Kommentar Linksliberale und der Islam: Der Stoffkäfig degradiert Frauen
So pauschal wie Konservative den Islam diffamieren, wird er von links verteidigt. Beim Burka-Verbot aber übersehen Liberale einen wichtigen Punkt.
D ie CDU-Politiker, die ein Burka-Verbot fordern, werden mehr Erfolg haben, als viele Linksliberale es sich träumen lassen. Abgesehen davon, dass das Thema emotionalisiert und sich gegen eine Minderheit richtet, die keine Sympathien genießt, ist etwas anderes entscheidend. Die Konservativen haben in einem wichtigen Punkt Recht.
Denn eins ist wirklich nicht zu bestreiten: Burka und Nikab stehen für einen illiberalen und reaktionären Islam, der Frauen unterdrückt. Der Stoffkäfig degradiert Frauen zu gesichtslosen Wesen, er lässt sie aus dem öffentlichen Raum verschwinden – denn den sollen bitteschön die Männer dominieren. Um diese Tatsache darf sich, wer progressiv denkt, nicht herumdrücken.
Leider passiert genau das immer wieder. Manche Linke neigen dazu, ihre religionskritische Haltung bei Debatten über den Islam im Vorzimmer abzugeben. Weil Konservative gerne den Islam pauschal diffamieren, verteidigen sie ihn ebenso pauschal. Aber das wäre in diesem Fall intellektuell unredlich. Burka und Nikab haben nichts mit dem aufgeklärten Islam zu tun, sie sind Ausdruck eine religiösen Strömung, die die Ideale aufgeklärter Gesellschaften ignoriert.
Bei all der Aufregung über den konservativen Populismus gerät das gerne mal aus dem Blick. Selbst das naive Argument, die Vollverschleierung könne eine exotische Spielart weiblicher Selbstbestimmung sein, ist zu hören. So viel naive Gutgläubigkeit wirkt fast schon wieder sympathisch, aber sie schadet dem Diskurs. Es mag Musliminnen geben, die freiwillig den Schleier überwerfen, aber die allermeisten fügen sich (bewusst oder unbewusst) einer machohaften Tradition, die ihnen von Kindheit an eingetrichtert wurde.
Damit hier kein Missverständnis entsteht: Ein Verbot wäre dennoch falsch. Nicht, weil die Zahl der Burka-Trägerinnen in Deutschland verschwindend gering ist, sondern weil das Grundgesetz die freie Religionsausübung sehr weitgehend schützt. Und weil es den wenigen vollverschleierten Frauen nicht hilft. Befreite der Staat sie aus ihrem Stoffkäfig, würden sie eben zu Hause eingesperrt. Die CDU zielt allein auf das Bauchgefühl der Deutschen, aber nicht auf reale Verbesserungen.
Die CDU-Ideen wirken fürchterlich hilflos
Dann wäre da ein urliberales Argument: Ein aufgeklärtes Staatswesen darf nicht alle reaktionären Verhaltensmuster verbieten, die der Mehrheit nicht passen. Es beweist sich gerade darin, dieser Versuchung zu widerstehen. Im übrigen gäbe es sonst auch viel zu tun. Nähme man die CDU-Hardliner beim Wort, müssten sie auch in schmutzige Nischen des Christentums leuchten, in denen das Bibelzitat, die Frau sei dem Manne untertan, wörtlich genommen wird.
Wie unsinnig ein Verbot von Burka und Nikab wäre, dokumentieren ironischerweise gerade die CDU-Innenminister. Ihre Ideen wirken fürchterlich hilflos. Die zum Feminismus konvertierten CDUler reden ernsthaft über eine Änderung der Straßenverkehrsordnung. Schließlich, sagen sie, müssten Autofahrerinnen in Radarkontrollen identifizierbar sein. Oder sie argumentieren, eine Muslimin müsse vor Gericht erkennbar sein.
Respekt, darauf muss man erstmal kommen. Glaubt wirklich jemand, dass die Männer ihre Frau nicht sofort auf den Beifahrersitz verbannen würden, wenn sie es nicht sowieso schon tun? Und wäre es wirklich unmöglich, dass eine Polizistin eine Zeugin vor ihrem Gerichtsauftritt im Nebenzimmer identifiziert?
Aber, noch einmal: Linksliberale, die gegen das Burka-Verbot argumentieren, dürfen nicht den Fehler machen, eine reaktionäre Strömung des Islam zu verteidigen. Sie müssen dieses Stück Stoff als das benennen, was es ist, als repressives Instrument, das man tolerieren muss, aber nicht akzeptieren sollte. Sonst tappen sie in die Falle der Konservativen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Einigung über die Zukunft von VW
Die Sozialpartnerschaft ist vorerst gerettet
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen