Kolumne Geht's Noch: Die Polizei sagt, bleibt zu Hause!
Die Polizei hat Demonstrant*innen wie Schwerverbrecher aussehen lassen und neues Kriegsgerät präsentiert. Die Botschaft: bleibt passiv!
Gute Öffentlichkeitsarbeit könnte man das nennen, was die Polizei in den letzten Tagen veranstaltet hat. Dreistes Einspannen der Medienvertreter*innen trifft es allerdings besser. Zumindest im Fall der G20-Öffentlichkeitsfahndung: Die Hamburger Polizei hatte Journalist*innen erst aufgefordert, den Beamten ihr Bildmaterial zukommen zu lassen – und sie dann gebeten, bei der Fahndung zu helfen. Einige haben das willfährig getan. Sie haben Fotos von 104 Leuten veröffentlicht, die während des G20-Gipfels demonstriert haben.
Medienvertreter*innen, die gehorsam ausführen, was die Polizei sich wünscht, und alle Fotografierten zu Verdächtigen machen und alle Verdächtigen zu Schwerverbrechern, handeln verantwortungslos. Denn die Polizei weiß sehr gut, dass massenhaft Zuschauer*innen bei allen Demos rund um das Treffen waren. Manche haben randaliert, das stimmt, aber andere sicher nicht.
Und wenn diese anderen nun auf den Fotos auftauchen? Was ist das dann? Ein Kollateralschaden? Selbst wer nach bisherigem Ermittlungsstand eine Straftat begangen haben soll, ist zunächst eine verdächtige Person und kein Schwerverbrecher. Und eine Straftat begeht man heutzutage sehr schnell auf einer Demo. In Zeiten, in denen man in den Knast kommt, wenn man einen Polizisten anrempelt, und in denen die gesamte Innenstadt zur Demoverbotszone erklärt wird, sollte man mit Verdächtigungen sehr vorsichtig sein.
Dazu kommt, dass die Soko Schwarzer Block noch vor Terabytemassen unausgewerteten Überwachungsmaterials sitzt. Dass sie jetzt die Öffentlichkeit einschaltet, ist reine Stimmungsmache. Die wirklichen Krawallmacher, die große Sachschäden angerichtet haben, wurden bisher nicht gefasst. Dafür sollen jetzt die anderen öffentlich an den Pranger. Wie erbärmlich.
Der zweite Coup der Woche: In Sachsen präsentierte die Polizei ein Monstrum von einem Panzer, 13 Tonnen schwer, mit der Möglichkeit, ein Maschinengewehr auf dem Dach anzubringen, und Stickerei in Frakturschrift auf den Sitzen. Auch andere Bundesländer haben den Panzer schon erworben. Er sei „universell einsetzbar“, sagte ein Polizeisprecher. Demnächst rückt dann nicht nur das Sondereinsatzkommando SEK bei Demos an, wie beim G20-Gipfel, sondern auch der „Survivor R“.
Die Botschaft, die sowohl das neue Panzergefährt als auch die Öffentlichkeitsfahndung aussenden soll, ist dieselbe: Bleiben Sie zu Hause, und bleiben Sie passiv.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau