Kritik an Islam-Äußerung: Seehofer kriegt's von allen Seiten
Politiker und der Zentralrat der Muslime kritisieren den Bundesinnenminister, der meint: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“. Die AfD freut sich.
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Auch der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime, Aiman Mazyek, wandte sich gegen Seehofer. Ein Heimatminister, der sich am ersten Tag seiner Amtszeit derart unsolidarisch zeige, habe sich „umgehend disqualifiziert“ und handele „sträflich verantwortungslos“, sagte er.
Bundesinnenminister Seehofer hatte im ersten Zeitungsinterview nach seiner Ernennung einen Unterschied zwischen der Religion und ihren Anhängern gemacht. „Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Deutschland ist durch das Christentum geprägt. Dazu gehört der freie Sonntag, kirchliche Feiertage und Rituale wie Ostern, Pfingsten und Weihnachten. Die bei uns lebenden Muslime gehören aber selbstverständlich zu Deutschland“, sagte er der BILD.
Seit der damalige Bundespräsident Christian Wulff (CDU) 2010 in seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit sagte: „Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland“, polarisiert dieser Satz. Die ihn bejahen wünschen sich einen liberaleren Umgang mit Muslimen, die ihn verneinen verlangen ein härteres Vorgehen. Vertreter von SPD, FDP, Linkspartei und Grünen kritisierten Seehofer am Freitag einhellig.
Söder sitzt die AfD im Nacken
Gespalten ist dagegen die Union. Interessant war daher vor allem die Äußerung des am Freitag neu gewählten bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU). Er hatte 2012 zur Überraschung vieler gesagt, der Islam sei „ein Bestandteil Bayerns“. Jetzt, ein halbes Jahr vor den bayerischen Landtagswahlen, ruderte Söder vorsichtig zurück. Die christlich-abendländische Kultur sei prägend für Deutschland, das solle auch in Zukunft so bleiben, sagte Söder.
Dem neuen Ministerpräsidenten sitzt die AfD im Nacken, die in Umfragen auf bis zu 12 Prozent in Bayern kommt. In Sachsen-Anhalt zeigte sich AfD-Fraktionschef André Poggenburg erfreut: „Diese Botschaft hat Seehofer wortwörtlich unserem Grundsatzprogramm entnommen“, sagte er. Poggenburg will Ende März seinen Fraktionsvorsitz niederlegen, nachdem er wegen diffamierender Äußerungen über türkische Migranten („Kameltreiber“) kritisiert worden war. In de Tat unterscheidet auch die AfD zwischen dem Islam und seinen Anhängern: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland. […] Viele Muslime leben rechtstreu sowie integriert und sind akzeptierte und geschätzte Mitglieder unserer Gesellschaft“, heißt es im Programm.
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