Mitorganisatorin über Fridays for Future: „Protestieren geht über Studieren“
Es gebe kein Recht auf SUVs, sagt Luisa Neubauer, Mitorganisatorin von Fridays for Future in Berlin. Am Freitag protestieren SchülerInnen in über 100 Ländern.
Frau Neubauer, geben die Demonstranten von Fridays for Future zu einfache Antworten auf komplexe Fragen?
Wir stehen vor der größten Transformation der Menschheit, darüber gibt es keine Illusionen. Was es braucht, sind klare Antworten auf große Fragen. Das heißt nicht, dass die Komplexität verneint wird, sondern, dass wir die Dinge auf den Punkt bringen, wie etwa Greta (Thunberg) das tut.
Wann werden die Demonstranten genauer ausformulieren, was sie möchten?
Ich glaube, es ist nicht unsere Aufgabe, der Politik im Detail durchzudeklinieren, was sie zu tun hat. Unsere Aufgabe ist es, aufzuzeigen, dass gehandelt werden muss – und zwar schnell. Und eben, moralische Konsequenzen zu ziehen. Es gibt kein Recht auf SUV-Fahren, es gibt aber ein Recht auf die eigene Lebensgrundlage: Artikel 20a Grundgesetz. Das wird gerade terrorisiert.
Die Streiks werden oft als Schüler*innenstreiks gelesen. Müssten nicht die Student*innen mehr Präsenz zeigen?
Greta hat das ganze als „Schulstreik“ geframt, viele Studis waren lange unsicher, wie sie sich einbringen können. Es ist aber enorm wichtig, dass auch Studis diese Streiks mittragen. Die Betroffenheit von der Klimapolitik endet ja nicht mit der Schulzeit.
Wie kriegt man die Student*innen auf die Straße?
In Berlin haben wir eine WhatsApp-Gruppe für Studierende eingerichtet, wir verbreiten Grafiken und sagen: Es ist auch eure Zukunft, Protestieren geht über Studieren.
22, studiert Geografie in Göttingen und organisiert die Demos in Berlin mit. Am Freitag wollen SchülerInnen in über 100 Jahren für mehr Klimaschutz protestieren, anstatt zur Schule zu gehen.
Sie haben sich deutlich dagegen ausgesprochen, Parteipolitik zu machen. Warum?
Ich bin ja Mitglied in einer Partei …
… bei den Grünen.
Genau. Menschen fragen sich auch häufig, ob ich persönliche politische Ambitionen habe. Das finde ich absurd, denn es gibt wohl keinen unbequemeren Weg, in die Politik zu starten, als den, den ich gerade mache. Das, was mich inspiriert, ist nicht im Bundestag zu finden. Ich finde es auch befremdlich, wenn Politiker*innen sagen: Wir haben auf so was wie euch gewartet! Das ist ja tragisch, dass man im Bundestag sitzt und darauf wartet, dass ein paar junge Menschen sich entscheiden, nicht zur Schule zu gehen.
Trotzdem ist es der Ort, wo die Entscheidungen fallen …
Wir gehen auf die Straße, weil in den nächsten zwei bis fünf Jahren massiv Klimapolitik gemacht werden muss – in aller notwendigen Radikalität. Wir haben keine Zeit, auf ein eigenes Mandat zu warten. Wir brauchen die Menschen, die jetzt im Bundestag sitzen. Die müssen in die Puschen kommen.
taz-Reporter*innen Anett Selle und Christopher Kammenhuber berichteten von den Schulstreiks in Düsseldorf und Berlin live auf Periscope.
Haben Sie Sorge, dass das Engagement irgendwann abebbt?
Ich habe vor ganz vielem Angst. Unter anderem vor den Folgen eines ökologischen Kollapses, auf den wir gerade zurasen. Eine Sache, vor der ich keine Angst habe: Dass junge Menschen weiter in irgendeiner Form für ihre Zukunft einstehen werden.
Das ist natürlich auch Zweckoptimismus.
Kein Veto.
Über Generationen- gerechtigkeit, die Kraft von sozialen Bewegungen und eine doch nicht so politikverdrossene Generation spricht Luisa Neubauer am 6. April auf dem taz lab. Mehr Infos unter tazlab.de
Was müsste denn passieren, damit Fridays for Future aufhören kann?
Das Problem ist ja nicht nur, dass die Politik gerade mit großer Klimaignoranz durch die Legislaturperiode spaziert. Sondern, dass wir immer wieder erlebt haben, dass die selbstgesteckten Ziele nicht eingehalten werden – Stichwort Klimaziele 2020. Es gibt also für uns keinen Grund, darauf zu vertrauen, dass die Politik ambitioniertere Ziele auch einhalten würde. Das ist gruselig: Was bedeutet es für eine Generation, die nicht mehr darauf vertraut, dass sich die Regierung an ihre Vorhaben hält?
In einem Blogbeitrag heißt es: Um die Ziele zu erreichen, braucht es Empathie, Respekt und ein liebevolles Miteinander. Wie sieht diese Liebe aus?
Es wird extrem herausfordernd, was da auf uns zukommt. Was macht es mit einer Gesellschaft, der hundert Jahre lang erzählt wurde, man müsse auf Wachstum hinarbeiten, wenn man das auf einmal in Frage stellt? Das wird ungemütlich. Klimafragen sind auch immer Gerechtigkeitsfragen, Geschlechterfragen, Klassenfragen. Wir müssen uns darauf gefasst machen, dass unsere Gesellschaft auf die Probe gestellt wird. Da braucht es von uns allen noch mehr Vorstellungsvermögen und Empathie.
Sind junge Menschen denn dazu bereit, weniger zu konsumieren?
Das ist eine kulturelle Fragen. Wir finden ja nicht den Konsum gut, sondern was uns darüber erzählt wird. Die Werbung sagt: Das und das bist du, wenn du konsumierst. Wenn man sich mehr darauf besinnt, was wir eigentlich brauchen, ist das verdammt wenig an materiellen Gütern.
Kann man mit Veganismus die Welt retten?
Nein, das würde ich nicht sagen.
Macht es denn einen Unterschied, ob ich Käse oder Schnitzel esse?
Das schon. Zum einen ist es gesünder, vegan leben – gesunde Menschen können auch länger das Klima schützen. Gleichzeitig ist es ein wertvoller Schritt, bei sich selbst anzufangen. Das bereitet uns darauf vor, was vielleicht mal kommt. Es ist offensichtlich, dass so etwas wie eine Fleischsteuer notwendig ist. Und wer schon jahrelang glücklich ohne Fleisch gelebt hat, wird dann nicht auf die Barrikaden springen.
Sie haben über 12.000 Follower auf Instagram. Sind Sie eine Klimainfluencerin?
Das ist ein witziges Wort. Was soll das sein?
Jemand, der ganz viele Leute dazu bringt, mehr über dieses Thema nachzudenken.
Ich weiß nicht, ob Instagram so funktioniert. Oft denkt man doch mehr über die Person nach als über das Thema. Aber ich finde es total inspirierend, persönliche Geschichten von anderen Menschen zu hören. Das kann Mut machen. Vielleicht kann ich wiederum das auch ein klein wenig für andere Menschen sein.
Sie haben mal von einem „Wohlfühlmoment“ gesprochen: Die Gefahr, das man eine Sache für das Klima macht und dann denkt, man sei fein raus. Besteht nicht genau diese Gefahr beim Streik? Nach dem Motto: Ich habe jetzt jeden Freitag protestiert, dann kann ich in den Ferien auch mal nach Mallorca fliegen?
Da wir so wahnsinnig viele kontroverse Diskussionen führen, durchlaufen wir immer wieder Reflexionsloops. Dadurch, dass wir uns immer wieder rechtfertigen müssen, festigen wir unser Bewusstsein dafür, was wir wollen. Die deutlich größere Gefahr ist diese privatisierte Konsumdebatte, die wir führen. Es geht darum, ob du eine Bambuszahnbürste benutzt oder nicht. Das ist ein riesiges Geschenk an die Konzerne, die sich derweil an der Klimakrise dumm und dusselig verdienen.
Wie geht es weiter mit Fridays for Future?
Da können wir in drei Monaten noch mal drüber reden.
Sie hecken etwas aus?
Wir werden die Europawahl zur Klimawahl machen. Indem wir dazu beitragen, dass alle Parteien unter gehörigen Druck geraten, sich mit der Zukunft auseinanderzusetzen.
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