Manifest von Robert Habeck: Kapitalismus in Grün
Der neue Wirtschaftsminister verspricht die sozialökologische Marktwirtschaft: Umweltgesetze, neuer Wohlstandsbegriff und ein Öko-TÜV für die Politik.
Denn für die große Transformation zur Klimaneutralität müssen dicke Brocken bewegt werden, so der Tenor. Dafür soll die Bundesregierung Gesetze und Verordnungen erlassen, um eine Überlastung der Umwelt zu verhindern. Wohlstand müsse auf neue Art und Weise jenseits des materiellen Konsums gemessen werden. Und für diese Ziele sollen alle Instrumente der Wirtschaftspolitik darauf hin durchleuchtet werden, ob sie zum Erreichen der ökologischen Nachhaltigkeitsziele geeignet sind.
Soziale Marktwirtschaft: Positive Bilanz, Umwelt übersehen
„Die Zeit ist reif für eine sozialökologische Marktwirtschaft“, heißt es im 15-seitigen Vorwort mit dem Titel „Von der sozialen zur sozialökologischen Marktwirtschaft“. Es beschreibt die Ziele, die sich die Bundesregierung nach dem Willen des grünen Vizekanzlers geben soll. Es lobt ausführlich die Erfolge des sozial abgefederten Kapitalismus in Deutschland: Wohlstand, politische Stabilität, gesellschaftlicher Zusammenhang, Freiheit und Unternehmergeist. „Die Bilanz der sozialen Marktwirtschaft ist eindeutig positiv“, heißt es.
Allerdings sieht es „das deutsche Wirtschaftsmodell auch durch die strukturell gewachsene Anzahl an ungerechten Privilegien spezifischer Interessengruppen geschwächt“. Politik müsse sich in Zukunft stärker am Gemeinwohl als an Lobby-Einfluss orientieren, Subventionen überdenken sowie „vermachtete oder von Informationsasymmetrien geprägte Machtstrukturen“ kritischer sehen. Vor allem aber zeige sich, dass die „Wohlstandsgewinne in großen Teilen der Welt“ auf einem „nicht nachhaltigen Produktionsystem“ beruhten, das „existenzielle globale Umweltgüter“ massiv gefährde.
In Deutschland, warnt der Bericht, könne „eine Fortschreibung der bestehenden Wirtschaftsweise“ selbst bei aktuellen Klimaschutzbemühungen etwa durch Überflutungen mittel- und langfristig zu wirtschaftlichen Schäden führen, die „weit im zweistelligen Prozentbereich des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen dürften“. Dem Kapitalismus allgemein und auch seiner deutschen Spielart „fehlt es weiterhin an einer systematischen Verankerung der Nachhaltigkeit“.
Deshalb ruft Robert Habeck dazu auf, für die „historische Transformation“ zur Klimaneutralität bis 2045 eine „grundlegende Weiterentwicklung des gegenwärtigen Wirtschaftsmodells hin zu einer sozialökologischen Marktwirtschaft“ zu schaffen. Das soll in drei Schritten gelingen: „Ordnungspolitisch die planetaren Grenzen (…) zu verankern“ – wie es etwa in der Finanzpolitik mit der „Schuldenbremse“ schon exerziert wird. Dann eine „Neugewichtung der wirtschaftspolitischen Ziele“ vorzunehmen mit einer „erweiterten Wohlfahrtsmessung“, die den klassischen BIP-Zahlen „Gerechtigkeits- und Nachhaltigkeits-Indikatoren“ zur Seite stellt. Es müsse debattiert werden, ob die Bevölkerung immer mehr materiellen Konsum wolle oder lieber Fragen der Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit beantwortet sehen wolle.
„Allianz für die Transformation“ geplant
Und schließlich wolle die Regierung „sämtliche wirtschaftspolitischen Instrumente hinsichtlich ihrer Effekte auf die Erreichung der ökologischen Nachhaltigkeitsziele“ hinterfragen und „im Zweifel anpassen“. Das bedeutet eine Öko-Inventur bei Förderprogrammen, Subventionen und Steuerregeln. Der CO2-Preis soll dabei zu einem „Leitinstrument“ der Wirtschaftspolitik werden.
Nötig sei dabei eine „tiefgreifende Umwälzung der ökonomischen Wirklichkeit“. Deutschland müsse nicht nur seine Klimaziele erreichen, sondern die Öko-Wende auch zum ökonomischen Erfolgsmodell machen, dem andere Staaten nacheifern könnten. Dafür will Habeck im Land eine „Allianz für die Transformation“ zusammentrommeln: Im Frühjahr 2022 sollen VertreterInnen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in einem „gemeinsamen Aktionsraum“ über diese Fragen reden.
Habeck bekräftigt, für die Transformation würden „alle Köpfe und Hände“ gebraucht, keine Region werde abgehängt. Und statt immer mehr Konsum sollen Respekt und Sicherheit zum neuen Ziel der Politik werden: Bei „weitgehender Sättigung“ mit Konsumgütern und hohem Verbrauch von Ressourcen sei „ein politisches Versprechen weiter und generell ansteigender Konsumniveaus nicht zu geben“, heißt es. Zentral für Lebensqualität und Akzeptanz sei dagegen „das Versprechen von sozialer Sicherung“, der Respekt vor Engagement und die Wertschätzung „jeder Art von Arbeit“.
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