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Kulturstaatsminister gegen ÖRRWenn Wolfram Weimer wieder wettert

Kaum ein Tag vergeht, ohne dass der Kulturstaatsminister gegen Öffentlich-Rechtliche austeilt. Doch das schadet mehr als jeder AfD-Vorstoß.

Standhaft geblieben: Staatsminister für Kultur und Medien Wolfram Weimer Foto: Soeren Stache/dpa

Z ur Erinnerung an einen großen Mann des Boulevards: Post an Herrn Weimer

Lieber Staatsminister,

diese Woche wird gut. Genauer gesagt, sie ist es im Moment noch. Bisher haben Sie die Öffentlich-Rechtlichen nicht gedisst. Oder haben Sie das wegen der ganzen anderen wichtigen Termine nur vergessen?

„Der öffentlich-rechtliche Rundfunk darf kein Echoraum der Beliebigkeit und auch kein Filter für genehme Gesinnungen sein.“ Das haben Sie vor zwei Wochen zur Diskussion um „Klar“ und Julia Ruhs gesagt. Doch Sie sind standhaft geblieben. Obwohl der NDR eine konservative Moderatorin nach der anderen für „Klar“ präsentierte. Auch bei der Ex-Bild-Chefin Tanit Koch sind Sie nicht zurückgerudert. Sie sind als Parteiloser parteilich geblieben. Und haben weiter gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nachgelegt.

Der wirke „politisch links geneigt“, haben Sie letzte Woche in einem Interview gesagt. Nicht in der Bild-Zeitung. Trotz Tanit Koch. Da würden Sie nur zu den schon Bekehrten predigen. Sie sprachen mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Einer der größten deutschen Zeitungsgruppen. Und haben ganz unschuldig hinterhergeschoben, dass es „nicht gut“ sei, „wenn viele Millionen Deutsche zwar Zwangsbeiträge zahlen müssen, aber das Gefühl haben, dass sie dort nicht vertreten werden“.

Top-Down-Mentalität

Genau das Gefühl fördern Sie. Schön schwammig bleiben und Meinungsmache betreiben. Damit die Menschen sich im öffentlich-rechtlichen Rundfunk vertreten fühlen, könnten ja Publikumsräte eingeführt werden. Aber das meinen Sie nicht. Sie sind Top-Down, nicht Räte-Republik. Deswegen sind Sie ja auch gegen Gendern und anderes „politisch links geneigtes“ Zeugs. Sie verfolgen eine klare Gesinnung.

Ihr Plan geht leider auf. Mittlerweile sagen knapp 50 Prozent der Menschen, sie fühlten sich in ihrer Meinungsfreiheit eingeschränkt. Dabei ist der Meinungsdruck nur gefühlt. Die Meinungsfreiheit ist nicht eingeschränkt. Doch so wird es erlebt in den aufgeheizten Debatten. Die Sie mit Ihren beliebigen Echos noch befeuern.

Dabei haben Sie einflussreiche Verbündete. Nicht die AfD. Die liebt Sie medienpolitisch wahrscheinlich auch. Aber sagt das noch nicht so laut. Ihre besten Handlanger sind die Öffentlich-Rechtlichen selbst. Deren Intendantinnen und Intendanten halten alle die Klappe. Beten, dass die Woche bald vorbei ist. Da traut sich niemand, die eigene Zukunft mal zum Programm zu machen. Und Sie mal zu „Hart, aber Lanz“ einzuladen.

Mit denen ist im Moment kein Staat zu machen. Mit Ihnen schon. Das wissen Sie, Herr Staatsminister. Und nutzen es aus.

Herzlichst, Ihr Herr Grimberg

PS: Herr Weimer, Sie müssen schon genauer werden und konkret benennen, was fehlt. Sonst ist das Rotze, sagte die Mitbewohnerin.

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
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17 Kommentare

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  • Das haben sich unser Linken doch selbst zuzuschreiben. Haben sie doch bei der Einführung des werbefinanzierten Fernsehen nicht voraussehen wollen, wohin die Reise geht.



