Nahost-Reise von Außenminister Maas: Argumente müssen her
Es hat einen beunruhigenden Subtext, wenn Deutschland nur aufgrund seiner Geschichte mit Israel solidarisch ist. Die Glaubwürdigkeit fehlt.
K ommen Sie aus Zionismus oder aus Deutschland?“, wurden jüdische Immigranten in den 30er Jahren gern gefragt. Ähnliches könnte man jetzt auch Heiko Maas fragen. „Kommen Sie als echter Unterstützer nach Israel oder aufgrund der deutschen Staatsräson?“
Denn das deutsche Engagement in Form der Nahostreise des Bundesaußenministers krankt nicht nur daran, dass eine Waffenruhe bereits ausgehandelt wurde. Oder daran, dass ein echter Friedensprozess mit einem Palästinenserpräsidenten, dem Legitimität und Durchsetzungsvermögen fehlt, unmöglich ist – und die Hamas den Prozess ohnehin in Stücke sprengen würde. Die deutsche Vermittlungsmission krankt vor allem an Glaubwürdigkeit.
Wann immer die Situation in Nahost eskaliert, passiert Folgendes: Maas und die meisten seiner Kolleg*innen sondern ein paar Politphrasen ab, in denen „Besorgnis“, „Mäßigung“ und „Deeskalation“ vorkommt. Alsbald, meist nach Kritik, wird das Geschwurbel ergänzt mit einem Bekenntnis zur „deutschen Staatsräson“. Soll heißen: Solidarität und Unterstützung für Israel sind aufgrund des Holocausts eine unverrückbare Säule deutscher Politik.
Dieses Bekenntnis erhält aber einen beunruhigenden Subtext: Wir unterstützen Israel nicht aus Überzeugung oder weil wir es für politisch richtig halten, sondern weil es vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte leider, leider getan werden muss.
Einfach mal gar nichts sagen
Die besondere Betonung der Staatsräson sendet die Botschaft aus, dass man es eigentlich für politisch falsch hält und tatsächlich anders denkt. Kein Wunder, dass viele auf arabischer Seite die Meinung vertreten, die Palästinenser*innen müssten den Preis für die Sühne der Deutschen bezahlen.
Glaubwürdigkeit bedeutet, sich nicht auf „deutsche Staatsräson“ zurückzuziehen, sondern überzeugende Argumente für die Unterstützung zu liefern. Wer das nicht kann, könnte einfach mal gar nichts sagen, so wie bei vielen anderen bewaffneten Konflikten dieser Welt auch.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Thüringen
Das hat Erpresserpotenzial
Friedenspreis für Anne Applebaum
Für den Frieden, aber nicht bedingungslos
BSW in Sachsen und Thüringen
Wagenknecht grätscht Landesverbänden rein
Rückkehr zur Atomkraft
Italien will erstes AKW seit 40 Jahren bauen
Klimaschädliche Dienstwagen
Andersrum umverteilen
Tech-Investor Peter Thiel
Der Auszug der Milliardäre aus der Verantwortung