Nachfolger von 9-Euro-Ticket: Wissing kündigt Günstig-ÖPNV an
Der Verkehrsminister spricht sich für eine Fortführung der Flatrate für Busse und Bahnen aus – wenn die Länder zahlen.
Tatsächlich könnte ihr Protest bereits gewirkt haben, bevor er losging: Wenige Stunden vorher versprach Bundesverkehrsminister Volker Wissing nämlich nach langem Zögern eine Fortsetzung des 9-Euro-Tickets. Zunächst müssten Struktur und Finanzierung des Tickets geklärt werden – und anschließend der Preis. Nur dann sei der Bund auch bereit, einen Beitrag zur Finanzierung zu leisten, sagte der FDP-Politiker im Deutschlandfunk.
Die dreimonatige Aktion hatte 2,5 Milliarden Euro gekostet. „Man kann nicht vom Bund erwarten, dass er einfach Geld auf den Tisch legt, wenn die Länder selbst keine Vorschläge haben, wie das neue Ticket aussehen soll“, betonte Wissing. Sein Parteifreund habe ihn „überzeugt“, twitterte derweil Finanzminister Christian Lindner von der Kabinettsklausur in Meseberg. Wenn die Länder mitwirkten, könne Wissing „mit einem Bruchteil der Finanzmittel des 9-Euro-Tickets ein bundesweit nutzbares, digital buchbares Ticket realisieren“, schrieb Lindner – mit dem Hashtag #WissingWirkt.
Für die Liberalen entscheidend ist auch das Ende der Tarifvielfalt in den Verkehrsverbünden. Durch den Verkauf von 52 Millionen 9-Euro-Tickets in den vergangenen 3 Monaten hätten die Menschen „darüber abgestimmt, dass es so nicht bleiben soll“, sagte Wissing. Deshalb werde er sich „dafür einsetzen, dass es nicht wieder zum Rückfall in die alten Tarifstrukturen kommt so wie jetzt kurzfristig ab dem 1. September.“
Bescheidene Bilanz beim Spritrabatt
Am Mittwoch endete mit dem 9-Euro-Ticket und mit der Rabattierung von Benzin und Diesel ein dreimonatiger deutschlandweiter Feldversuch, mit dem die Bundesregierung die Inflation ausgleichen wollte. Während die günstigen Monatsfahrkarten laut ersten Untersuchungen Menschen mit wenig Geld mehr Bewegungsfreiheit ermöglichten und viele Autofahrten überflüssig machten, fällt die Bilanz beim Steuerspritrabatt trotz Kosten in Höhe von über 3 Milliarden Euro bescheiden aus. Laut einer Studie des RWI Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung kassierten die Mineralölkonzerne zunehmend große Teile der Steuerreduzierung ein. So seien „die preisdämpfenden Effekte des Tankrabatts durch preistreibende Faktoren geschmälert“ worden.
Ab Donnerstag werden die Verkehrverbünde versuchen, die in den vergangenen drei Monaten gewonnenen KundInnen bei der Stange zu halten – aber sie haben keine Preiskracher mehr im Angebot: So gibt es in Hamburg für 29,50 Euro eine neue 5er-Tageskarte, die binnen 30 Tagen genutzt werden kann und 3,50 Euro spart. Anderswo sind bereits Tariferhöhungen beschlossen. In und um Stuttgart ziehen die Preise zum Jahreswechsel durchschnittlich um 4,9 Prozent, im Großraum Nürnberg um 3 Prozent an.
Derweil geht nun der Poker um das Günstig-Ticket 2.0 los. Die Bundes-SPD hat bereits ein bundesweites 49-Euro-Ticket ins Spiel gebracht, die Grünen wollen ein regionales Monatsticket für 29 Euro. Aus Sicht der Länder ist klar: Einfach eine weitere billige ÖPNV-Fahrkarte darf es nicht geben, auch das Angebot im Nahverkehr muss verbessert werden: bessere Infrastruktur, mehr Personal, mehr Fahrzeuge.
2022 wohl kein neues Ticket mehr
Sie fordern deshalb bereits, dass die Regierung die sogenannten Regionalisierungsmittel deutlich aufstockt, mit denen der Bund den ÖPNV in Ländern und Kommunen mitfinanziert. Zusätzlich zu einer bereits geforderten Erhöhung um 1,5 Milliarden Euro pro Jahr verlangen die VerkehrsministerInnen der Länder wegen der hohen Energiepreise für die Jahre 2022 und 2023 jeweils 1,65 Milliarden Euro mehr. Andernfalls müssten die Unternehmen die Preise im ÖPNV bald weiter erhöhen – anstatt eines günstigeren Angebots für Busse und Bahnen würde alles teurer.
Im laufenden Jahr wird es mit dem neuen Ticket wohl nichts mehr werden. Allein für die technische Umsetzung einer dauerhaften Anschlusslösung für das 9-Euro-Ticket benötigen die Verkehrsunternehmen laut ihrem Branchenverband VDV etwa drei Monate. Sollte die Ampel mit den Ländern also ein neues Angebot zum Januar 2023 starten wollen, müssten die politischen Entscheidungsprozesse „idealerweise“ bis Anfang Oktober abgeschlossen sein, sagte ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur.
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