Klimaprotest nimmt Reiche ins Visier: Jets erst recht
Die Letzte Generation will jetzt gezielt gegen klimaschädlichen Reichtum protestieren. Darf die breite Masse deshalb aufatmen?
Vielleicht lässt es sich in einer Jacht auch auf einer Sintflut aushalten. Vor allem lässt sich die Sintflut damit aber hervorragend auslösen. Mehr als 1.000 Liter Diesel verbrauchen manche der Luxusschiffe pro Stunde. Ein fossiles Fest. Eine Klimakatastrophe.
Das sieht auch die Klimaschutz-Gruppe Letzte Generation so. „Die Klimakatastrophe kommt nicht einfach so. Sie wird gemacht – und zwar in erster Linie von den Reichen“, heißt es in einem Plan der Gruppe für den Sommer 2023. „Deshalb werden wir in den nächsten Wochen an die Symbole des modernen Reichtums gehen, die nationale Aufmerksamkeit auf die rücksichtslose Verschwendung der Reichen lenken und die Ungerechtigkeit sichtbar werden lassen.“
Jachten, Privatjets, große Villen mit Klimaanlage und Pool: Superreiche haben ganz besonders viel Schuld an der Klimakrise. Das zeigt sich in harten Zahlen. Die durchschnittliche Person in Deutschland ist für etwa 10 Tonnen Kohlendioxid im Jahr verantwortlich. Beim reichsten Prozent sind es dagegen laut Daten der Denkfabrik World Inequality Lab 105 Tonnen, also mehr als das Zehnfache.
Die 800 Menschen, die das reichste 0,001 Prozent von Deutschland ausmachen, verursachen demnach sogar unvorstellbare 11.700 Tonnen. Die ärmsten Menschen leben umgekehrt – teils unfreiwillig aufgrund von finanziellen Zwängen – viel klimafreundlicher als der Durchschnitt, haben teils nur einen jährlichen Ausstoß von 3 Tonnen CO₂.
Trotz, Wut, Ablehnung
Das ist natürlich ein krasses Ungleichgewicht. Die Klimakrise ist deshalb nie nur ein Umweltproblem, sondern sie hat mit (Un-) Gerechtigkeit zu tun. Dass das nun auch die Letzte Generation interessiert, ist deshalb nachvollziehbar und sinnvoll. Welche Aktionen die Gruppe genau plant, ist noch unbekannt.
Auf jeden Fall kann man auch annehmen, dass ein unangenehmer Nebeneffekt ihrer üblichen Straßenblockaden ausbleibt: dass Konservative und Neoliberale plötzlich und kurzweilig ihr soziales Herz für die pendelnde Krankenschwester entdecken, als wäre deren eventueller Aufenthalt im Klimaklebe-Stau die Hauptursache für den Pflegenotstand in Deutschland.
Privatjets sind klimaschädlich und unnötig – darauf können sich die allermeisten einigen. Dass Proteste gegen die Luxuswelt ähnliche Wellen der Ablehnung auslösen wie die Straßenblockaden, ist deshalb nicht anzunehmen. Aber: Vielleicht steckt dahinter auch ein heimliches Aufatmen der breiten Masse, diesmal nicht selbst angesprochen zu sein.
Dabei ist natürlich auch das „normale“ Leben in Deutschland und vielen anderen Ländern extrem klimaschädlich – und wiederum viel CO₂-intensiver als das in anderen Ländern. In Indien beispielsweise verursacht die Durchschnittsperson nur etwa 2 Tonnen CO₂ pro Jahr. Das ist ungefähr die Größenordnung, in die es für alle Menschen auf der Welt gehen müsste. Die Klimakrise ist eben nicht nur in Deutschland ungerecht, sondern weltweit.
Deutschland trägt viel Klimaschuld und muss sich ändern – nicht nur die Superreichen, sondern praktisch alle. Daran erinnert die Letzte Generation mit ihren Straßenblockaden. Das ist es, was die starken Emotionen hervorruft: Trotz, Wut und Ablehnung. Ob das der Gruppe auch politischen Erfolg einbringt, steht auf einem anderen Blatt.
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