paketboten mit Mindestlohn kommt die bessere Bildung zu spät. Muss er in seinem Job bleiben?

Fortbildungen sind für Menschen im wachsenden Alter eine Option. Das ist natürlich in der Realität nicht einfach, weil die wichtigsten Grundlagen in Kindheit und Jugend gelegt werden. 8,50 Euro verdienen heute vor allem Menschen, die keinen Berufsabschluss haben, häufig noch nicht mal einen Schulabschluss.

Wenn Sie dafür plädieren, nicht mehr umzuverteilen, bekommt der Paketbote nur eine Armutsrente.

Sie verstehen mein Argument „weniger umverteilen“ falsch. Wenn Sie mehr Menschen eine Chance geben, für sich selbst zu sorgen und ihre Talente voll zu entwickeln, haben Sie viel weniger Menschen, die auf Sozialleistungen angewiesen sind. Weniger Umverteilung heißt nicht, Sozialleistungen zu kürzen, sondern mehr Menschen eine Chance zu geben, weniger vom Staat abhängig zu sein. Man kann die Gelder dann dafür nutzen, denen zu helfen, die sie wirklich brauchen. Letztlich brauchen wir eine zielgenauere Umverteilung.

Sie sagen, es wird zu viel umverteilt zugunsten von Leuten, die es nicht nötig haben. Welche Vergünstigungen für Besserverdienende sollten wegfallen?

Zum Beispiel das Ehegattensplitting. Dadurch entgehen dem Staat 20 Milliarden Euro im Jahr. Das Ehegattensplitting ist interessant für Paare, bei denen meist der Mann sehr viel Geld verdient und die Frau zum Schluss kommt, wenn ich auch arbeite, rechnet sich das für mich nicht.

Sie wollen mehr Wohneigentum für die Deutschen. Ist das nicht genau das, was in den USA zur Pleite von Lehman Brothers geführt hat: Man hat breiten Schichten einen Kredit für ein Haus gegeben, den sie in der Krise nicht abzahlen konnten.

Dass in den USA Banken mit Immobilienkrediten Missbrauch betrieben haben, heißt ja nicht, dass die Idee prinzipiell falsch ist. Im Gegenteil: Wir haben ein riesiges Vorsorgeproblem. Ein Eigenheim können Sie über viele Jahre selbst nutzen und es immunisiert gegen Mietpreisschwankungen, das gibt Sicherheit – vor allem im Alter. Darum geht es mir.

Das hört sich nach Riester 2.0 an. Alle, die ein zu geringes Einkommen haben, können sich ein Eigenheim selbst bei staatlichen Zuschüssen nicht leisten, weil die täglichen Ausgaben alles wegfressen.

Es werden sich nie 100 Prozent der Bürger ein Eigenheim leisten können. Aber ich rede hier über die Mittelschicht. Wir haben in Deutschland eine Immobilienquote von nur knapp 40 Prozent.

Die halten Sie für zu niedrig?

In fast allen anderen europäischen Ländern gibt es eine Quote von 70–90 Prozent. Bei uns haben die ärmsten 40 Prozent der Bürger praktisch kein Vermögen. Rund 50 Prozent haben im Schnitt 51.000 Euro Nettovermögen. In Italien sind es 170.000 Euro. Nun kann man sagen: Die anderen Europäer machen das falsch. Oder man kann sagen: Schauen wir mal, wie es woanders läuft und ob wir von unseren Nachbarn nicht auch mal etwas lernen können.

Vor einem Jahr haben Sie über den Ausgang der Griechenlandverhandlungen geschrieben: „Der Bundesregierung, allen voran Angela Merkel und Wolfgang Schäuble, gilt es Respekt zu zollen. Sie haben Größe und Weitsicht bewiesen.“

Die Bundesregierung hat in der europäischen Krise einen kühlen Kopf bewahrt und damit letztlich das Richtige getan. Ich würde den letzten beiden Bundesregierungen ein gutes Zeugnis beim Krisenmanagement in Europa ausstellen. Aber jetzt müssen wir vom Krisenmodus in Europa zu einer Zukunftsvision umschalten: Wie soll Europa in 15, 20 Jahren aussehen? Welche Reformen sind dafür notwendig?

Und – welche sind es?

Wir haben in Deutschland ein paar richtige Ideen. Wolfgang Schäuble will einen europäischen Finanzminister. Wir brauchen mehr Integration. Das sehe ich als den einzigen Weg für Europa.

Brauchen wir innerhalb Europas mehr Umverteilung? Zum Beispiel eine gemeinsame europäische Sozialversicherung?

Ich halte nichts von einer Transfer-Union, in der Deutschland der Zahlmeister Europas wird. Aber ich sehe Europa als eine Versicherungsunion, in der man in schwierigen Zeiten füreinander einsteht. Wovon auch Deutschland profitiert. Vor zehn Jahren war Deutschland der kranke Mann Europas. Dann haben uns die anderen Europäer über die Abnahme deutscher Exporte geholfen, aus unserer Krise herauszukommen.

Was ist mit der Austeritätspolitik?

Ich stehe zwischen der extrem konservativen fiskalischen Position Deutschlands und der vielleicht etwas zu expansiven Position Italiens oder Frankreichs. Das Problem der europäischen Fiskalpolitik war nicht, dass sie zu restriktiv oder nicht restriktiv genug war, sondern dass sie die falschen Prioritäten gesetzt hat.

Welche?

Sie hat die öffentlichen Investitionen zu stark zurückgefahren. Deshalb kommt Europa heute nicht aus der Krise. Ohne Investitionen schaffen Sie keine Beschäftigung. Ohne Beschäftigung schaffen Sie keine Einkommen, damit keine Steuereinnahmen, keine Erträge für Unternehmen wie Banken, die dann ihre faulen Kredite abbauen können. Deutschland hat hier mehr Fehler gemacht als viele andere europäische Länder.

Inwiefern?

Wir haben die öffentlichen Investitionen zurückgefahren und stattdessen Wahlgeschenke verteilt. Jeder sagt: Wir brauchen mehr Investitionen in Infrastruktur und Bildung. Wieso machen wir es nicht?

Warum machen wir es nicht?

Uns geht es zu gut. Wir haben das Gefühl: Jetzt können wir uns mal richtig was gönnen. Die Leute sind in Arbeit, weshalb sollen wir jetzt investieren? Dabei hätten wir gerade heute die Chance, Weichen für die Zukunft zu stellen. Aber wir sind dabei, sie zu verspielen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

82 Kommentare

 / 
  • Auch wenn´s den Herrn Fratzscher vom DIW jetzt nicht unmittelbar tangiert, aber zum Stand und zur Aussagekraft bzw. zur ideologischen Verstrickung der deutschen Wirtschaftswissenschaftskaste sei hier nur mal wieder an ein paar Gedanken aus dem Umfeld kritischer Ökonomen (wie Heiner Flassbeck oder Rudolf Hickel) verwiesen. Immer mal wieder lehrreich zur Einordnung.

    https://makroskop.eu/2016/04/der-neue-ifo-praesident-alle-vorurteile-dieser-welt/

  • Ich mache die soziale Ungleichheit von Lebenschancen, Gesundheit/ Krankheit/ Tod und von Mitgestaltungsmöglichkeiten wesentlich am fehlenden Klassenbewußtsein fest.