    Viele aus der SPD waren doch auch für einen Konkurrenten des ÖRR, aus welchen Gründen auch immer. Und die Grünen haben überhaupt nicht realisiert, dass hier nur der Konsumrausch mittels Manipulation am Laufen gehalten werden soll.



    Wer wissen möchte, wie viel Geld seitdem in den Profisport geflossen ist, möge sich eine entsprechende Grafik im Netz besorgen. Das die ÖRR irgendwann unter Feuer genommen werden war da doch vorauszusehen. Warum soll ich für etwas eine Zwangsgebühr bezahlen müssen, wenn ich es woanders kostenfrei bekomme.



    Und bei Pay-TV noch eine Wahlfreiheit habe.



    So tickt halt der Mensch. Der Kapitalismus weiß das, nur unsere Linken wollen das nicht begreifen.

    PS: Nicht anders verhält es sich im Internet. Unsere Linken verteufeln die Macher, die mit Werbeeinnahmen Abermilliarden einfahren, dass System zu ändern kommt ihnen aber nicht in den Sinn. Die, welche so viel Wert auf die Bildung des Bürger legen, schauen zu wie er verblödet wird.



    Wer sich vom Kapitalismus vorführen lässt, kommt darin um.

  • Die allgegenwärtige Sache bei Weimer ist: Der Mann ist einfach peinlich. Die Talkshowauftritte, seine Statements, sein Buch. Zum fremdschämen.

  • In Politik-TV-Talkshows wurde in den letzten Wochen das Thema Bürgergeld und sein angeblicher Missbrauch rauf und runter diskutiert. Und das bei einem Einsparvolumen von 1. Mrd Euro!

    An diesem Ungleichgewicht ist abzulesen, wie AFD-CDU Politik in einem Anpassungsprozess in Redaktionen voll durchschlägt.

    Selbst der so unerschrockene Böhmermann stand nicht zu dem von ihm eingeladenen Chefket, weil Weimer öffentlich Druck machte - mit Verweis auf Kritik von jüdischer Seite aufgrund von Antisemitismus des eingeladenen Künstlers.



    Folge: alle Musikkünstler cancelten ihren Auftritt bei Böhmermann.



    Selbstzensur also bei Böhmermann, was an Universitäten aufgrund politischen Drucks und Lobbys in den USA Gang und Gebe ist. So z. B. an der Harvard University bei einer Fachzeitschrift zur Palästina-Forschung.



    Hart aber fair solle das diskutieren. Und das mit Moderator Klammroth, der mit Trashfilmschnipseln im Netz mit Press play Journalismus "unterhaltsam" simuliert, statt eine politische Haltung einzunehmen?



    Weimer hat längst gewonnen, denn der WDR hat sich selbst einteiert, auch weil die WDR-Intendantin AFD-Poitionen STÄRKER im Programm abbilden will. Kein Protest im WDR. Auf Linie!

  • Über Menschenkenntnis scheint Merz reichlich zu verfügen.

  • Untragbar sind aus meiner Sicht keineswegs die Öffentlich Rechtlichen.

    Untragbar scheint mir eher der rechte Kulturstaatsminister zu sein.

    Oder liegt vielleicht nur ein Missverständnis vor?

    Wenn man Öffentlich Rechtlich mit Öffentlich "Rechts" verwechselt, dann sind die Öffentlich Rechtlichen tatsächlich zum Glück weiter links.

    /S

  • Der Dünkel, mit dem Weimer seine Kritik vorträgt, lässt durchaus auf eine autoritäre Gesinnung schließen. Verächtlich machen anstatt konstruktiv zu werden ist auch so eine braune Methode die Abrissbirne ins Spiel zu bringen, ohne dafür Verantwortung übernehmen zu müssen.



    Der Mann ist mir höchst verdächtig, und Merz wird schon wissen, warum er ihn eingesetzt hat ...

  • "Die Meinungsfreiheit ist nicht eingeschränkt.".. Nur für Wolfram Weimer sollte sie es sein, findet der Autor. Der sei nämlich "Top-Down" und deshalb gegen das Gendern und außerdem meint er, der ÖRR sei "politisch links geneigtes". So etwas darf man natürlich nicht sagen, da hat der Autor seinen festen Klassenstandpunkt! Wo kämen wir denn hin, wenn jeder einfach so seine Meinung sagt!? Gegen den ÖRR! Das geht gar nicht! Das gehört verboten!

