Linken-Politikerin zu Auslandseinsätzen: Mehr als eine Wissenslücke
Hennig-Wellsows Ahnungslosigkeit bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr offenbart die intellektuelle Schlampigkeit der linken Reformer bei diesem Thema.
R udolf Scharping, Robert Habeck und Susanne Hennig-Wellsow haben etwas gemeinsam: spontan auftretende Ahnungslosigkeit. Der SPD-Mann brachte mal Brutto und Netto durcheinander, was Zweifel an seiner Kanzlerfähigkeit weckte. Robert Habeck ist in der Liste der Politiker mit Wissenslücken uneinholbar und stocherte bei der Pendlerpauschale, den Aufgaben der BaFin oder der Haltung der Grünen zu Julian Assange im Nebel.
Nun haben alle mal einen miesen Tag, und wer nicht schon mal bei einer Prüfung versagt hat, obwohl er oder sie es eigentlich doch wusste, werfe den ersten Stein. Wären PolitikerInnen, die immer alles ganz genau wissen, nicht auch eine befremdliche Vorstellung?
So kann man es sehen. Die Ahnungslosigkeit der Linksparteichefin Susanne Hennig-Wellsow bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr ist allerdings ein besonderer Fall. In einem Interview wusste sie nicht, in wie viel Auslandseinsätzen die Bundeswehr derzeit ist und bei der Frage welche Kampfeinsätze es zu beenden gilt – eine zentrale Forderung ihrer Partei – war sie auch überfordert. Auf jeden Fall müssten alle Soldaten aus dem Ausland abgezogen werden, so Hennig-Wellsow. Gegen alles sein ist ja für LinksparteipolitikerInnen immer ein Ausweg. Eine Minute zuvor hatte sie allerdings bekundet für friedenserhaltende Bundeswehreinsätze nach Kapitel 6 der UN-Charta „offen zu sein“.
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Die Chefin der Linkspartei kennt die friedenserhaltenden Bundeswehreinsätze nicht. Sie will aber alle auf jeden Fall beenden, obwohl sie im Prinzip offen für solche Einsätze ist. Das ist mehr als eine Wissenslücke. Es ist ein politischer Irrflug – und gravierender als nicht zu wissen, ob die BaFin oder das Finanzamt für die Überprüfung von Handwerkerrechnungen zuständig ist.
Keine eigene außenpolitische Erzählung
Hennig-Wellsow hat in den letzten zwei Wochen kaum eine Gelegenheit ausgelassen, für Regierungsbeteiligung der Linkspartei zu werben. Das ist politisch weitblickend, denn als ewige Opposition wird die Partei irgendwann überflüssig. Teile der Linkspartei verstellen mit ideologischer Halsstarrigkeit zudem den Blick darauf, woran Grün-Rot-Rot eigentlich scheitern würde – den Grünen, die ganz auf die Union fixiert sind. Die Fundis in der Linkspartei, die schon eine Enthaltung bei einem friedenserhaltenden Auslandseinsatz der Bundeswehr für Verrat halten, räumen gerade die letzten Steine auf dem Weg zu Schwarz-Grün weg. Ein Geschenk mit Schleifchen für Annalena Baerbock.
Eine zentrale Debatte auf dem Parteitag der Linken vor einer Woche drehte sich um Bundeswehr und Außenpolitik. Matthias Höhn forderte einen pragmatischen Kurs, und wurde deswegen nicht zum Parteivize gewählt. Das war eine Niederlage für die Pro-Regierungsfraktion, die Hennig-Wellsow doch anführen möchte. Umso rätselhafter ist die Ahnungslosigkeit der neuen Parteichefin. Hat sie nicht zugehört? Oder alles wieder vergessen?
Aber dies ist nicht nur ein Blackout, es ist auch intellektuelle Schlampigkeit. Die Linksparteireformer haben das Thema Auslandseinsätze schon öfters nicht ernst genug genommen. Die fürs Regieren offenen Linken haben es, nimmt man Stefan Liebich und Matthias Höhn aus, versäumt, energisch eine neue einleuchtende außenpolitische Erzählung zu entwerfen, die das Selbstbild als Friedenspartei mit Kompromissfähigkeit verknüpft. Ein führender Pragmatiker hat vor Jahren kühn behauptet, die Auslandseinsätze werde man bei rot-rot-grünen Koalitionsverhandlungen in einer Stunde weg verhandeln. So ist es nicht.
Oder: Man redet nur über die Auslandseinsätze, an die sich Hennig-Wellsow erinnert.
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