     

    Nicht das Grundeinkommen von oben, sondern der Wille gemeinsam um eine egalitäre Zukunft zu kämpfen fehlt.

    • 3G
      33523 (Profil gelöscht)
      @nzuli sana:

      Ökonomischer Egalitarismus nennt sich Kommunismus.

       

      Wenn sie schon solche radikalen Ideen verbreiten dann füllen sie ihren gekippten Wein doch bitte nicht in neue Schläuche.

      • 7G
        74450 (Profil gelöscht)
        @33523 (Profil gelöscht):

        "Ökonomischer Egalitarismus nennt sich Kommunismus."

         

        Das ist falsch!

         

        Ökonomischer Egalitarismus kann sich Kommunismus nennen. Er kann sich aber auch von diesem verbrannten Begriff lösen und zeitgemäß formuliert werden.

         

        Kommunismus als "gekippten Wein" mögen wir ablehnen, weil er bitter schmeckt. Egalitarismus als Rezept hingegen bleibt attraktiv. Fraglich ist, wie dieser ausgestaltet und erreicht werden soll.

        • 3G
          33523 (Profil gelöscht)
          @74450 (Profil gelöscht):

          Egalitarismus ist eine Idee, nichts was per se gut oder schlecht ist.

          Wenn ich die gesamte Bevölkerung zwinge eine einheitliche Haarlänge von 12,75mm einzuhalten ist damit niemandem geholfen, auch wenn die Idee die Gleichheit fördert.

          • 7G
            74450 (Profil gelöscht)
            @33523 (Profil gelöscht):

            Daher reden Sie und ich ja auch von ökonomischen Egalitarismus und nicht von Haarlängen-Egalistarismus.

             

            Ich meine damit übrigens keine komplette Gleichverteilung von sozialen Gütern, sondern eine angenäherte Gleichverteilung.

        • @74450 (Profil gelöscht):

          Ökonomischer Egalitarismus - Phonetischer Unsinn.

          • 7G
            74450 (Profil gelöscht)
            @Justin Teim:

            Warum?

        • @74450 (Profil gelöscht):

          Ich würd auch mal sagen, dass damit Pseudo-Egalitarismus gemeint ist. Sicherlich will da niemand einen weltweiten wirtschaftlichen Ausgleich schaffen. Da müsste das eigene Klientel ja auch was abzwacken.

          • 7G
            74450 (Profil gelöscht)
            @Rudolf Fissner:

            Die Frage ist vielmehr, wie Verteilungsstrukturen dauerhaft annähernd egalitär bleiben können, obwohl Menschen verschiedene Talente und Interessen haben. Kommunistischer Zwang scheint da nicht die richtige Methode zu sein.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Bin verwirrt.

    Gestern durfte sich noch ein gewisser Herr Hüther vom "Institut der deutschen Wirtschaft" in Köln über die seiner Meinung nach unsinnige Angleichung der Einkommen (m/w) auslassen.

     

    So sind sie halt, diese "deutschen Institute".

    Denen glaube ich nix mehr.

    • 3G
      33523 (Profil gelöscht)
      @571 (Profil gelöscht):

      So sind die weichen "Wissenschaften" eben. Da ist immer viel Meinung mit drin.

  • Die KommunardInnendiskussion ist interessanter als das Mono-Interview. Gut getazt!

  • 2G
    2730 (Profil gelöscht)

    Hier im Forum wird gerne auf die berufliche Kompetenz gerade von Professoren, Beratern oder Künstlern abgestellt (ich erinnere z.B. an die diversen Kommentare zum BGE).

    Dies gilt allerdings nur, wenn die Auffassung der Interviewten mit der eigenen Meinung kongruent sind.

    Diese Art der "Diskurs-Führung" amüsiert mich köstlich.

  • Das hat MICH schockiert, ...

     

    ... dass ein studierter Ökonom die "Mütterrente" als "Umverteilung von unten nach oben" bezeichnet, ohne rot zu werden. Vielleicht wird er mal nicht von "Altersarmut" betroffen sein, schliesslich hat er seine Mutter vorbeugend schon mal verraten und verkauft.

  • Ich bin schockiert, dass so viele in Deutschland aus der Einkommensmittelschicht sich nicht mit dem Thema Armut in Deutschland auseinandersetzen möchten.

     

    Ja, Bildung und Fleiß schafft nicht mehr Arbeit und soziale Gerechtigkeit. Das sagen nur die, die es vermeintlich geschafft haben.

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @Hanne:

      Wenn harte Arbeit reich machen würde, würden die Mühlen den Eseln und Ochsen gehören.

  • Aus meiner Sicht passt hier einiges nicht zusammen:

     

    Weniger Umverteilen zugunsten der Mittelschicht, damit mehr Leute aus der Mittelschicht sich ein Haus leisten können?

     

    Ein drittel der Jugendlichen lebt von HartzIV, aber uns geht es zu gut?

     

    Die gestiegenen Sozialausgaben nennen, aber nicht den gesunkenen Spitzensteuersatz und die weggefallene Vermögenssteuer?

    • @Arne Babenhauserheide:

      Danke!! Sehe iuch genauso.

       

      Ich halte Fratscher für einen Lobbyisten des Finanzadels der Banken!

      Fratscher will mehr Verschudung. Heute auch auf radioeins.

       

      Warum wohl?

       

      Professor Joseph Huber klärt auf!!

      https://www.youtube.com/watch?v=fToIAsr014A

  • 2G
    27741 (Profil gelöscht)

    Verteilungskampf?Hilmar Kopper, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, sagte in einer Fernsehsendung zur Finanzkrise 2008, er könne gar nicht verstehen, warum die Leute sich immer über die Gehälter von Bankern und Managern aufregen würden, Fußballer oder Formel1- Rennfahrer würden doch noch viel mehr verdienen. Wohl wahr, wir sehen vor lauter Wald die Bäume nicht mehr.

     

    Die Ablösesummen für europäische Spieler erreichen bald die 100-Millionen-Grenze. Lionel Messi soll über 30 Mio. pro Jahr bekommen. Philip Lahm vom FC Bayern soll an die 15 Mio. pro Jahr einstreichen. Nun frage ich Sie, woher kommt denn das Geld? Da es nicht an den Bäumen wächst, muss es also woanders herkommen. Richtig, es kommt von Ihnen! Egal, ob Sie sich für Fußball interessieren, Sie bezahlen diese schamlosen Gehälter zum großen Teil mit - entweder über Ihren Konsum oder über die Fernsehzwangsgebühren. Niemand fragt Sie, ob Sie das auch wollen. Das Selbstbestimmungsrecht ist ihnen vom Gesetzgeber schlicht entzogen worden.

     

    Gleichzeitig aber leben immer mehr Menschen in prekären Verhältnissen, sind Aufstocker, leben von HartzIV oder Sozialhilfe, oft unter unwürdigen Bedingungen. Schauen Sie sich unsere Schulen an: Sie sind marode und die Toiletten erinnern manchmal an ein altes Bahnhofsklo. Mehr Lehrer für ihre Kinder und besseren Unterricht bleiben der Wunschtraum vieler Eltern. Wir könnten so unendlich viel für unser Gemeinwesen, für uns alle tun, wenn wir das Geld richtig verteilen/einsetzen würden.

