Kopftuchstreit bei Terre des Femmes: Die verbotene Frage
Terre des Femmes fordert ein Kopftuchverbot für Mädchen. Dafür wird die Menschenrechtsorganisation kritisiert. Ist das gerechtfertigt?
Wer wissen will, wie schnell Emotionen hochkochen können, hätte am Donnerstag in Berlin-Mitte bei der Pressekonferenz von Terre des Femmes (TdF) vorbeischauen müssen. Die Menschenrechtsorganisation stellte ihre Petition „Den Kopf frei haben“ vor, eine Kampagne gegen das sogenannte Mädchenkopftuch, die im Herbst mit geplanten 100.000 Unterschriften dem Justizministerium übergeben werden soll.
Nun sorgt allein die Ankündigung des Themas für Aufregung, das Kopftuch ist so umstritten wie kein anderes Stück Stoff. Die einen sehen darin Religionsfreiheit, andere – so wie TdF – eine Fahne des Islamismus. Beim „Mädchenkopftuch“ kommen Schlagworte wie Kinderrechte und Kindesmissbrauch dazu. Und bei Kindern, da ist man sich einig, hört der Spaß auf.
TdF hat ein ehrenwertes Anliegen: Kinder und Frauen vor Gewalt, Hunger, Analphabetentum, patriarchalen Bevormundungen zu schützen. Zu den Feinden von Frauenrechten zählt die Organisation auch das Kopftuch, erst recht das für Mädchen. Wenn die Zahl der Schülerinnen mit Kopftuch in sogenannten Schwerpunktkiezen rasant steige und selbst Lehrer*innen deshalb Rat suchen, so wie das Susanne Schröter, Chefin vom Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam, berichtete, sollte man das Thema ernst nehmen. Vorsichtig sein sollte man aber mit Begriffen wie „Mädchenkopftuch“ und „Kopftuchmädchen“. Sie verändern die Debatte und vergiften sie im schlimmsten Fall mit rechtspopulistischer Propaganda.
Nun wird TdF selbst des Rassismus und Rechtspopulismus bezichtigt. Allein, weil sich der Verein vehement gegen das Kopftuch als „Instrument islamistischer Fremdbestimmung“ stemmt. Schaut man auf die Liste der Erstunterzeichner*innen der aktuellen Petition, dürfte man indes ins Grübeln kommen.
Schrille Erregungsamplitude
Die Sprachwissenschaftlerin Luise Pusch, die Journalistin und Fernsehmoderatorin Maria von Welser und die Sozialarbeiterin Cathrin Schauer, die sich gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel engagiert, sind des Rechtspopulismus völlig unverdächtig. Warum also halten sich ausgrenzende Anschuldigungen gegen TdF so hartnäckig, wie die Organisation das Kopftuch an manchen Frauenköpfen festgenagelt sieht?
Vielleicht durch Frauen wie Necla Kelek. Die Erregungsamplitude der Soziologin, Islamkritikerin und TdF-Vorstandsfrau kann binnen von Sekunden schweißtreibende Höhen erreichen. Schon bei sachlichen Fragen, wie sie bei Pressekonferenzen üblich sind, einer taz-Frage wie dieser: Wie viele „Kopftuchmädchen“ gibt es in Deutschland? Kelek bellte von ihrem Stuhl in Berlin-Mitte aus in die Pressereihen vor ihr: „Traurig, dass Sie diese Frage stellen.“ Rums. Aufruhr, lärmendes Durcheinander.
Die Juristin Seyran Ateş, eine kluge, feministische Kämpferin für Menschenrechte und gegen „Geschlechterapartheid“ (Ateş über Ateş), sprang Kelek rasch bei: „Warum wollen Sie das wissen?“ Anhaltendes Geraune. Ateş schiebt nach: „Ein einziges Mädchen mit Kopftuch reicht.“
Klar ist: Es gibt keine Statistik, die zählt, wie viele Mädchen ein Kopftuch tragen (müssen). Es gibt lediglich eine Ahnung davon, wie die Islamforscherin Schröter schließlich zugibt.
Eine Kampagne rechtfertigt das allemal. Wie erfolgreich kann sie sein? Große Kampagnenplattformen wie change.org und campact würden sich aus Angst vor Rechtspopulist*innen „nicht trauen, unsere Aktion zu verbreiten“, sagt TdF-Chefin Christa Stolle. Ein späterer Blick auf campact.de zeigt: „Den Kopf frei haben“ steht darauf. Mit 116 Unterschriften.
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