Medienkompetenz von Lehrer:innen: Erstaunliche Vorstellungen
In einer Studie wurden Lehrkräfte nach den Aufgaben von Medien befragt. Das Ergebnis: Ein überraschend großer Teil steht ihnen ablehnend gegenüber.
Nachrichtenkompetenz spielt in deutschen Lehrplänen bisher keine zentrale Rolle. Ob Schüler*innen Grundfertigkeiten im Umgang mit dem enormen Informationsangebot lernen, liegt meist im Ermessen der Lehrkräfte. Durch die „Fake News“-Debatte der letzten Jahre ist dieses Problem stärker ins Bewusstsein gerückt. Eine repräsentative Studie sollte nun untersuchen, wie stark dieses Bewusstsein bei Lehrkräften ist. Welche Bedeutung sie Nachrichtenkompetenz beimessen – und wie es um ihre eigene bestellt ist.
Dabei hat sich gezeigt: Ein erstaunlich großer Teil der Lehrkräfte steht Medien ablehnend oder feindselig gegenüber – oder geht implizit davon aus, dass in Deutschland keine Pressefreiheit existiert.
Die Studie, die am Dienstag erschienen ist, hat die Stiftervereinigung der Presse in Auftrag gegeben, ein Zusammenschluss verschiedener Presseverlage und Velegerverbände. Durchgeführt hat sie Allensbach, ein unabhängiges, freiwirtschaftliches Institut für Sozialforschung. Allensbach hat im Februar und März, also vor den Pandemiemaßnahmen, 500 Deutsch- und Sozialkundelehrer*innen der Sekundarstufe I befragt, in einer repräsentativen Stichprobe. Die Befragten sollten die Bedeutung von Nachrichtenkompetenz im Schulunterricht bewerten, sowie ihr Wissen über Nachrichtenmedien beweisen.
Während fast alle Befragten (95 Prozent) Nachrichtenkompetenz als mindestens „wichtig“ einstuften, fand die Studie bei überraschend großen Teilen der befragten Lehrkräften eine beunruhigende Haltung zu Rundfunk und Presse. Vor allem bei Fragen nach den Aufgaben von Medien zeigten sich bei den Befragten teils erstaunliche Vorstellungen. Nur 60 Prozent etwa waren sich sicher, dass es Aufgabe der Medien ist, „die Mächtigen kritisch zu beobachten und zu kontrollieren“.
Die freie Presse
Derweil gaben 40 Prozent an, Medien seien dafür da, „die Bevölkerung für bestimmte Anliegen zu mobilisieren“. 10 Prozent sagten, dass Medien „die Meinungsbildung im Sinne der Regierung lenken“ sollen, 6 Prozent, dass Medien Nachrichten „zurückhalten sollen, wenn die Gefahr besteht, dass dadurch die öffentliche Meinung negativ beeinflusst wird“. Diese Positionen wurden in der Befragung vorformuliert angeboten, Mehrfachnennungen waren möglich.
19 Prozent der Befragten stimmten in einer weiteren Frage der Aussage zu, dass „viele Nachrichten, die eigentlich wichtig sind, in den normalen Medien verschwiegen werden und man sie nur in sozialen Netzwerken, Foren oder Blogs findet“. Das sind Positionen, die beunruhigen müssen, weil sie übersetzt bedeuten: Diese Befragten finden, dass es hierzulande keine funktionierende freie Presse gebe. Sie offenbaren ein Verständnis von Medien als Teil der Regierung, des Staates, der Obrigkeit, wie es seit Jahren von rechts aktiv verbreitet und verfestigt wird.
In Ostdeutschland, wo viele noch selbst eine tatsächliche gelenkte Presse erlebt haben, scheint diese Sicht noch einmal geläufiger zu sein. Der Aussage, dass „Journalisten in den klassischen Medien ohnehin nur die Nachrichten und Meinungen verbreiten, die in ihr eigenes Weltbild passen“, stimmten von den ostdeutschen Befragten 23 Prozent zu. Im gesamtdeutschen Durchschnitt waren es 13 Prozent.
Regelmäßige Fortbildungen nötig
Für Dietmar Wolff, Hauptgeschäftsführer des Verlegerverbands BDZV ist die Studie „ein besorgniserregender Befund“, so wird er in der Pressemitteilung des Verlags zitiert. Gerade in Zeiten von Corona werde gut ausgebildetes Lehrpersonal benötigt, das flexibel auf Informationsbedürfnisse reagiere.
Auf Nachfrage der taz, welche Forderungen aus der Studie abzuleiten sind, sagt Wolff, die Ergebnisse der Studie legten nahe, „dass das Thema Nachrichtenkompetenz – mit Betonung auf den Umgang mit und das Verstehen und Bewerten von Nachrichten und deren Quellen – einen viel größeren Raum als bisher im Unterricht einnehmen sollte“. Dazu gehöre auch eine regelmäßige Fortbildung der Lehrkräfte, „die übrigens ihrerseits laut unserer Studie die Vermittlung dieser Kompetenzen selbst als sehr wichtig einschätzen“.
Es mag gerade nicht die beste Zeit sein, um Lehrkäfte aufzufordern, sie mögen jetzt bitte noch die ein oder andere Fortbildung machen. Andererseits war die Bedeutung von Nachrichtenkompetenz selten so groß wie gerade.
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