Klimapolitik der Bundesregierung: Tatsächliche Klimaterroristen

Unschöne Versicherungsdaten zu den Kosten der Klimakrise mahnen zur Eile. Doch was tut die Ampel? Setzt auf E-Autos und Kohlekompromiss.

Luftaufnahme eines umgeknickten Baumes

Teure Folgen der Klimakrise: umgestürzter Baum in einem Wohngebiet in Kalifornien Foto: Fred Greaves/reuters

Der Klimawandel fordert zunehmend Tribut. Die Naturkatastrophenbilanz 2022 ist dominiert von Ereignissen, die nach dem Stand der Forschung stärker oder häufiger werden. Manche auch beides zugleich. Zudem ist erschreckend, was sich immer wieder zeigt: Naturkatastrophen treffen Menschen in ärmeren Ländern besonders stark.

Diese Sätze stammen nicht von den Klima­aktivist:innen, die das Dorf Lützerath gegen die Braunkohlebagger verteidigen. Sie stammen von dem Vorstand der Munich Re. Der Konzern, der als weltweit größter Rückversicherer gilt, hat am Dienstag seine Bilanz des Jahres 2022 vorgelegt. Sie fällt katastrophal aus: stärkere Hurrikane in der Karibik, tödliche Monsunregen in Pakistan, Hitzewellen in Europa. Der Klimawandel ist Realität und er schlägt ökonomisch zu Buche. Im fünften Jahr in Folge mussten die Versicherer für Schäden im Wert von mehr als 100 Milliarden US-Dollar geradestehen. Dabei sind Naturkatastrophen in vielen Schwellenländern nicht mal versichert.

Wenn sonst schon nichts hilft: Die harten Wirtschaftsdaten der Versicherer sollten zur Eile drängen.

Was aber macht die Bundesregierung? Sie lädt am selben Tag zum Mobilitätsgipfel ins Kanzleramt, um vor allem über die Rettung der Autoindustrie zu reden, die dazu bewegt werden soll, beim E-Auto mal etwas aufs Gas zu drücken. Als ob nicht klar wäre, dass auch Elektromotoren jede Menge Energie brauchen und damit beim gegenwärtigen Strommix auch CO2 produzieren. Die Lösung lautet nicht andere, sondern weniger Autos.

Und was machen die Grünen? Sie loben sich für den von ihnen mitausgehandelten Kompromiss, nachdem RWE „nur“ noch bis 2030 kräftig Braunkohle baggern und verstromen darf. Dabei tickt die CO2-Uhr. Kommt es nicht zur radikalen Energiewende, ist das weltweite CO2-Budget für das Erreichen des beim Parisabkommen vereinbarten 1,5-Grad-Limits in sechseinhalb Jahren aufgebraucht. Also im Sommer 2029. Ein Kohleausstieg ein Jahr später nutzt dann auch nichts mehr.

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Immerhin haben Sprach­wis­sen­schaft­le­r:in­nen den Begriff „Klimaterroristen“ gerade zum Unwort des Jahres erklärt – weil er berechtigten Widerstand als staatsfeindlich abstempelt. Doch leider bestimmen Linguisten nicht die Politik.

Und daher werden in den kommenden Tagen Tausende Po­li­zis­t:in­nen an die Abbruchkante des Braunkohletagebaus bei Lützerath geschickt, damit die Bundesregierung weiterhin ihre Klimapolitik mit dem E-Auto gegen die Wand fahren kann.

Eigentlich sollten die Versicherer mal Bambule machen im Regierungsviertel. Denn es drängt sich die Frage auf, wo die tatsächlichen Klimaterroristen sitzen. In Lützerath jedenfalls nicht.

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Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters

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