     

    Politiker, Sportler und Medienschaffende, die westliche Werte preisen und von Leitkultur reden, feiern sich selbst und ihren Wohlstand, aber sie handeln die für einen Gesellschaftszusammenhalt wichtigen existenziellen Themen, von denen viele andere betroffen sind, nur am Rande ab. Wir sollten uns überlegen, ob wir nicht den Artikel 1 unseres Grundgesetzes streichen: Menschliche Würde erscheint nur noch als pure Heuchelei.

    • 3G
      33523 (Profil gelöscht)
      @27741 (Profil gelöscht):

      ".... sagte in einer Fernsehsendung zur Finanzkrise 2008 ...."

       

      Trotz Ihrer Abneigung schalten Sie noch den Fernseher ein?

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @27741 (Profil gelöscht):

      Danke, @PLUTO!

       

      Hatte schon Entzugserscheinungen.

    • @27741 (Profil gelöscht):

      In Deutschland spielen in über 160.000 Vereinen rund 7 Mio Menschen Fußball. Die jährliche Zuschauerzahl allein der ersten drei Ligen liegt zusammen bei 22 Millionen. Allein die erste Bundesliga sorgt so für über 100.000 Arbeitsplätze in Deutschland.

       

      Der Rundfunkbeitrag ist eine Gemeinschaftsabgabe, vergleichbar mit der "normalen" Steuer, von der die Belange des öffentlichen Interesses finanziert werden. Das sich dies nicht in jedem Fall mit Einzelinteressen deckt und auch nicht immer decken kann, liegt in der Natur der Sache. "Demokratie" ist schliesslich auch nicht, wenn alle nur noch das machen, was ich will.

       

      Schliesslich hat jeder in diesem Land das Recht und die Möglichkeit, sich einzubringen und seine Interessen zu vertreten. Wer sich aber der Gemeinschaft der Beitragszahler fundamental verweigern will, weil ihm etwas nicht passt, der muss anderen nicht mit "Heuchelei" kommen. Er hat sich ja bereits selbst als solcher geoutet.

      • 2G
        27741 (Profil gelöscht)
        @cursed with a brain:

        Mit Einführung des werbefinanzierten Fernsehens im Jahre 1985 wurden aus kündbaren Gebühren unkündbare Zwangsgebühren. Dadurch wurden in Sachen Fußball ohne Not die Preise hoch getrieben, weil auf einmal zwei Wettbewerber sich um ein Angebot stritten. Nur dadurch sind die heutigen Einkommen der Fußballspieler zu erklären. Dazu kommen noch Werbeverträge und Sponsoring. Es gibt für mich wichtigere Dinge als Fußballern Milliarden in den Arsch zu blasen. Da können sie schreiben was sie wollen. Und auch mir müssen sie das Recht zu gestehen, schreiben zu dürfen was ich für richtig halte. Und ich möchte nicht zur Gemeinschaft der Beitragszahler zwangsbekehrt werden. Und vergleichen sie bitte nicht Gebühren mit "normalen Steuern", sonst muss ich davon ausgehen, dass sie nicht verstehen wollen oder können.

        • 5G
          571 (Profil gelöscht)
          @27741 (Profil gelöscht):

          Ihre Platte hat 'nen Sprung.Ihre Platte hat 'nen Sprung.Ihre Platte hat 'nen Sprung.Ihre Platte hat 'nen Sprung.Ihre Platte hat 'nen Sprung.Ihre Platte hat 'nen Sprung.Ihre Platte hat 'nen Sprung.Ihre Platte hat 'nen Sprung.Ihre Platte hat 'nen Sprung.Ihre Platte hat 'nen Sprung.

  • Vielleicht sollte man dem Herrn mal sagen, dass ein Vergleich in den sozialen Leistungen mit dem Zeitraum "seit den siebziger Jahren" etwas dümmlich ist. Man müsste ihm mal mitteilen, dass zwischendurch eine sog. Wiedervereinigung gelegen hat.

     

    Ansonsten das übliche neoliberale Geschwätz. Bildung schafft keine Arbeit, sondern kann sie auch vernichten, wenn ausreichend studierte Informatiker z.B. die Automatisierung weiter antreiben, Evtl. hätte besser die Autorin dieses Artikel das Interview geführt: http://www.taz.de/!5020975/

    • @Age Krüger:

      Die Zerstückelung von Arbeitsprozessen, z.B. in der Fertigung von Gütern, ist eine Folge der Industrialisierung. Ohne sie wäre Massenproduktion gar nicht vorstellbar. Über die Entfremdung des Menschen von seiner Arbeit gibt es ganze Bibliotheken, Chaplin hat dieses Thema in dem Klassiker "Modern Times" einprägsam auf den Punkt gebracht.

       

      Die "Automatisierung" kann man also auch durchaus als Chance begreifen, den Menschen aus unmenschlich anmutenden Arbeitsverhältnissen zu erlösen. Dass Arbeitslosen kein Grundeinkommen gewährt wird und die Gesellschaft den Wert eines Menschen über seine Arbeit (und sein Einkommen) definiert haben wohl am wenigsten die Informatiker zu verantworten.

       

      Aber angesichts der offenbar verdrängten Inkonsequenz nicht ohne unfreiwillige Komik, sich den Apparaten der Moderne zu bedienen, ,um über diese zu lästern.

      • @cursed with a brain:

        Habe ich mit irgendeinem Wort gesagt, dass ich den Kapitalismus als Wirtschaqftsform beibehalten möchte und lieber die arbeitsteilige Produktionsformen abschaffen möchte?

         

        Nee, oder?

         

        Aber Sie glauben doch nicht, dass der Leiter eines Wirtschaftsinstitutes, dass von einem NSDAP-Mitglied ge3gründet wurde wie das DIW auf die Idee käme, den Kapitalismus als Wirtschaftsform in Frage zu stellen?

        Insofern habe ich nur unter den (selbstverständlich völlig unbrauchbaren) Prämissen des Herrn Fratzscher argumentiert, um zu zeigen, dass selbst unter den falschen Grundannahmen noch Fehler sind.

    • @Age Krüger:

      Bravo!

       

      Es gibt doch wahre gebildete Menschen in dieser verkommenen BRD!!

       

      Ich stimme Ihnen zu!!

  • Völlig realitätsfern dieser Professor der HU.

    Mir graut vor solchen Menschen.

    Ich hätte auch gern ein Eigenheim, gerne auch aufgrund meiner guten Ausbildung. Nur leider kann ich mir kein Wohneiegntum leisten und da bin ich auch nicht die einzige gut ausgebildete. Habe heute von gut verdienende wieder mal gehört, dass sie denken, dass Hartz IV die Wohnkosten übernimmt, nach dem Motto auch eine Villa für Alleinstehende...

     

    Ich plädiere für mehr Aufklärung Mittel- und Oberschicht über Deutsche Verhältnisse am unteren Rand.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    Die ganze Argumentation mit der Bildung ist wichtig und richtig, allerdings nur für die Systemgerechtigkeit (mehr soziale Mobilität) und als Chance für den Einzelnen. Gesamtwirtschaftlich gesehen ist es einfach nur utopisch zu glauben, dass wir zu einem Land der lauter Hochqualifizierten werden und noch mehr utopisch, dass sie dann auch alle von der effizienzorientierten Wirtschaft nachgefragt werden.

    Die Bildung als die Karotte, die über einem hängt und wenn sie nicht erreicht wird, dann halt selber schuld.

