Laschets Wahlspot mit einem Querdenker: Blinzeln nach rechts außen
Der Flirt mit einem Querdenker für einen Wahlspot wirft einen Schatten auf Unionskandidat Laschet. Er brüskiert damit auch die Opfer rechter Gewalt.
E rst schmunzelt er, während Frank-Walter Steinmeier angemessene Worte für Flutopfer sucht. Dann trotzt er, wenn ihn Kinderreporter:innen mit der politischen Haltung Hans-Georg Maaßens konfrontieren. Nun betont ein Wahlwerbespot seiner Partei, wie wichtig es sei, mit Querdenker:innen zu sprechen – während Gedanken und Nachrichten um den Tankstellenmord in Idar-Oberstein kreisen.
Der Bundestagswahlkampf hat die Gemüter inzwischen so aufgerieben, dass sie glühen. Jeder Fehltritt auf den letzten Metern läuft Gefahr, ein großes Feuer zu entfachen. Tut man Armin Laschet unrecht? Zu den Fakten: Am vergangenen Samstagabend, dem 18. September 2021, erschießt ein Mann einen jungen Tankstellenmitarbeiter, nachdem dieser ihn mehrfach aufgefordert hatte, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen.
Zwei Tage später, am Montag, den 20. September, veröffentlicht die Polizeidirektion Trier das Tatmotiv. Am selben Tag – der Zeitpunkt könnte kaum schlechter gewählt sein – wird auf Laschets Facebookseite der Wahlwerbespot veröffentlicht, in dem ein Querdenker auf den Kanzlerkandidaten zuläuft. Anstatt ihn von der Bühne entfernen zu lassen, reagiert Laschet mit einem Gesprächsangebot.
Was im Sog der Flammen untergeht, ist die richtige Reihenfolge: Erst kommt Laschets Wahlspot, 16.30 Uhr, eine halbe Stunde später die Pressekonferenz der Polizei. Ist der ganze Wirbel also einfach schlechtem Timing geschuldet? Bisher gibt es von Laschets Social-Media-Team keine Reaktionen auf die empörten Kommentare zu dieser Koinzidenz.
Im Zweifel geht die Stimme ans blaue Original
Ist es Naivität? Der Mann mit der vermeintlich kritischen Haltung ist Thomas Brauner, und spätestens seit den Berichten nach dem Zusammentreffen in Erfurt dürfte Laschets Wahlkampfteam wissen, mit wem man es hier zu tun hat. Trotzdem wirbt Laschet mit ihm um Stimmen. Inzwischen ist bekannt, dass der Täter von Idar-Oberstein sich im selben rechtsextremen Desinformationsmilieu bewegte, in dem sich auch Brauner zu Hause fühlen dürfte.
Armin Laschet vergreift sich nicht im Ton, er trifft ihn. Er ist nicht auf dem rechten Auge blind, sondern blinzelt verschmitzt. Die CDU wirbt mit einer „Richtungsentscheidung für Deutschland“. Armin Laschet macht die Richtung der CDU auf den letzten Metern deutlich. Damit dreht er nicht nur linkeren Parteien, sondern auch Opfern rechter Gewalt unmissverständlich den Rücken zu.
Ob diese Entscheidung der CDU zu mehr Stimmen verhilft, ist jedoch fraglich. Gute Berater würden Laschet und der CDU eine Erkenntnis nahelegen, die zahlreiche Politikwissenschaftler:innen längst teilen: Im Zweifel geht die Stimme der Wähler:innen eher ans blaue Original.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern