Nach Urteil zu „Compact“: Tadel für Nancy Faeser

Nach dem vorläufigen Aussetzen des „Compact“-Verbots greift die FDP die Innenministerin an – Grüne und SPD springen ihr bei. Und das rechte Magazin?

Schaltete am Donnerstag auf Vorwärtsverteidigung: Innenministerin Nancy Faeser in Berlin Foto: Sebastian Gollnow/dpa

BERLIN taz | Eigentlich sollte es eine Werbetermin für Nancy Faeser sein, am Donnerstag am Berliner Ostbahnhof. Die Bundesinnenministerin besuchte dort auf ihrer Sommer-Sicherheitstour die Bundespolizei und eine erstmals geschaffene Anlaufstelle für Frauen, die Gewalt erfahren haben. Das Thema ist Faeser wichtig, solche Vorfälle seien „unerträglich“, sagte die Sozialdemokratin. Dann aber kamen schnell die anderen Fragen. Die nach dem Compact-Verbot.

Im Juli hatte Faesers Ministerium das rechtsextreme Magazin von Verschwörungsbefeuerer und Putinfreund Jürgen Elsässer verbieten lassen. Am Mittwoch aber hob das Bundesverwaltungsgericht den sofortigen Vollzug des Verbots auf: Das Magazin genieße einen vorläufigen Rechtsschutz, da die Erfolgsaussichten seiner Klage gegen das Verbot „offen“ sei. Zwar ließen einzelne Texte Verletzungen der Menschenwürde und eine „kämpferisch-aggressive Haltung“ gegen Verfassungsgrundsätze erkennen.

Mit Blick auf die Meinungs- und Pressefreiheit gebe es aber „in weiten Teilen nicht zu beanstandende Beiträge“ in den Ausgaben. Es bestünden daher „Zweifel“, ob die verfassungsfeindlichen Artikel so prägend für das Magazin seien, um das Verbot zu rechtfertigen. Denn es gebe es ja auch mildere Mittel, wie presserechtliche Maßnahmen oder Veranstaltungsverbote.

Faeser schwieg zunächst zu der Entscheidung, am Donnerstag schaltete sie auf Vorwärtsverteidigung. Das Verbot sei richtig, der Weg über das Vereinsgesetz auch nicht beanstandet worden, sagte sie im Berliner Ostbahnhof. Compact sei vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft und verbreite verfassungsfeindliche Agitation. Man habe dafür „umfassendes Beweismaterial“ vorgelegt. Dass das Bundesverwaltungsgericht vorläufig anders entschieden habe, sei ein im Rechtsstaat „ein ganz normaler Vorgang“, beteuerte Faeser. Der Ausgang im Hauptverfahren aber sei „offen“. Und, so die Innenministerin: „Wir werden weiter entschieden gegen Verfassungsfeinde vorgehen.“

Fall erledigt? Wohl kaum.

Fall erledigt? Wohl kaum. So muss sich die Ministerin weiter Kritik gefallen lassen, auch aus der Ampel selbst. FDP-Mann und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki polterte, die Entscheidung sei eine „Klatsche“ für Faeser. Sie werde vor den Wahlen im Osten „zur besten Wahlkämpferin der AfD“. Verliere sie auch im Hauptsacheverfahren, müsse Faeser zurücktreten. Auch Kubickis Parteikollege Konstantin Kuhle sagte der taz, Faesers Ministerium sehe in Sachen Compact-Verbot „nicht gut aus“. Aus der Opposition kam ohnehin Kritik. Vertreter der Union attestierten Faeser handwerkliche Mängel beim Verbot, der vorläufige Gerichtserfolg für Compact werfe ein „verheerendes Licht“ auf ihre Sachkompetenz. Die AfD forderte direkt Faesers Rücktritt.

Jürgen Elsässer dagegen kostete seinen Punktsieg aus. Schon am Mittwoch reagierte er mit einem Video, in dem er mit seiner Frau und einem Mitarbeiter mit Sekt anstieß. Die Entscheidung sei der „größte Triumph in der Nachkriegsgeschichte“, tönte er großspurig und schmähte Fae­ser als „Diktatorin“. Am Donnerstag nahm Elsässer dann im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin Platz, nicht im großen Saal, sondern eingemietet in einem kleinen Nebenraum. Einen der Anwälte von Compact, Laurens Nothdurft, begrüßte er euphorisch: „Sie sind der Sieger.“

Nothdurft indes ist selbst ein Beispiel für das Netzwerk, in dem sich Compact bewegt: Er war früher Mitglied der „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ), eine von der Hitlerjugend inspirierten und 2009 verbotenen Jugendorganisation. Seit Juli ist der AfD-Politiker Ortsbürgermeister von Roßlau in Sachsen-Anhalt.

„Unsere Justiz ist unabhängig und urteilt entsprechend“

Die August-Ausgabe sei bereits vor dem Inkrafttreten des Verbots gedruckt worden und dann eingelagert worden, erklärte Elsässer. Da aber auch die Abonnentenkartei und Unterlagen beschlagnahmt worden seien, werde die Ausgabe über Einzelbestellungen ausgeliefert. Zuvor hatte Elsässer die Ausgabe digital allerdings schon unter anderem Namen vertrieben: Mit dem Titel „Näncy“, online bestellbar über die Seite eines Querdenkerblatts.

Der TV-Ableger von Compact könne vermutlich schneller wieder an den Start gehen als das Magazin, sagt Elsässer. Er bezeichnet das Verbot als Erfolg für Compact: Davor hätten vielleicht zwei Millionen Deutsche das Magazin gekannt, „jetzt dürften es 60 Millionen sein.“

Auch andere Rechtsextremisten feierten die Entscheidung. Von einer „politischen Sensation“ sprach AfD-Rechtsaußen Björn Höcke. Der Identitäre Martin Sellner jubelte über einen „großartigen Tag“. Das rechtsextreme Netzwerk „Ein Prozent“ kündigte an, Compact über einen „Solifonds“ ein neues Studio zu finanzieren.

Für Faesers erklärten Kampf gegen den Rechtsextremismus ist das Urteil vom Mittwoch ein Rückschlag. Ihr Ministerium wird sein Beweismaterial gegen Compact nun noch mal ausbauen müssen – auch mit Material, das bei den Durchsuchungen am Verbotstag im Juli beschlagnahmt wurde.

Faeser bekam aber auch Unterstützung: Die Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic sagte der taz, es sei bei Verboten immer so, dass diese gerichtlich überprüft und beanstandet werden können. „Unsere Justiz ist unabhängig und urteilt entsprechend. Und das ist gut so.“ Auch SPD-Mann Sebastian Fiedler warnte, auf Erzählungen der Rechtsextremen „hereinzufallen“. Die Gerichtsentscheidung sei nur vorläufig. Angesichts der vorhandenen Belege, dass Compact gegen die verfassungsgemäße Ordnung agitiere, sei das Verbot „geradezu zwingend“, so Fiedler zur taz.

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