    • 3G
      33523 (Profil gelöscht)
      @10236 (Profil gelöscht):

      Bei solchen Antworten frage ich mich wie Sie einerseits so gnadenlos realistisch sein können und auf der anderen Seite weiterhin eine derart "soziale" Einstellung vertreten können.

       

      Es liegt doch auf der Hand das eine Ungleichverteilung von Eigentum völlig natürlich ist. Sie vertreten keine romantische "Eigentlich sind alle gleich" Haltung wie viele hier.

      Für die meisten Linken ist diese Idee von Gleichheit notwendig um anschließend die gleiche Verteilung damit zu rechtfertigen, a la "Diese Tätigkeit ist eigentlich viel mehr Wert, die Gesellschaft erkennt diesen Wert nur nicht an!".

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @33523 (Profil gelöscht):

        "Es liegt doch auf der Hand das eine Ungleichverteilung von Eigentum völlig natürlich ist."

        Klar, Mann. Habe ich bei meinen sechs Hundewelpen beobachtet, wie das geht.

        Der Alpharüde unter den Kleinen fiel über den ersten Futternapf her. Kam der zweite Napf hinzu, wandten sich die fünf Geschwister diesem zu und überließen dem Rüden den ersten. Wenn der ausgefressen war, wollten die auch noch was vom ersten. Den aber hatte bis dahin schon der Rüde intus.

        Selbst schuld.

        • 3G
          33523 (Profil gelöscht)
          @571 (Profil gelöscht):

          Ein radikales Beispiel aber gut das sie kapiert haben wie es in freier Wildbahn zugeht.

           

          Dann können Sie ja jetzt aufhören sich unentwegt darüber zu ärgern das Menschen sich wie Menschen verhalten. Stattdessen könnten Sie sich einer realistischeren Weltsicht zuweden die ihnen keine andauernde Enttäuschung durch unrealistisch hohe Ansprüche bereitet.

          • 5G
            571 (Profil gelöscht)
            @33523 (Profil gelöscht):

            "radikal"?

            "natürlich"!

      • 1G
        10236 (Profil gelöscht)
        @33523 (Profil gelöscht):

        "Es liegt doch auf der Hand das eine Ungleichverteilung von Eigentum völlig natürlich ist."

         

        Ich störe mich an dem Wort "natürlich". Wenn ökonomische oder soziale Sachverhalte quasi biologisiert werden, gleicht das der Aufgabe der Gestaltungsmöglichkeiten, die wir in der Wirtschaft und Gesellschaft haben (sollten).

         

        Wenn der Markt unter relativ freien Bedingungen mit der Zeit bestimmte Akteure immer besser belohnt, die anderen dagegen nicht besser oder sogar schlechter - sind das so gesehen im Markt die "natürlichen" Prozesse. Soll es aber heißen, dass sie a) erwünscht b)positiv c)unausweichlich sind? Nein.

         

        Die Definierung unseres gesellschaftlichen Systems als "marktgerechte Demokratie" ist ein Fanal und gleicht einem Umkehr des Gestaltungsverhältnisses zwischen Politik und Wirtschaft. Das meine ich bitter ernst. Die Wirtschaft nämlich hat per se keine Moral und darf nicht die bestimmende/gestaltende gesellschaftliche Kraft sein.

        • 3G
          33523 (Profil gelöscht)
          @10236 (Profil gelöscht):

          Mit natürlich meine ich nicht nur biologische Ursachen, Dinge können auch natürlich sein und soziale Ursachen haben.

          Aber klar haben Sie recht, wenn man den Menschen zu einem Verhalten zwingt das ihn zwingt sehr stark von dem abzuweichen was er normalerweise tun würde, ihn also zwingt sich in diesem Sinne unnatürlich zu verhalten sind die Grenzen der Gestaltungsfreiheit erreicht.

           

          Diese Grenzen lassen sich aber m.E. nicht wegreden/"gestalten" und das ist dann auch tatsächlich der Grund gewesen aus dem ich das was ich bei Ihnen als "sozial" bezeichnet habe größtenteils abgelegt habe. Wenn massiver Zwang auf eine große Gruppe notwendig ist um ein Ziel zu erreichen ist es aller Wahrscheinlichkeit nicht zu erreichen.

           

          Der Markt in seiner Reinstform ist quasi die ökonomische Entsprechung des evolutionären Prinzips. Ob man sich Evolution nun wünscht oder nicht ist egal, sie ist in der Tat unausweichlich.

          Für diejenigen die den kürzeren ziehen ist sie negativ für diejenigen die gewinnen ist sie positiv.

          Da der Mensch ein soziales Tier ist gibt es diese Reinform so kaum aber das der Mensch ein soziales Wesen ist bedeutet anders herum eben auch nicht das sich am Ende des Tages nicht jeder selbst der Nächste ist.

          Das gilt selbst für Menschen die in bitterster Askese leben, denen ist nicht der Konsum sondern ihr moralisches Ideal wichtig. Auch wenn ihr Ziel aus gesellschaftlicher Sicht noch so edel sein mag ist der Mechanismus der wirkt dennoch Egoismus.

           

          Ich würde das nicht als eine Umkehr bezeichnen. Der Staat gestaltet die Spielregeln aber das Spiel spielen dann eben Andere, von daher betrachte ich diese beiden Seiten nicht als Kontrahenten, der Staat hat eher die Rolle des Schiedsrichters inne. Eine Gesellschaft in der der Staat tatsächlich gestaltet und nicht nur grob die Formen vorgibt hat man in der Vergangenheit schon oft den Bach runter gehen sehen. Sowas lässt sich nicht zentral planen, dafür ist die Angelegenheit zu komplex.

          • 7G
            74450 (Profil gelöscht)
            @33523 (Profil gelöscht):

            Nächste Frage: Wenn der Staat nur der "Schiedsrichter" sein soll. Wer schreibt dann das Regelbuch?

          • 7G
            74450 (Profil gelöscht)
            @33523 (Profil gelöscht):

            "Der Markt in seiner Reinstform ist quasi die ökonomische Entsprechung des evolutionären Prinzips."

             

            Mit diesem Statement liefern sie genau die Begründung für Umverteilung.

             

            Eben weil ein reiner Markt nur die Starken belohnt und die Schwachen verrecken lässt, brauchen wir Mechanismen, die von den Leistungsfähigen nehmen, um es den weniger Leistungsfähigen zu geben.

             

            Sozial-Darwinismus mag für einige attraktiv sein, aber er ist auch mit hohen Kosten verbunden, solange wir unterstellen, dass die von ihnen konstruierten Egoisten auch ein gewisses Talent zur Emapthie besitzen.

            • 3G
              33523 (Profil gelöscht)
              @74450 (Profil gelöscht):

              "Mit diesem Statement liefern sie genau die Begründung für Umverteilung. "

               

              Sie Schaffen es auch aus Aussagen wie "Bälle sind rund" einen "Grund" für Umverteilung abzuleiten.

              • 7G
                74450 (Profil gelöscht)
                @33523 (Profil gelöscht):

                Nö, aber aus der Tatsache, dass der Markt als evolutionärer Mechanismus manche Menschen verhungern ließe.

                 

                Daraus leitet sich die Pflicht zur Marktkorrektzur, also zur Umverteilung, ab. Alles andere wäre Sozialdarwinismus.

          • @33523 (Profil gelöscht):

            > Wenn massiver Zwang auf eine große Gruppe notwendig ist um ein Ziel zu erreichen ist es aller Wahrscheinlichkeit nicht zu erreichen.