    • @Peter Wenzel:

      Wie kommen Sie darauf, dass der Autor geschrieben habe, dass man nicht sagen dürfe, dass der ÖRR links geneigt wäre? Das hat Weimer doch sagen dürfen, oder etwa nicht?

      Dass man für Aussagen auch Kritik bekommen kann, damit scheinen Sie eher ein Problem zu haben. Genau das ist der Kern, den Illiberale nicht akzeptieren wollen.

      Und solange Nuhr im Ersten auftreten darf mache ich mir keinerlei Sorgen, dass der ÖRR links geneigt sein könnte. Es stimmt einfach nicht. Richtig ist vielmehr, dass in diesem Land die Toleranz gegen Andersdenkende schwindet.

    • @Peter Wenzel:

      "Meinungsfreiheit" bedeutet, seine Meinung ohne Angst vor Repressionen frei äußern zu können. Von "unwidersprochen" war nie die Rede!

    • @Peter Wenzel:

      "Jeder", aha.



      D.h. Weimers Meinung hat für Sie die gleiche Schlagkraft, wie der Oppa Alfred am Stammtisch um die Ecke?

    • @Peter Wenzel:

      Die Unfähigkeit, zwischen Kritik und Verbot unterscheiden zu können, scheint sich zu einer Seuche auszuweiten.

  • Steffen Grimberg: "Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten."

    Auch Steffen Grimberg: "Die öffentlich-rechtlichen Medien sind die wahren sozialen Netzwerke: Nur hier gibt es unabhängige, solidarisch finanzierte Angebote ohne den Zwang, sich bei irgendeiner Plattform zu registrieren und mit seinen Daten zu bezahlen."

    lol

    • @KruegerParc:

      Und was ist daran lol?

      Es ist die Meinung von Steffen Grimberg. Jeder kann anderer Meinung sein, aber in der Tat sind die ÖRR meist sicher weit näher an den Fakten als Diskussionen in Sozialen Medien.

  • Diesem Mann ist alles gleichgültig was nicht auf seiner rechtspopulistischen Linie liegt. Es ist ein weiteres Zeichen dafür, dass die Brandmauer längst zu einem musealen Erinnerungsstück geworden ist. Die Rechtsextremisten freuen sich schenkelklopfend über solche Politik in ihrem Sinne....

  • Staatsminister für Kultur und Medien Wolfram Weimer



    ---



    Lieber Steffen! Klar geschrieben, aber mMn. fehlt was!

    Hast du das "Peter Prinzip"(1) vergessen?



    Zitat: „In einer Hierarchie neigt jeder Beschäftigte dazu, bis zu seiner Stufe der Unfähigkeit aufzusteigen.“(c)Laurence J. Peter, Raymond Hull: The Peter Principle

    Weimer ist mMn. dort angekommen!

    Wenn wir da weiter denken, bleibt als Hoffnung:



    „...geräuschlosen Sublimierung“ und der „seitlichen Arabeske...“,

    nicht nur bei Weimer, sondern auch bei einigen Mitstreitern, vielleicht sogar bei seinem Chef!

    Mein RAT, singen wir uns mal wieder eins:



    2,3,4



    "Vorwärts und nicht vergessen,



    worin unsere Stärke besteht!



    ... "



    Falls Du den Text nicht mehr auswendig kannst, siehe (2) :-)

    "Solidarischen" Gruss Sikasuu

    (1)de.wikipedia.org/wiki/Peter-Prinzip



    (2)ingeb.org/Lieder/aufihrvo.html

  • Wie nur konnte man diesem rechtsdrehenden Dilettanten diesen Job geben?



    Was mutet uns die derzeitige Regierung wohl noch zu?



    Kunstfreiheit untergraben, ÖR diskreditieren und damit die unabhängigen Informationsmedien beschädigen -



    Könnte glatt ein Maulwurf der AFD sein!

  • Es ist doch offensichtlich, dass ein Flügel der CDU mit der AfD koalieren möchte.