             

            Die Gruppe der Gewinner des aktuellen Systems ist nicht allzu groß, also sollte eine Korrektur des Marktverhaltens möglich sein.

             

            Der Markt in seiner Reinform ist nicht die Entsprechung des evolutionären Prinzips, sondern vielmehr dessen Verballhornung. In Evolution geht es um die Fitness von Wesen in Gruppen, die intern völlig anders organisiert sein können. Wenn die Gruppe als Ganze Vorteile von individuell unlogisch erscheinendem Verhalten hat, dann setzt sich dieses Verhalten durch.

             

            Genauso verhält es sich beim Markt: Wenn eine Gesellschaftsordnung als Ganze Vorteile von bestimmten Regeln hat, setzt sie sich durch.

             

            Dabei geht es aber nicht um Geld, sondern um Weiterentwicklung, Rohstoffgewinnung, Produktion und kulturellen Wohlstand. Das ist alles nur begrenzt in Geld zu bemessen.

            • 3G
              33523 (Profil gelöscht)
              @Arne Babenhauserheide:

              Die Gruppe der Gewinner, wenn man die Gesellschaft so entzwei teilen will, liegt logischerweise bei einem Anteil von 50%. Zumindest wenn man davon ausgeht das das "Ziel" das Übertreffen des Medians ist.

               

              "Genauso verhält es sich beim Markt: Wenn eine Gesellschaftsordnung als Ganze Vorteile von bestimmten Regeln hat, setzt sie sich durch."

              Und was ist daran für Sie bitte nicht evolutionär?

               

              Geld ist ein "Gutschein", kein Selbstzweck. Man erhält Geld wenn anderen Menschen die angebotene Leistung etwas wert ist.

              Nur weil es Dinge gibt die sich nicht in Geld aufwiegen lassen heißt das nicht das der Markt nicht nach evolutionären Mechanismen funktioniert.

          • @33523 (Profil gelöscht):

            "Ob man sich Evolution nun wünscht oder nicht ist egal, sie ist in der Tat unausweichlich."

            Jetzt lassen sie mal den Darwin stecken. Der Mensch hat die Ethik entwickelt. Und wenn Sie evolutionäre Zusammenhänge hier herstellen wollen, dann tun Sie es doch aus verschiedenen Perspektiven. Anhäufung von Reichtum beruht sehr oft auf übermäßigem Verbrauch von Naturresourcen. Soll heißen, auch evolutionär wäre es erforderlich, die vermeintlichen Gewinner unserer Spezies zu blockieren. Die Forderung nach Umverteilung und die damit verbundene Eindämmung des schieren materiellen Leistungsprinzipes entsprechen der Evolution. Noch deutlicher wird, wenn man den evolutionären Erfolg an der Nachkommenschaft misst; Da punktet der arme Anteil der Bevölkerung mit Abstand. Soll heißen, viele Kinder kriegen und auch satt, ist die evolutionäre Formel. Ein erfolgreiches berufliches und privates Leben nach heutiger Definition ist also so ziemlich das Gegenteil von Gewinn im Sinne von Evolution, da die kein materielle Dimension kennt. Reich mit einem oder keinem Kind bedeutet danach- Loser.

            • 3G
              33523 (Profil gelöscht)
              @lions:

              Evolution ist ein Prozess der sich auf die Gesellschaft auswirkt indem er den einzelnen beeinflusst. Entsprechend ziehen Moralische Argumente wie ihres auf Ebene der Gesellschaft nicht.

               

              Es ist vermutlich egal was ich ihnen erzähle, Sie schaffen es immer wieder daraus den Schluss zu ziehen das wir umverteilen müssen.

              Das ist aus meiner Sicht natürlich unwahr und wenn Sie sich die alternativen Ansätze ansehen die es wirklich gibt dann wird es ihnen schwer fallen Systeme auszumachen in denen es einer derart große Zahl an Menschen so gut hat wie im westlichen Kapitalismus. Das liegt vor allem daran das Kapitalismus wenn überhaupt eine "Nicht"-Ideologie die dem Menschen kein moralisches Korsett anlegt und ihn zwingt Dinge zu tun die seinen eigenen Wünschen und Zielen im Wege stehen.

               

              Wegen der vielen Kinder: Kennen Sie den Film Idiocracy? Viele Kinder = Evolutionärer Erfolgt gilt in Gesellscahften in denen Kinder keine Altersvorsorge sind kaum mehr.

               

              Evolution ist kein rein biologischer Prozess, sie bezieht auch gesellschaftliche Faktoren mit ein. Deshalb kann man evolutionären Erfolg nicht auf die Anzahl der Kinder reduzieren. Se ist vielmehr das was von der Gesellschaft als erstrebenswert deklariert wird.

              • @33523 (Profil gelöscht):

                Ich bleibe in Ihrem biologistischen Duktus und will Ihnen die Machtverhältnisse daran verdeutlichen, dass die Mehrheit der Bevölkerung es bis zu einem existenziell bedrohlichen Punkt hinnimmt, das die sich im materiellen Wohlstand sicher fühlenden Gewinner auch Gewinner bleiben. Der Überlebensdrang für sich und Nachkommen ist stärker, als die Paralysierung durch vorherrschende Machtverhältnisse; Blut ist dicker als Wasser. Dabei spielt das Zulassen von bspw Jakobinertum eine große Rolle. Das heißt insgesamt ist die Population ständig geneigt, den Ausgleich durchzusetzen. Ausgleich ist ein natürlicher Vorgang und die Überheblichkeit der menschlichen Eliten wird immer wieder korrigiert werden, auch wenn diese den Begriff Evolution sozialdarwinistisch zu schleifen versuchen, wie Sie es tun.

                Evolutionärer Vorschritt ist das faktische Bestehen von überlebensfähiger, fortpflanzungsfähiger Nachkommenschaft und nichts anderes. Unsere Gesellschaften werden immer wieder zerbrechen und neu erstehen. Was bleibt, sind die genetischen Linien, die in der evolutionären Veränderung unserer Spezies präsent sein werden.

                • @lions:

                  "Vorschritt" Äh.. Fortschritt

              • 7G
                74450 (Profil gelöscht)
                @33523 (Profil gelöscht):

                "Evolution ist ein Prozess der sich auf die Gesellschaft auswirkt indem er den einzelnen beeinflusst. Entsprechend ziehen Moralische Argumente wie ihres auf Ebene der Gesellschaft nicht."

                 

                Warum nicht? Ohne Begründung ist das Unsinn.

            • @lions:

              Das geht davon aus, dass in unserer Gesellschaft Arme mehr Kinder bekommen. Das stimmt aber nur für bestimmte Untergruppen.

               

              Allzuviele haben nämlich weder Partner/-in noch Kinder, obwohl sie sich Familie wünschen.

              • @Arne Babenhauserheide:

                Welche "Untergruppen"?

                 

                Es gibt schon gut ausgebildete und intelligente Menschen mit mehreren Kindern, die "arm" sind.

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    Das Ehegattensplitting sollte in der Tat endlich entsorgt werden. Man sollte dann so konsequent sein und alle Steuervorteile für Verheiratete abschaffen. Das generiert nicht nur Mehreinnahmen sondern erleichtert auch die Umsetzung der Ehe für alle, weil dann der finanzielle Anreiz für die Regierung weg ist sie nicht umzusetzen.

     

    Was ich nie verstanden habe ist warum die Linken sich so für die Bekämpfung von Symptomen begeistern.

    Das Harz4 bekommen scheiße ist bestreite ich nicht aber das eigentliche Problem das der Bezieher hat ist ja nicht der niedrige Harz4 Satz, sondern das er über Jahre hinweg keinen gescheiten Job bekommt.

     

    Dabei hilft eine Opfer-Mentalität kein Stück weiter. Ein großes Hindernis in Deutschland ist der Fetisch für Abschlüsse. Das weicht glücklicherweise in einigen Branchen langsam auf. Aber eben diese, meist technologischen, Brachen werden von der Bundesagentur quasi komplett ausgespart, was eine ziemliche Sauerei ist.

  • "Weniger umverteilen, mehr Chancengleichheit".

     

    Ich dreh das mal um:" Durch Umverteilung mehr Chancengleicheit".(-.

    • 3G
      33523 (Profil gelöscht)
      @ulf hansen:

      Dumme Eltern wird man nicht durch einen Haufen Kohle los.

      • @33523 (Profil gelöscht):

        Ich nehme an das es um Ihre Eltern geht und da kann ich Ihnen leider nicht weiterhelfen aber es gibt Beratungsstellen.

        • 3G
          33523 (Profil gelöscht)
          @ulf hansen:

          Dumme Eltern kann man auch nicht weg beraten, glücklicherweise geht es dabei aber auch nicht um mich.

          Letztlich ist die Krux aber das die Eltern und das direkte Umfeld bis zum Schulalter schon einen gigantischen Unterschied entstehen lassen.

  • Weltweites Grundeinkommen - finanziert von den Reichsten der Welt.

     

    Ich tippe mal auf die reichsten 5.000 Personen die das finanzieren könnten.

    • @Justin Teim:

      Will heißen: Die reichsten 62 (Absolutzahl der Personen!) könnten das problemlos finanzieren.

      • @Arne Babenhauserheide:

        Die Zentralbanken der Welt können das auch ohne das Zutun der Reichen finanzieren. Geld ist keine begrenzte Ressource, sondern nichts weiter als eine Meßgröße.

         

        Und per Inflation kommt man viel einfacher an die Vermögen der Reichen als per Steuer.

      • @Arne Babenhauserheide:

        Genau - für die Größte Armut auf jedenfall das muss doch die größte Baustelle werden diese reichsten Menschen in die Pflicht zu nehmen.

  • 2G
    27741 (Profil gelöscht)

    Der Historiker Ammianus Marcellinus (4 Jahrhundert) über die Ursache des Abstiegs des römischen Imperiums:

    Infolge dieser Verhältnisse sind die wenigen Häuser, die früher wegen ernsthafter Pflege der Wissenschaften berühmt waren, jetzt erfüllt von Spielereien und einer langweiligen Untätigkeit und hallen wider vom Gesang und seichtem Geklimper der Saiteninstrumente. Schließlich holt man statt des Gelehrten einen Sänger und statt des Redners einen Possenreißer als Lehrer zu sich. Die Bibliotheken sind wie Grabmäler für immer geschlossen; man lässt Wasserorgeln bauen oder riesige Leiern vom Ausmaß eines Wagens.

    Kommt einem doch irgendwie bekannt vor.

  • Herr Fratzscher gibt sich geschockt ob der eingerissenen Verhältnisse. Gleichwohl gibt er in diesem Interview ein kaum nachvollziehbares Defizit an Realitätswahrnehmung zum besten. Er hat z.B. anscheinend noch nie etwas von prekär beschäftigten Akademikern gehört welche aufgrund ihrer Arbeitsverhältnisse keine Zukunftsplanung - d.h. auch hinsichtl. Erwerb einer Immobilie - betreiben können.

     

    Daß Bildung in D unterfinanziert ist steht außer Frage. Jedoch hilft Bildung nichts wenn das System auch bei - oder wegen - forcierter Marktradikalisierung an innere Grenzen stößt - auch hier hat Kommentator Mowgli recht.

     

    Als DIW-Wissenschaftler muß Herr Fratzscher dies wohl lebenslügenmäßig ignorieren. Wie die mittelschichtorientierten Grünen behandelt er vorzugsweise das erste Drittel - das Arbeitsleben und die Altersversorgung bleiben außen vor.

     

    Daß der gesetzliche Mindestlohn mittlerweile professionell unterlaufen wird hat Herr Fratzscher in seinem Elfenbeinturm auch noch nicht zur Kenntnis genommen. Grundlage hierfür ist wahrscheinlich eine entsprechende marktliberale Selbstprogrammierung welche für seine Berufsgruppe üblich ist und welche volle Zurkenntnisnahme von Realität erfolgreich verhindert.

     

    Nur noch peinlich sein Lob an die Adresse Merkels.

     

    Ja ja, wir schaffen das.

    • 3G
      33523 (Profil gelöscht)
      @Ulrich Frank:

      Naja,... Akademiker die "prekär" beschäftigt werden machen das i.d.R. an An-Instituten um ihren Doktor zu machen. Das man die damit einhergehenden Gehälter von 40.000€+ im Jahr finanziell als prekär bezeichnen kann bezweifel ist. Prekär ist i.d.R. nur die oft sehr kurze Laufzeit der Verträge. Dafür kann man mit dem Dr. aber in der Industrie so gut verdienen das man danach quasi sofort ein Haus kaufen kann. Jetzt mal davon ausgehend das man Fähigkeiten hat die in der Industrie gebraucht werden.

       

      Mal ab davon: Wer glaubt ein Eigenheim biete Sicherheit und sei finanziell sinnvoll hat sicher nichts studiert was mit Mathematik oder Wirtschaft zu tun hat.

      • @33523 (Profil gelöscht):

        Nein, es gibt auch in der freien Wirtschaft prekär beschäftigte Akademiker,die beinahe zum Mindestlohn beschäftigt sind.

        Und es sind leider auch nicht nur Menschen ohne Schul- oder Berufsabschluss, die zum Mindestlohn arbeiten und somit auch ergänzend Hartz IV erhalten.

        Ich frage mich wirklich, wer überhaupt weiß, wie es sich zurzeit in D arbeitet. DEr Inetrviewte scheint zumindest keine Ahnung zu haben.

        Mehr Bildung ist sicher nicht verkehrt, s verkennt aber, dass heute auch viele Gebildete keine oder schlechte Arbeit haben.

        • 3G
          33523 (Profil gelöscht)
          @Hanne:

          Werden Sie doch mal konkret. Mir ist kein einziger solcher Fall bekannt und ich habe jahrelang an einer universitären Einrichtung gearbeitet.

           

          "Ich frage mich wirklich, wer überhaupt weiß, wie es sich zurzeit in D arbeitet."

          Jetzt werden Sie aber sehr tendenziös. Ich gehe mal davon aus das von den 43 Millionen erwerbstätigen einige einen Eindruck davon haben wie es ist in Deutschland zu arbeiten, schließlich tun sie das ja alle ziemlich regelmäßig.

          Sie können nicht behaupten man habe keine Ahnung nur weil Ihnen eine Meinung nicht passt.

          • @33523 (Profil gelöscht):

            Das IAQ (Institut Arbeit und Qualifikation) der Universität Duisburg-Essen weist schon seit etlichen Jahren regelmäßig darauf hin, dass 70 % aller Niedriglöhner einen staatlich anerkannten Berufs- und/oder Hochschulabschluss haben.

             

            Auch ich als gelernte Kauffrau im Gesundheitswesen aus der - für die Komplementärmedizin allgemein typisch - oftmals vorurteilsbehafteten anthroposophischen Medizin trage seit mehreren Jahren Zeitungen aus und stocke mein zu geringes Erwerbseinkommen mit ergänzendem Arbeitslosengeld II auf.

             

            Vielen Geistes- und Kulturwissenschaftlern aus dem akademischen Bereich geht es auch nicht besser, wie nachfolgend verlinkter taz-Artikel beweist: http://www.taz.de/!5020975/

             

            Von etlichen anderen Menschen aus "Nischenberufen" ganz zu schweigen.

             

            All diesen Menschen hilft nur mehr Umverteilung von oben nach unten, um ihrer wirtschaftlichen Armut zu entkommen - so lange es für sie nicht genügend adäquate Jobs auf dem ersten Arbeitsmarkt gibt.

             

            Die Berufswahl primär oder gar ausschließlich auf den Arbeitsmarkt zu fokussieren, hilft weder den Betroffenen selbst noch ihren zukünftigen Arbeitgebern - denn letztgenannte verlangen heutzutage eine hohe Identifikation nicht nur mit der auszuübenden Berufstätigkeit, sondern auch mit der jeweiligenUnternehmensphilosophie. Beides lässt sich nicht äußerlich erzwingen!

            • 3G
              33523 (Profil gelöscht)
              @Jessica:

              Das glaube ich alles gerne. Viele ältere Menschen (ich bin mitte Zwanzig) haben noch gelernt das man mit einer Berufsausbildung oder einen abgeschlossenen Studium immer gut über die Runden kommt.

              Mit abnehmender "Abschluss-Fixierung" und steigender Fixierung auf die tatsächliche Leistung hat auch die vermeintlich Garantierte Sicherheit, die mit einem Abschluss einher ging, ihren Wert verloren.

               

              Die vorhandene Praxis würde ich beschreiben als: Man wird für das bezahlt was man kann, nicht für den Abschluss.

              Ergänzend dazu muss man auch sagen das auch eine noch so ausgeprägte Fähigkeit nichts bringt, wenn sie nicht nachgefragt wird.

               

              Wer Geschichte, Gender Studies, Kunstgeschichte,... studiert rennt sehenden Auges auf den Abgrund zu. Das ist auch nicht erst seit gestern so. Wer es nicht kennt sollte unbedingt "Der Menschen Höhrigkeit" lesen, dort wird die Situation von Kunst-Studenten während des 19 Jahrhunders recht akkurat.

               

              Arbeitnehmer sind Erwachsene Menschen die für ihre Entscheidungen selber verantwortlich sind, keine Kinder. Niemand hat einen Anspruch darauf in dem Beruf arbeiten zu können der ihm am besten gefällt.

              Insbesondere dann wen man als Arbeitnehmer quasi keine Aussicht auf einen Job hat, weil der Beruf nicht nachgefragt wird muss man sich doch zwangsläufig umorientieren. Anspruchsdenken ist das letzte was einem da weiterhilft, da man auf die Kooperation Dritter angewiesen ist gegenüber denen man schlicht keine Ansprüche geltend machen kann.

               

              Das die Situation für viele schwer ist glaube ich gerne. Ich kenne einige solcher Beispiele aus dem weiteren Bekanntenkreis. Diejenigen die aus diesen Teufelskreis ausgebrochen sind haben das nicht durch beharren auf ihrem ursprünglichen Beruf geschafft.

          • @33523 (Profil gelöscht):

            Akademiker (Menschen mit Hochschulabschluss) arbeiten nicht alle an Universitäten - und selbst da hat sich wie im öffentlichen Dienst insgesamt tariflich auch etwas geändert, zumal die Stellen dort aufgrund von Drittmitteln oft zeitlich prekär, da befristet, sind.

             

            Aber zurück zur freien Wirtschaft: Hier gibt es definitiv Stellen mit gefordertem Hochschulabschluss, die mit 9-12 Euro brutto vergütet werden.

             

            Und der Mindestlohn wird auch für gut ausgebildete und berufserfahrene Menschen angesetzt. Z.B. Bürokauffrau, Technischer Zeichner etc.

             

            Vielleicht beschäftigen Sie sich als ehemaliger Universitätsangestellter mal mit Menschen, die gut ausgebildet und arbeitswillig sind, aber dennoch von ihrem Lohn nicht leben können, geschweige denn ihre Kinder ernähren.

             

            Ich weiß, das fällt vielen über 40 Jahren sehr schwer und hinschauen möchte auch fast niemand. Kann ja alles nicht sein in Deutschland. Wer will, der schafft das auch.... Nur weil man selbst Glück hatte, dass es gut gelaufen ist mit Beruf und Einkommen.

            • 3G
              33523 (Profil gelöscht)
              @Hanne:

              Mir ist klar das die Mehrzahl der Akademiker in der Industrie arbeiten.

               

              "Zeitlich prekär"

              Da habe ich mich vor lachen gekrümmt. Wenn man prekär so definiert sind natürlich sehr viele Menschen in prekärer Beschäftigung.

              Entfristete Verträge ohne vorherige Befristung gehören der Vergangenheit an, das kommt nicht wieder, komm damit klar!

              Ich habe selbst vier Jahre befristet gearbeitet und das hat mir genau gar nicht geschadet. Es ist ja nicht so das der Arbeitgeber besonders scharf darauf ist möglichst viele Angestellte zu entlassen.

               

              Damit ich mich im Bezug auf meine Antwort einen post weiter oben nicht wiederholen muss drücke ich das ganze mal mit einem Statistik aus: https://twitter.com/Carnage4Life/status/715912737570689025

               

              Ich bin nicht über 40, ich bin noch nicht einmal 30.

            • @Hanne:

              Es kommt vielleicht auf drauf an in was man seinen Abschluss gemacht hat.

               

              Die Alibi-Arbeitsplätze im Diversity-Management von BMW sind sicherlich beschränkter als in der Konstruktion.

    • @Ulrich Frank:

      Offenbar, Interviewerin hatte Schwierigkeit, weil er immer wieder die unerwartete Antwort gibt.

       

      Aber besorgniserregend ist es dass der linke Lager immer wieder von solcher Schein-Neutralität erschüttert wird.

  • Was mich bei den Äusserungen von Herrn Fratzscher stört: es klingt alles ziemlich theoretisch - und das ist der Schwachpunkt der Ökonomen, aber auch der vieler Politiker. Es fehlt an praxisnahen, bürgerfreundlichen Initiativen. Mit theoretischen Betrachtungen und summarischen Ratschlägen kommt man nicht weiter.

     

    Europa kann sicherlich nicht die Lösung sein. Dass alle EU-und Euro-Länder auf ein gleiches Niveau kommen, ist pure Illusion. Solche Ideen können nur vom System behütete, beschützte und gut bezahlte Technokraten und Theoretiker vertreten.

    Ausserdem: der Druck supranationaler Finanz-Institutionen auf die Nationalstaaten ist unverändert stark. Ich kann mir daher nicht vorstellen, dass das Politmilieu die hier aufgezeigten Probleme lösen wird.

  • Wirklich? "8,50 Euro verdienen heute vor allem Menschen, die keinen Berufsabschluss haben, häufig noch nicht mal einen Schulabschluss"? Welcher Statistik hat er denn diese Überzeugung entnommen, der gute Marcel Fratscher? Einer für den abgehängten Osten Deutschlands sicher nicht.

     

    Überhaupt: Ich habe ein Problem mit seinem WIR. "Wir" sind es nämlich nicht gewesen, die "die öffentlichen Investitionen zurückgefahren und stattdessen Wahlgeschenke verteilt [haben]". "Wir" sind es auch nicht, denen es "zu gut [geht]" und die denken: "Jetzt können wir uns mal richtig was gönnen".

     

    Es gibt Gegenden in diesem Land, da sind die Häuser billig. So billig, dass 70-90% aller Haushalte sich ein eigenes Haus (nebst entsprechende Sicherheit) leisten könnten. Nur will da niemand wohnen. Es gibt nämlich keine auskömmlichen Jobs in diesen Gegenden. Nicht mal für Lehrer oder Altenpfleger.

     

    Es werden grade jede Menge Chancen verspielt, da stimme ich Herrn Fratscher zu. Nur: Mehr Investitionen in Infrastruktur und Bildung sind nicht genug. Man kann Milliarden investieren, ohne dass die Unternehmen deswegen mehr Leute einstellen oder ihre Beschäftigten besser bezahlen. Wer das nicht glaubt, muss in den Osten Deutschlands gehen.

     

    Würde Marcel Fratscher wirklich mehr Menschen eine Chance wünschen, besser für sich selbst zu sorgen und ihre Talente voll zu entwickeln, würde er für eine Neubelebung des öffentlichen Beschäftigungssektors plädieren. Vor allem im Bildungs- und Sozialbereich. Der Markt, so viel scheint mittlerweile klar zu sein, bringt's da ganz einfach nicht.

     

    Ich persönlich bin für Umverteilung, allerdings richtig. Denen, die viel Geld haben, etwas wegzunehmen und es anschießend denen, die wenig haben, in die Hand zu drücken, reicht nicht. Man sollte schon ein bisschen denken beim Lenken. Als Staat hat man nämlich eine Verantwortung, die weiter reicht als bis zum nächsten Einzelunternehmen. Selbst dann, wenn dieses Unternehmen VW heißt.

    • @mowgli:

      "Es gibt Gegenden in diesem Land, da sind die Häuser billig. So billig, dass 70-90% aller Haushalte sich ein eigenes Haus (nebst entsprechende Sicherheit) leisten könnten. Nur will da niemand wohnen. Es gibt nämlich keine auskömmlichen Jobs in diesen Gegenden. Nicht mal für Lehrer oder Altenpfleger. "

       

      Das ist vielleicht eins der am meisten missverstandenen Probleme, wie ich finde. Man nimmt diesen Fakt nämlich immer als gottgegeben hin, dabei tut die Politik sehr viel dafür Städte im Vergleich zum Land besserzustellen. Z.B. kostet das Trinkwasser in den Großstädten teilweise durch Subventionen deutlich weniger als in den 100 km entfernten ländlichen Gebieten aus denen es abgepunpt wird.

       

      Es sollte im Gegenteil viel mehr Maßnahmen gegen die Landflucht getroffen werden. Da mehr und mehr Arbeitsplätze in Zukunft vor dem Laptop sein werden, sollte das auch durchaus Erfolg versprechend sein.

    • @mowgli:

      "Denen, die viel Geld haben, etwas wegzunehmen und es anschießend denen, die wenig haben, in die Hand zu drücken, reicht nicht. "

      Richtig. Ich glaube, man müsste ihnen schon was wegnehmen und zwar das

      RECHT auf AUSBEUTUNG

      oder sehe ich das falsch?

  • "Seit den siebziger Jahren ist die Ungleichheit massiv angestiegen, während der Sozialstaat gleichzeitig größer geworden ist"

     

    Wäre echte Sozialpolitik betrieben worden, würden Rellöhne nicht seit den 90er stagnieren.

    Im Liberalismus wird es immer Ungleichheit geben, da dies sein ureigenes Prizip ist.

  • Nun umzuschalten von einer restriktiven Ausgabenpolitik auf eine Politik der Investitionen für die Zukunft ist sicher richtig; alles andere, also ein "weiter so!", ist sicher falsch.

     

    Es bleibt jedoch die Frage offen, wie den Mitbürgerinnen und Mitbürgern geholfen wird bzw. geholfen werden kann, für die von ihrem Lebensalter her betrachtet das Umsteuern und die damit verbundenen positiven Effekte zu spät kommt.

     

    Wenn ich mich richtig erinnere, gab es vor einiger Zeit eine Studie, nach der diejenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Arbeitsleistung mit dem Mindestlohn oder leicht über dem Mindestlohn bezahlt wird, noch nicht einmal die Mindestrente bekommen. Da rollt eine soziale Problemwelle auf Deutschland zu, auf die wir noch nicht mal ansatzweise die groben Umrisse einer möglichen Lösung haben.

     

    Meiner Meinung nach trägt für diese "Trägheit des Denkens" die Politik die Hauptschuld; alle Parteien, die in den Parlamenten vertreten sind, und auch die, die für sich Chancen sehen, nach der nächsten Wahl wieder dazu zu gehören, streben nach der Mitte.

    Weil keiner sich traut, ausserhalb dieses Mainstreams, dieses Zeitgeistes zu stehen, gleichen sich nicht nur die Partei- und Wahlprogramm einander an, sondern eben auch das Denken unserer Politiker.

    Eine Folge davon ist sicher, dass nur noch Politik für die Mitte, für die Mehrheit gemacht wird, wodurch die Fragen und Probleme derer, die ausserhalb stehen, schon gar nicht mehr wahrgenommen werden, geschweige denn Lösungen gesucht werden.

    • @Der Allgäuer:

      Es sind weit mehr als diejenigen, die heute 8,50 Mindestlohn erhalten, die eine Rente unter dem Sozialhilfesatz zu erwarten haben.

  • Zum Thema Chancengleichheit:

    Ja korrekt, jeder der mal einen Mitarbeiter eingestellt hat oder Mitarbeiterverantwortung trägt weiß, dass hier der Schwerpunkt liegen muss.

    Chancengleichheit im Erwachsenenalter kann es nur geben wenn jeder in jüngeren Jahren auf etwa gleichen Stand (Qualifikation und Motivation) gebracht wurde.

     

    Konzept verpflichtenede Ganztagesschule und Vollbetreuung im KiGa-Alter? Da hege ich Zweifel wegen Uniformismus durch Freiheitsentzug.

    • @Tom Farmer:

      Frei ist niemand von uns. Jeder handelt wie er seinem Charakter nach nunmal Handeln muss. Unser Bewusstsein rechtfertigt nur nachträglich die im Unbewussten getroffenen Prozesse.

      Deswegen ist es die beste und verachtenswerteste Taktik der Mächtigen den Liberlaismus mit Recht auf Freiheit zu verkaufen

      • @HerrvonSinope:

        Ich weiß nicht welchen Freiheitsbegriff Sie hier meinen.

        Mir gings um kindgerechte Freiheiten von Schulpflichtigen und Recht auf Freizeit und Enfaltung anstatt (freiwillger) Quasi-Kasernierung wie man sie von Bildern koreanischer oder japanischer Schulen kennt.